Revolutionäre Dreifach-Therapie bei Mukoviszidose

An jedem 15. Tag wird in Österreich ein Mensch mit Mukoviszidose geboren. Auch wenn diese vererbte Stoffwechselerkrankung nach wie vor tödlich verläuft, steht bei der häufigsten Genmutation mit der Dreifach-Therapie mittlerweile die erste hocheffektive, kausale Behandlung für Menschen ab 6 Jahren zur Verfügung. Die dadurch verbesserte Lungenfunktion schlägt sich 1:1 in der Verbesserung der Lebensqualität und Lebensdauer nieder. Darüber und über die Entwicklung genunabhängiger Behandlungsmethoden geht es vom 7. bis 10. Juni beim europäischen Mukoviszidosekongress (ECFS) im Austria Center Vienna.

„Seit kurzem haben wir mit der Dreifach-Therapie die erste kausal wirkende und gleichzeitig hocheffektive Behandlung von Mukoviszidose zur Verfügung. Das ist eine neuartige, revolutionäre Behandlung, die für 80 bis 90 % der Patienten die Lebensqualität und die Lebensdauer massiv erhöht. Wir lassen aber niemanden zurück. Daher ist meine Vision für die Zukunft, eine Therapie zu entwickeln, die nach wenigen Anwendungen die Genveränderung rückgängig machen kann und damit zu einer langfristigen Heilung dieser Menschen führen kann, egal, welche genetische Form vorliegt“, so Dr. Silke van Koningsbruggen-Rietschel, Leiterin des CF Clinical Research Center des Mukoviszidosezentrums der Universität zu Köln, Direktorin a.d. des European Cystic Fibrosis Society – Clinical Trial Network (ECFS-CTN), Vorstandsmitglied der Fachgesellschaft und Mitglied des Pogrammkomitees des diesjährigen europäischen Mukoviszidosekongresses. 

In jeder Schulklasse sitzt ein Genträger 
Mukoviszidose ist eine vererbte Stoffwechselerkrankung, die als Multisystemerkrankung nach wie vor tödlich verläuft. An jedem 15. Tag wird in Österreich ein Kind mit Mukoviszidose bzw. zystischer Fibrose (CF) geboren und jeder 20. Mensch im Land ist Träger des defekten Gens. „Wenn man sich das bildlich vorstellt, so sitzt rein statistisch gesehen in jeder Schulklasse mindestens ein Kind, das Träger des defekten Gens ist“, betont van Koningsbruggen-Rietschel. Die Krankheit bricht aus, wenn ein Kind von seinen Eltern zwei defekte Gene vererbt bekommt. Insgesamt leben in Österreich derzeit 800 Menschen mit Mukoviszidose. Das macht CF zur häufigsten seltenen Erkrankung im Land. 98% der Patienten sterben an der CF-Lungenerkrankung.

Die Dreifach-Therapie – revolutionäre Behandlung für bis zu 90% der Erkrankten
Konnten bisher nur die einzelnen Symptome der Erkrankung behandelt werden, gelang 2020 mit der Erstzulassung der Dreifach-Therapie ein wahrer Meilenstein in der Behandlung. Erstmalig wird nun CF-Patienten mit der häufigsten Mutation „F508del“ eine hocheffektive, kausale Therapie geboten. „Wir packen dabei das Problem an der Wurzel an, nämlich an der durch die Mutation bedingten Fehlfunktion von Chloridkanälen in bestimmten Körperzellen“, erklärt die Fachärztin. Normalerweise sind die betroffenen Zellen nicht in der Lage, genügend Chlorid nach außen zu transportieren, deshalb kann dann kein Wasser mittels Osmose folgen. Dadurch ist der Wassergehalt im Bronchialsekret, aber auch in anderen Organen wie der Bauchspeicheldrüse und Leber zu niedrig, die Organe „verstopfen“ und bauen sich um; dadurch können sie ihre Funktion immer schlechter wahrnehmen. „Bei der Dreifach-Behandlung bekommen die Patienten nun zwei „Korrektoren“ verabreicht, die dafür sorgen, dass in den Zellen deutlich mehr Chloridkanäle gebildet werden können“, so van Koningsbruggen-Rietschel zum ersten Schritt der Behandlung. „Ist das geschafft, kommt der „Potentiator“ zum Einsatz. Das ist ein Wirkstoff, der nun die Öffnungswahrscheinlichkeit dieser Chloridkanäle erhöht. Durch diese Medikamente, man nennt sie auch CFTR-Modulatoren, kann nun endlich mehr Chlorid transportiert werden und der Schleim in den Bronchien wird deutlich wasserreicher. Mit dieser lebenslangen Therapie schaffen wir eine Verbesserung der Lungenfunktion um durchschnittlich 10 bis 15%“, betont van Koningsbruggen-Rietschel. Diese Verbesserung der Lungenfunktion spiegelt sich 1:1 in der Lebensqualität und letztendlich in der Lebensdauer nieder.  

Frühmöglichster Behandlungsstart: Neugeborenen-Screening
Damit die Lebensqualität und Lebenserwartung der betroffenen Mukoviszidose-Patienten möglichst hoch ist, bedarf es einer frühen Diagnose und Behandlung. „Denn alles, was sich bis zum Therapiestart irreversibel verändert hat – wie beispielsweise Schäden an der Bauchspeicheldrüse– kann durch die Dreifach-Therapie nicht mehr rückgängig gemacht werden“, betont van Koningsbruggen-Rietschel. In Österreich gibt es daher bereits seit 1997 im Rahmen des Mutter-Kind-Passes ein flächendeckendes Neugeborenen-Screening, das bereits 72 h nach der Geburt das Fersenblut auf Stoffwechselerkrankungen, wie auch Mukoviszidose, analysiert. Kommt es hier zu einem Verdacht, folgt der Schweißtest, der Klarheit gibt. „Wichtig ist hier, dass die Kinder so schnell wie möglich eine Therapie erhalten, denn die Kinder, die heute mit Mukoviszidose geboren werden und zeitnah eine entsprechende Therapie erhalten, können schon mit einer mittleren Lebenserwartung von über 57 Jahren – Tendenz steigend – rechnen“, betont van Koningsbruggen-Rietschel. Ihr ältester Patient ist derzeit 71 Jahre alt. „Mir ist es daher extrem wichtig zu betonen, dass man auch mit Mukoviszidose heute schon alt werden kann“, so die Expertin. „Dafür verantwortlich ist die ganzheitliche und sehr aufwendige Betreuung in hochspezialisierten CF-Zentren, die von interdisziplinären Teams durchgeführt wird. Die symptomatische Therapie wird gleich nach Diagnosestellung im Säuglingsalter begonnen.“ Noch ist die kausale Dreifach-Therapie erst ab 6 Jahren zugelassen, die Zulassung für die Kleinkinder ist aber schon in Vorbereitung. „Das Ziel ist es, zukünftig ab dem Säuglingsalter mit der Dreifachtherapie beginnen zu können. Das wäre ein weiterer Riesenschritt!“

Mukoviszidose ist nicht gleich Mukoviszidose
Derzeit kennt man 2.114 Genmutationen bei Mukoviszidose. Nur bei der häufigsten Mutation „F508del“ der Klasse 2 ist die Dreifach-Therapie in Europa zugelassen. Einen weiteren mutationsspezifischen Therapieansatz mit CFTR-Modulatoren gibt es auch für Mutationen der Klasse 3 und 4. Aber leider steht diese Therapie nicht allen Menschen mit CF zur Verfügung. Deshalb wird daher an mutationsunabhängigen Therapieansätzen wie der Gentherapie geforscht. Hier versucht man, das kranke CF-Gen zu korrigieren, sodass dann normal funktionierende Chloridkanäle gebildet werden und die Ursache der Mukoviszidose damit beseitigt wird.   

Über den ECFS und die IAKW-AG
Die IAKW-AG (Internationales Amtssitz- und Konferenzzentrum Wien, Aktiengesellschaft) ist verantwortlich für die Erhaltung des Vienna International Centre (VIC) und den Betrieb des Austria Center Vienna. Das Austria Center Vienna ist mit 19 Sälen, 180 Meetingräumen sowie rund 26.000 m² Ausstellungsfläche Österreichs größtes Kongresszentrum und gehört zu den Top-Playern im internationalen Kongresswesen. Der ECFS-Kongress ist der größte internationale Mukoviszidose-Kongress in Europa, der alle Berufsgruppen vereint: das ärztliche und wissenschaftliche Fachpersonal, physiotherapeutische, psychologische, psychosoziale Fachkräfte, Pflegeteammitglieder und Patientenorganisationen und so einen maximalen Wissensaustausch aller Beteiligten ermöglicht.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Austria Center Vienna

ÄrzteForschungGesundheitMedizinWissenschaft
Comments (0)
Add Comment