Zu Beginn der heutigen Bundesratssitzung debattierten die Mitglieder der Länderkammer mit Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher über das neue österreichische Institut für Lieferkettenforschung (ASCII) und dessen Beitrag für einen resilienten Wirtschaftsstandort. Das Thema hatte die ÖVP gewählt. Es brauche seröse Forschungsergebnisse, um gute politische Entscheidungen treffen zu können, betonte Kocher mit Blick auf das Institut.
Unter den Bundesrät:innen gab es unterschiedliche Ansichten. Während ÖVP und Grüne das Institut als positiven Beitrag für Lieferkettenforschung bezeichneten, sah die FPÖ statt einer Analyse von Problemen deren Lösung vorrangig. Von den NEOS kam Kritik an der Vorgehensweise bei der Schaffung des Instituts. Für die SPÖ stehen in der Diskussion um Lieferketten insbesondere die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz im Vordergrund.
Kocher: Datengrundlage notwendig für gute Entscheidungen
Wirtschaftsminister Martin Kocher strich die Resilienz von Lieferketten als bedeutendes Thema hervor. Natürlich sei diese Resilienz auch und zuerst Aufgabe der Unternehmen. Es gebe aber strategische Abhängigkeiten, die den gesamten Staat betreffen. Deshalb seien eine gute Datengrundlage und seriöse Forschungsergebnisse so wichtig, um darauf aufbauend politische Schlussfolgerungen zu ziehen, sagte Kocher mit Blick auf das Austrian Supply Chain Intelligence Institute (ASCII). In ganz Europa gebe es kein solches Institut, wie es nun in Österreich geschaffen worden sei, betonte der Wirtschaftsminister. Er zeigte sich überzeugt, dass das ASCII eine gute wissenschaftliche Grundlage bereitstellen werde, um Entscheidungen über Gesetze zu treffen und so Österreich autonomer und resilienter zu machen.
ÖVP: Institut macht Standort resilienter
Um die Brüchigkeit der weltweiten Lieferketten aufzuzeigen, erinnerte die niederösterreichische Bundesrätin Marlene Zeidler-Beck (ÖVP) an die Havarie des Containerschiffs Ever Given im Suez-Kanal im März 2021. Beispiele wie dieses, aber auch globale Krisen wie die Corona-Pandemie oder die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine würden es notwendig machen, dem Thema auf den Grund zu gehen und bei der Lieferkettenforschung anzusetzen. Zeidler-Beck hob daher das neu geschaffene ASCII hervor, das vom Bund und dem Land Oberösterreich gemeinsam finanziert wird. Es soll durch seine Forschung ermöglichen, Risiken früh zu erkennen und datenbasierte Entscheidungen treffen zu können. Damit leiste das Institut einen Beitrag dazu, den Wirtschaftsstandort Österreich noch resilienter zu machen, so die Bundesrätin.
Auch Christian Buchmann (ÖVP/St) unterstrich die Relevanz von Lieferkettenforschung für den Standort und damit für die Beschäftigten in Österreich. Schließlich sei es wichtig, die Eintrittswahrscheinlichkeiten von Risiken zu kennen, um zielgerichtete Entscheidungen zu treffen. Buchmann sprach außerdem die Lieferkettenrichtlinie an, die gerade auf europäischer Ebene verhandelt wird, und Regelungen zur Verhinderung von Menschenrechts- und Umweltverletzungen zum Ziel hat. Er sah das Risiko, dass eine überschießende Richtlinie den kleinen und mittleren Unternehmen schaden könnte.
SPÖ stellt Menschenrechte und Umweltstandards in Mittelpunkt
Die europäische Lieferkettenrichtlinie griff auch Korinna Schumann (SPÖ/W) auf. Denn wiewohl es wichtig sei, über die wirtschaftlichen Aspekte von globalen Wirtschaftsketten nachzudenken, gelte es dringend auch, die Wirtschaft zur Verantwortung zu ziehen, sodass die Produkte entlang der gesamten Lieferkette unter fairen Bedingungen entstehen. Es gehe darum, Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, Umweltstandards einzuhalten und faire Löhne und Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Es könne nicht sein, dass Unternehmen Gewinne auf Kosten von Arbeitnehmer:innen in anderen Ländern machen, so Schumann.
Sandra Gerdenitsch (SPÖ/B) sprach ebenfalls das EU-weite Lieferkettengesetz an, zu dem das Europäische Parlament Anfang Juni seine Position festgelegt hat. Gerdenitsch zeigte sich entsetzt darüber, dass die Europäische Volkspartei das Vorhaben beinahe zu Fall gebracht habe und damit die Interessen der Wirtschaft über jene von Kindern stelle. Denn wer sich gegen die Regelungen ausspreche, nehme Kinderarbeit weiterhin in Kauf. Gerdenitsch bezeichnete das als "menschenfeindlich".
FPÖ: Lieferkettenforschung ist Randthema
Die freiheitliche Bundesrätin aus der Steiermark Andrea Michaela Schartel zeigte sich verwundert über die Wahl des Themas für die Aktuelle Stunde. Denn bei den aktuellen Problemen sei die Lieferkettenforschung für sie ein Randthema. Pressieren würden aus ihrer Sicht andere Themen wie die Bedingungen der Arbeitnehmer:innen, etwa in der Pflege oder der Lehre, oder auch die 1.900 Menschen, die nach dem Verkauf der Möbelkette Kika/Leiner ihre Jobs verlieren. "Höchste Zeit" wäre es laut Schartel für eine Aktuelle Stunde mit dem Titel "Die Regierung hat ihre Unfähigkeit eingesehen und wird, um weiteren Schaden von Österreich abzuwenden, sofort zurücktreten".
Schartel kritisierte wie Marlies Doppler (FPÖ/S) zudem, dass mit der Leitung des neu geschaffenen Instituts für Lieferkettenforschung der Komplexitätsforscher Peter Klimek betraut ist. Doppler stellte die Frage in den Raum, ob der Posten eine "Belohnung für seine Fehleinschätzungen" während der Corona-Pandemie gewesen sei. Aus ihrer Sicht braucht es keine Problemanalyse, sondern rasche Lösungen.
Grüne: Europäisches Lieferkettengesetz wichtiger Schritt für faire Bedingungen
Lieferketten seien keineswegs ein Randthema, sagte Maria Huber (Grüne/St). Mittlerweile würden 80 % des Welthandels auf globalen Wertschöpfungsketten beruhen. Die Globalisierung habe hier auch Schattenseiten, zeigte die Bundesrätin auf und verwies auf "untragbare Arbeits- und Umweltbedingungen" unter denen Rohstoffe abgebaut oder Produkte hergestellt würden. Die Einigung des Europäischen Parlaments über die Position zur Lieferkettenrichtlinie sei daher ein großer Schritt vorwärts auf dem Weg zu fairen Produktionsbedingungen und mehr Transparenz entlang der Lieferketten.
Marco Schreuder (Grüne/W) hob hervor, dass die Lieferkettenrichtlinie von den europäischen Grünen maßgeblich verhandelt worden sei. Europaweite Standards für Menschenrechte und Umwelt seien wichtig und würden angesichts der Größe des EU-Binnenmarkts auch globale Wirkung entfalten, zeigte er sich überzeugt. Das österreichische Institut für Lieferkettenforschung bezeichnete Schreuder als Investition, die sich in Zukunft lohnen werde.
NEOS mit Kritik an Intransparenz bei Schaffung des Instituts
Weniger positiv gegenüber dem Institut äußerte sich Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W). Er ortete eine intransparente Vorgehensweise bei der Schaffung des Instituts "an Vergaberegeln vorbei zur Erfüllung von Regierungsprojekten". In "Hinterzimmern" sei über Günstlinge und die Höhe von Förderungen entschieden worden, warf Arlamovsky der Regierung vor. Auch die fehlende öffentliche Ausschreibung für das Forschungsteam und den fehlenden Leistungsvertrag kritisierte er. (Fortsetzung Bundesrat) kar
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