Weltschilddrüsentag 2023

Anlässlich eines Pressegesprächs weisen sie darauf hin, dass alle Routineuntersuchungen und Nachbehandlungen von niedergelassenen Kassenfachärzt:innen für Nuklearmedizin erbracht werden können. Ein künftig entscheidender Schritt, Spitäler zu entlasten sowie den Patientinnen und Patienten lange Wartezeiten zu ersparen.

Die Österreichische Gesellschaft für Nuklearmedizin und molekulare Bildgebung (OGNMB) informierte anlässlich des Weltschilddrüsentages bei einem Pressegespräch mit der Österreichischen Ärztekammer. Es diskutierten für die OGNMB Univ.-Doz. Alexander Becherer, Berufsfachgruppenobmann der OGNMB, Leiter der Abteilung Nuklearmedizin am Landeskrankenhaus Feldkirch und Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Gabriel, Vorstand des Instituts für Nuklearmedizin und Endokrinologie am Kepler Universitätsklinikum Linz und Präsident elect der OGNMB, im Dialog mit Dr. Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte.

Univ.-Doz. Dr. Alexander Becherer, Vorstandsmitglied der OGNMB, wies auf die positiven Effekte von Kassenstellen für Nuklearmedizin in Österreich hin.

»Schwerpunkttage zu Schilddrüsenerkrankungen sind wichtig, weil viele Menschen von Funktionsstörungen oder Knoten dieses Organs betroffen sind. Es handelt sich in der überwiegenden Mehrzahl um medizinisch gut behandelbare Probleme. In Österreich können sehr viele Fälle vom Sonderfach Nuklearmedizin übernommen werden, weil es die gesamten diagnostischen Maßnahmen und einen Großteil der Therapie aus einer Hand als „One-Stop-Shop“ anbietet.

Die zweite Bedeutung von Schilddrüsentagen ist das Sichtbarmachen der Nuklearmedizin und ihrer Nöte: Erstens kommt sie im Studium wenig vor und hat daher einen geringen Bekanntheitsgrad unter den Absolvent:innen der Medizin-Universitäten. Zweitens wurde bei der Schaffung des eigenständigen Sonderfachs Nuklearmedizin (mit Beginn der Ausbildung ab 1994) nicht zugleich für eine Möglichkeit der Ausübung im niedergelassenen Bereich gesorgt. Es wurden keine Tarife mit den Krankenkassen für Leistungen dieses Faches verhandelt und beschlossen. In späteren Jahren lehnten das die Krankenkassen stets ab. Es existieren nur wenige Institute für Nuklearmedizin im Bundesgebiet, die noch dazu in ihrem von den Kassen bezahlten Leistungsangebot durch den Großgeräteplan beschränkt werden, z.B. kein PET/CT. Es haben Fachärzt:innen für Nuklearmedizin bis heute nicht die Möglichkeit, als Wahlärzt:innen tätig zu sein, weil dieses Modell eben an die Existenz eines Kassentarifes gebunden ist. Beide Faktoren haben zur Folge, dass das Fach mehr und mehr mit Nachwuchsproblemen kämpft. Erschwerend ist die anstehende Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation, von der uns die seinerzeitige Knappheit an Ausbildungsmöglichkeiten viele spätere Nuklearmediziner:innen zuspielten.

Dies stellt nicht nur Patient:innen mit Schilddrüsenerkrankungen vor ein ernstes Problem. Für ihre Betreuungstermine gehen die Wartezeiten in den Spitalsambulanzen mittlerweile überall in mehrmonatige Bereiche – unangenehm bei nicht schwerwiegenden Erkrankungen und potenziell bedrohlich bei ernsten Erkrankungen. Ein Ausweichen auf den niedergelassenen Bereich ist mangels Angebotes nur beschränkt und dann fast ausnahmslos nur auf eigene Kosten möglich. Aber auch Menschen mit anderen Erkrankungen sind davon betroffen. Die diagnostischen Leistungen des Faches wie z.B. das PET/CT werden in zunehmender Frequenz und ständig dringend von anderen Fächern angefragt, weil die Befunde so wie die von CT und MRT therapieentscheidend sein können. Gleichzeitig wurden sie in den letzten 25 Jahren komplexer und viel zeitaufwändiger. Nun kommt eine neue von der EMEA zugelassene nuklearmedizinische Therapie gegen metastasierenden Krebs der Prostata hinzu. So sehr wir uns über den Forstschritt in unserem Fach freuen, so wenig sehen wir uns heraus, wie wir in der Zukunft mit immer weniger Ärzt:innen in unserem Fach den Bedarf an unseren Untersuchungen und Therapien decken werden können.«

Univ.-Prof. Mag. Dr. Michael Gabriel, Vorstand des Instituts für Nuklearmedizin und Endokrinologie am Kepler Universitätsklinikum Linz und Präsident elect der OGNMB sprach über die enormen Möglichkeiten, die die Nuklearmedizin sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie zu kommt.

»Die Anwendung theranostischer Konzepte basiert auf dem Wissen der Nuklearmedizin und der molekularen Bildgebung. Theranostik in der Nuklearmedizin beschreibt das Prinzip, eine Krankheit mit einem diagnostischen Radiopharmakon bildgebend darzustellen und Patient*innen mit einem chemisch ähnlichen therapeutischen Radiopharmakon zu therapieren. Sie ist eine treibende Kraft der personalisierten Medizin. Dadurch ist eine individualisierte Behandlung bei speziellen Tumoren möglich. 

Historisch betrachtet waren Erkrankungen der Schilddrüse, die ersten Erkrankungen, welche durch ionisierende Strahlung diagnostiziert und therapiert worden sind, woraus sich dann in weiterer Folge das klinische Fach Nuklearmedizin entwickelt hat.

Vor allem Patient*innen, die am Schilddrüsenkrebs und dem Prostatakrebs erkrankt sind, profitieren immens von der Therapie mit Radionukliden, wie sie in der Theranostik zur Anwendung kommen. Zudem werden Radionuklide auch an neuroendokrinen Tumoren, hormonbildenden Tumoren des Nervensystems eingesetzt. Weitere vielversprechende Therapieansätze für andere Tumorerkrankungen sind in Reichweite. 

Patient*innen profitieren durch gezielte und nebenwirkungsarme Behandlung

Hinter dem kompliziert anmutenden Begriff der Theranostik steckt die Kombination aus Therapie und Diagnostik. Die Krebszellen werden zielgerichtet durch radioaktive Strahlen bekämpft bzw. in anderen Worten ausgedrückt, es wird das krankhafte Gewebe behandelt, welches vorher durch die nuklearmedizinische Bildgebung sichtbar gemacht worden ist. Dies unterscheidet die sogenannte Radionuklidtherapie, die von einer „klassischen“ Strahlentherapie, bei der die Strahlung erst von außen das gesunde Gewebe durchdringen muss, um die Tumorzellen zu erreichen. 

Theranostik beim Schilddrüsenkarzinom 

Schilddrüsenerkrankungen werden seit vielen Jahrzehnten nuklearmedizinisch nach dem Prinzip der Theranostik behandelt. Beim hoch-differenzierten Schilddrüsenkarzinom ist die Radiojodtherapie die klassische Therapie der ersten Wahl. Nach einer Operation wird mit Hilfe der risikoarmen Radiojodtherapie das verbliebene Schilddrüsengewebe und darin eventuell vorhandene Tumorzellen komplett ausgeschaltet. Bei diesem nuklearmedizinischen Therapieverfahren nehmen die Tumorzellen radioaktives 131Jod auf. Die kurz reichende Strahlung dieses radioaktiven Stoffes wird dabei genutzt, um das Restgewebe der Tumore wirkungsvoll abzutöten. Im Vergleich zu anderen Methoden der Krebsbehandlung sind die Nebenwirkungen hier deutlich geringer und hat zur exzellenten Prognose dieser Tumorerkrankung beigetragen. 

Theranostische Methoden beim Prostatakrebs 

Das Prostatakarzinom ist der zweithäufigste Tumor des Mannes. Besonders hervorzuheben ist die sogenannte PSMA-gerichtete Radionuklidtherapie gegen Prostatakrebs. PSMA steht für Prostata-spezifisches Membran-Antigen; das ist ein Eiweiß, das fast ausschließlich auf der Oberfläche von Prostatakrebszellen vorkommt. Mit diesem Verfahren können große Erfolge bei der Therapie von Prostatakrebs erzielt werden: Wird der Wirkstoff PSMA mit einem stark strahlenden therapeutischen Radionuklid markiert, können die Krebszellen gezielt vernichtet werden. Das übrige Gewebe wird nicht angegriffen. Rezente Studien belegen die Wirksamkeit dieses nuklearmedizinischen Therapieansatzes und lassen erahnen, wie wichtig die breite Verfügbarkeit dieser gut verträglichen Behandlung zukünftig sein wird. 

Darüber hinaus findet schon seit einigen Jahren die Molekulare Bildgebung mittels 68Ga-PSMA PET-CT breite klinische Anwendung im Management von Patienten mit einem nachgewiesenen Prostatakarzinom. Gerade in Bezug auf die individualisierte Therapieplanung spielt die Erfassung des genauen Ausbreitungsstadiums eine entscheidende Rolle.

Neue theranostische Verfahren in der Nuklearmedizin: Was ist zu erwarten?

Die Vielzahl der molekularen Angriffspunkte bei Krebszellen ist sehr groß. Darin liegt auch das künftige Potenzial der theranostischen Methoden. Das macht das Fachgebiet der Nuklearmedizin so innovativ und spannend. In Zukunft dürfen wir auf zusätzliche nuklearmedizinische Therapien gegen Tumorerkrankungen hoffen.«

Zum Interview mit Univ.-Doz. Dr. Alexander Becherer gelangen Sie hier.

HINTERGRUNDINFORMATION:

Schilddrüsenerkrankungen sind weit verbreitet. In Österreich hat jeder Dritte im Laufe seines Lebens Probleme mit dem den Hormonhaushalt regulierenden Organ. Die Schilddrüse beeinflusst sehr viele Vorgänge im menschlichen Körper, ihre Hauptfunktion ist die Regelung des Energiestoffwechsels. Ist das schmetterlingsförmige Organ aus dem Lot, können vielfältige Symptome auftreten. 

Dennoch wird die Mehrheit der Schilddrüsenerkrankun­gen erst entdeckt, wenn sich Sym­ptome von anderen Folgeerkrankungen zeigen. Wird eine Schilddrüsenerkrankung nicht diagnostiziert, kann dies zu zahlreichen Beschwerden, wie z.B. Herzrhythmusstörungen, Abgeschlagenheit, Schlafstörungen und Gewichtsprobleme führen. Werden die Veränderungen der Schilddrüse jedoch frühzeitig erkannt können Schilddrüsenoperationen und viele Folgeerkrankungen oftmals vermieden werden.

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