Ein Tag im Sinne der Evidenz osteopathischer Behandlungen

Bereits zum dritten Mal fand am 23. Mai 2023 die ganztägige Fachtagung für Osteopathie der Österreichischen Gesellschaft für Osteopathie (OEGO) zeitgleich mit den 8. PRAEVENIRE Gesundheitstagen in Seitenstetten statt. Margit Halbfurter, MSc D.O., Präsidentin der OEGO, begrüßte die Teilnehmer:innen und hieß die Vertreter:innen der beiden Schulen Priska Wikus, MSc. (Ost.), Vizerektorin und Dozentin an der International Academy of Osteopathy (IAO), und Raimund Engel, MSc D.O., Direktor und Mitbegründer der Wiener Schule für Osteopathie, herzlich willkommen. Anschließend gab die OEGO-Präsidentin in ihren einleitenden Worten einen kurzen Überblick über die Meilensteine, welche die OEGO dieses Jahr erreicht hat und wofür sie sich weiter engagieren wird, z.B. die gesetzliche Anerkennung als Gesundheitsberuf. „Zusätzlich befasst sich die Interessensvertretung mit der Qualitätssicherung der Aus- und Weiterbildung sowie dem niederschwelligen Zugang zu osteopathischen Behandlungen auf Kassenleistung“, so Halbfurter.

Von Männergesundheit bis zu Knochen

Namhafte nationale und internationale Expert:innen der Osteopathie gaben einen Einblick in ihre Arbeit.

Michael Biberschick, MMSc D.O. DPO PGD WHC erörterte in seinem Vortrag „Die Gesundheit des Mannes aus osteopathischer Sicht“ den osteopathischen Zugang zu Beschwerden des Mannes im urogenitalen/andrologischen Bereich. „Es gibt sehr viele Männer, die von derartigen Beschwerden betroffen sind und oftmals stillschweigend an diesen leiden. Es ist noch viel zu wenig – teilweise auch unter Ärzt:innen – bekannt, dass Osteopathie in vielen dieser Fälle eine sinnvolle Unterstützung sein kann“, betonte Biberschick. Des Weiteren gab er einen intensiven Einblick in das Thema männliche Infertilität: „Schätzungen zufolge sind bis zu 15 Prozent aller Paare mit bestehendem Kinderwunsch von Infertilität betroffen – das sind in etwa 72,4 Mio. Paare weltweit. Bei 40 bis 50 Prozent der unfreiwillig kinderlosen Paare wird ein mit männlicher Infertilität assoziierter Faktor und ein auffälliges Spermiogramm gefunden“, erklärte der Experte. Auch hier könne Osteopathie unterstützen.

Die Vortragenden Thomas Hirth, D.O. und Jérome Wyvekens, D.O. vermittelten morphologische und funktionelle Grundlagen der qualitativen viszeralen Osteopathie. Jo Buekens, MSc D.O. widmete sich in seinem Vortrag „Das Potential des Knochens oder das bewahrte Geheimnis“ der zentralen Rolle der Diaphyse in der Pathogenese. Über die aktuelle Evidenzlage in der osteopathischen Betreuung von Babys und Kleinkindern gab Claudia Knox, DO, MSc Paeds Ost, BSc Ost, PGC ACE, PGD WHO einen Überblick. Erstmalig wurde in diesem Jahr die Fachtagung durch Live-Workshops vor Ort zu einer hochwertigen Fortbildung erweitert. Dabei wurden die Inhalte der Vorträge praktisch umgesetzt und vertieft.

Podiumsdiskussion: Osteopathie ist evidenzbasiert

Einen zentralen Part der Jahrestagung nahm die Podiumsdiskussion ein, in der Vertreter der Ärzteschaft die Frage „Was leistet die Osteopathie in den evidenzgeprüften Krankheitsbildern für die Menschen?“ diskutierten. Basis der Diskussion waren die Überblicksstudie mit dem Titel „Wirksamkeit und Sicherheit osteopathischer Behandlungen“, durchgeführt vom Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Med Uni Graz und der Projektbericht der HTA Austria – Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH mit dem Titel „Osteopathie: Wirksamkeit und Sicherheit bei Schmerzen des Bewegungs- und Stützapparates und Überblick über Ausbildungs- und Qualitätsanforderungen“.

Erstere zeigt, dass die Osteopathie bei erwachsenen Personen mit chronischem, nicht-onkologischem Schmerz, chronischem unspezifischem Kreuzschmerz, Kreuzschmerz während der Schwangerschaft, bei akutem Nackenschmerz sowie bei frühgeborenen Säuglingen wirksam ist. Zusätzlich besteht eine mögliche Wirksamkeit bei erwachsenen Personen mit postpartalem Kreuzschmerz, chronischem Nackenschmerz, Migräne, dem Reizdarmsyndrom und bei Kindern mit Otitis Media.

Zweiterer listet Belege zur Wirksamkeit und Sicherheit von Osteopathie bei der Behandlung von Schmerzen des Bewegungs- und Stützapparates auf. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Osteopathie Nacken- und Kreuzschmerzen kurz- und mittelfristig verbessern kann. Zusätzlich besteht eine mögliche Wirksamkeit bei Schulter- und Fußschmerzen. In zwei von drei Studien konnten Verbesserungen nach nur einer osteopathischen Behandlung beobachtet werden. Der HTA-Projektbericht belegte darüber hinaus, dass die Osteopathie aufgrund kaum nachgewiesener Nebenwirkungen als eine sichere Behandlungsform angesehen werden kann und durch osteopathische Leistungen keine statistisch oder klinisch signifikanten Verschlechterungen auftreten.

In seiner Keynote zur Podiumsdiskussion betonte Dr. Andreas Stippler, MSc, Bundesfachgruppen-Obmann der Fachärzte für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, die Relevanz der Osteopath:innen und die Wichtigkeit der Zusammenarbeit: „Wir als Fachärzt:innen für Orthopädie sind es gewohnt, im Team zu arbeiten. Aufgrunddessen ist eine Zusammenarbeit mit Osteopath:innen wünschenswert. Diese ist auch im Sinne einer partnerschaftlichen Betreuung für die Patient:innen von Bedeutung.“

Dr. Erwin Rebhandl, Arzt für Allgemeinmedizin und Präsident von AM PLUS, berichtete: „Die Ergebnisse der beiden Studien belegen meine Erfahrung aus der Praxis. Die Osteopathie bietet für funktionelle und strukturelle Störungen eine eigene Diagnostik sowie gute und schonende Behandlungsoptionen an. Aufgrunddessen ist die Anerkennung der Osteopathie als eigenständiger Fachbereich mit definierter Ausbildung und klar umschriebener Tätigkeit wünschenswert.“ Zusätzlich bringe eine Kooperation von Hausärzt:innen mit gut ausgebildeten Osteopath:innen für die Patient:innen zahlreiche Vorteile.

Auch Dr. Wilhelm Marhold, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, hat gute Erfahrungen mit der Osteopathie gemacht. „Ich möchte mich bei Ihnen für Ihre Tätigkeit bedanken. Gerade bei Endometriose oder bei unklaren Schmerzzuständen im kleinen Becken habe ich in der Praxis gute Erfolge mit osteopathischen Behandlungen als Unterstützung zur Gynäkologie gemacht.“ Zusätzlich betonte der Facharzt die Wichtigkeit des Kontaktes und der guten Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen zum Wohle der Patient:innen.

Prim. MedR. Ass.Prof. DDr. Peter Voitl, MBA, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, konnte leider nicht vor Ort sein, brachte sich jedoch trotzdem mit einem Statement ein: „Die lege artis ausgeübte Kunst der osteopathischen Behandlung kann eine sinnvolle Ergänzung bei zahlreichen therapeutischen Prozessen im Kindesalter darstellen. Gerade die besonderen Bedingungen beim Säugling und Kleinkind bieten der Osteopathie gute Möglichkeiten, um verschiedene Entwicklungsschritte eines Kindes zu begleiten.“

Qualitätssiegel der Osteopathie

Im Rahmen der Fachtagung wurde auch das Qualitätssiegel für Osteopathie vorgestellt. Die OEGO hat sich dazu entschlossen, ihre Standards hinsichtlich Ausbildung und Qualität optisch klar zum Ausdruck zu bringen. Die Osteopath:innen, die künftig das OEGO Qualitätslogo führen wollen, müssen über einen Abschluss einer OEGO geprüften Ausbildung verfügen und die osteopathischen Standards der OEGO anerkennen. Mit diesen klaren Qualitätskriterien grenzt sich die OEGO im Sinne der Patientensicherheit von Trittbrettfahrern und oftmals gleichlautenden esoterischen Praktiken ab. OEGO Präsidentin enthüllte feierlich die OEGO Skulptur, die nach Logovorlage von Simon Fischbacher, Schüler der 2AH des Holztechnikums Kuchl, gefertigt wurde.

Am Ende der 3. Österreichischen Fachtagung für Osteopathie bedankte sich Halbfurter bei allen Teilnehmer:innen und Expert:innen und richtete sich mit den Schlussworten an das Publikum: „Wir als OEGO werden weiterhin intensiv an der Umsetzung unserer drei Kernziele – gesetzliche Anerkennung als Gesundheitsberuf, Sicherung höchster Aus- und Weiterbildung und niederschwelliger Zugang zu osteopathischen Behandlungen auf Kassenleistung – arbeiten.“

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