Nationalrat: Energieeffizienzgesetz durch mangelnde Zweidrittelmehrheit abgelehnt

Das bereits seit längerem verhandelte Energieeffizienz-Reformgesetz scheiterte heute im Nationalrat in einer namentlichen Abstimmung an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit und wurde abgelehnt. Für die Vorlage hatten sich neben den Koalitionsparteien auch die NEOS ausgesprochen. Die FPÖ sah die Klimaziele einer "Ideologie" entspringen und zeigte sich ebenso ablehnend wie die SPÖ. Letztere pochte allerdings wie schon zuvor darauf, dass die Bundesregierung der Teuerung zu wenig entgegensetze. Dieses "Versagen und Nichtstun" zwinge die SPÖ, im Parlament deutliche Maßnahmen zu setzen, so Alois Schroll (SPÖ). Solange es keine Antiteuerungsmaßnahmen gebe, gebe es keine Zustimmung der SPÖ zum Energieeffizienzgesetz. Energieministerin Leonore Gewessler betonte demgegenüber, dass das Energieeffizienzgesetz erstmals eine Umweltförderung bringe, "die eine soziale Brille aufhat" und wies etwa auf die geplante Unterstützung der energiearmen Haushalte hin.

Zudem forderte die SPÖ die Regierung mit einem Entschließungsantrag auf, ihre "Blockadehaltung im Kampf gegen die Teuerung" aufzugeben. Der Antrag blieb in der Minderheit. Abgelehnt wurde auch eine Forderung der NEOS an die Bundesregierung, bis Mitte Juli das "Erneuerbaren Beschleunigungsgesetz" vorzulegen, das bereits angekündigt worden sei.

Das von Umwelt- und Energieministerin Leonore Gewessler vorgelegte Energieeffizienzgesetz und begleitende Bestimmungen im Energie-Control-Gesetz sollte dazu beitragen, nationale und EU-weite Klimaziele wie die bis 2040 angepeilte Klimaneutralität Österreichs zu erreichen. So war etwa geplant, den Endenergieverbrauch bis zum Jahr 2030 um 650 Petajoule zu reduzieren. Zumindest 250 Petajoule davon sollten durch zusätzliche Fördermittel des Bundes von 190 Mio. € pro Jahr für Haushalte und Unternehmen erreicht werden. Für das restliche Einsparungsvolumen von 400 Petajoule sollten zu 80 % der Bund und zu 20 % die Länder verantwortlich sein, sofern es zu keiner konkreten Bund-Länder-Vereinbarung gekommen wäre. An Maßnahmen, insbesondere zur Erhöhung der Energieeffizienz, war etwa an fiskalpolitische Schritte, die Aufwertung von Beratungsstellen, Förderanreize und ordnungspolitische Eingriffe gedacht. So war vorgesehen, dass etwa in zentral beheizten Gebäuden mit mehreren Wohnungen individuelle Verbrauchszähler eingebaut werden. Zudem hätte der Bund – neben bereits erfolgten Schritten – eine Sanierungsquote von jährlich 3 % für Bundesgebäude angestrebt.

Gewessler: Energieeffizienzgesetz als Plan, der Wertschöpfung und Beschäftigung bringt

Mit dem Energieeffizienzgesetz soll ein ambitioniertes, aber auch umsetzbares Ziel für Energieeinsparungen gesetzt werden, betonte Energieministerin Leonore Gewessler. Die Maßnahmen würden Bund und Länder betreffen, daher sei ein "Schultern" dieser gemeinsamen Aufgabe nur mit Zweidrittelmehrheit möglich. Unterlegt würden die Energieeinsparziele mit einem konkretem Budget für Energieeffizienzmaßnahmen, etwa hinsichtlich der Renovierung von Gebäuden. Geschaffen werde damit auch Wertschöpfung und Beschäftigung, von Elektriker:innen bis hin zu Mitarbeiter:innen in Baumärkten. Besonders auf die Unterstützung der energiearmen Haushalte werde im Gesetz Wert gelegt, so Gewessler. Damit hätte man erstmals in Österreich eine Umweltförderung, die "eine soziale Brille aufhat". Eine einzurichtende Koordinierungsstelle Energiearmut solle dabei ganz konkrete Hilfestellungen geben.

Gegen die Teuerung seien bereits eine Vielzahl an Maßnahmen gesetzt worden, entgegnete die Ministerin der Kritik der SPÖ. Zudem verwies sie auf einen starken Zuwachs beim Photovoltaikausbau und bedankte sich für die Energieeinsparungen der letzten Zeit, die in Österreich beim Gas über dem EU-Durchschnitt gelegen seien. Das Energiesparen bleibe wichtig, das Energieeffizienzgesetz stelle genau den Rahmen für Vorhersehbarkeit dar. Gewessler appellierte vor der Abstimmung an alle Abgeordneten, sich nicht von "Parteitaktik und einzementierten Positionen" leiten zu lassen, sondern Verantwortung zu übernehmen, Schaden abzuwenden und das Klima zu schützen.

Tauziehen um Energieeffizienzgesetz

Das Thema Teuerung sei nie an der Wurzel gepackt worden, kritisierte Alois Schroll (SPÖ) und betonte, dass die zahlreichen Vorschläge der SPÖ gegen die "explodierenden" Kosten allesamt vertagt worden seien. Man stehe zu 100 Prozent hinter der Energiewende, aber bei "dieser Tatenlosigkeit" der Bundesregierung in der Teuerung werde es keine Zustimmung zum Energieeffizienzgesetz geben. Die Menschen würden jetzt eine Unterstützung brauchen, bekräftigte auch Petra Oberrauner (SPÖ). In den Verhandlungen mit der SPÖ sei eine geforderte Händler- und Lieferantenverpflichtung nicht in das Gesetz aufgenommen worden, bemängelte sie. Außerdem habe die Regierung zweieinhalb Jahre versucht, dieses Gesetz zu erstellen – jetzt plötzlich habe man es eilig, weil Strafzahlungen drohen würden. Man lehne nicht das Paket ab, sondern die Art und Weise, wie Vorschläge gemacht würden, so Oberrauner.

Dass die SPÖ ein solch soziales Paket ablehne, das unter anderem 105 Mio. € an zusätzlicher Förderung für Energiearmut enthalte, ist aus Sicht von Tanja Graf (ÖVP) absolut unverständlich. Man habe in den Verhandlungen ein sehr gutes Paket präsentiert, das die SPÖ abgelehnt habe. Zur Zeit, die seit Auslaufen des letzten Energieeffizienzgesetzes verstrichen sei, meinte sie, dass hier auch andere Herausforderungen wie durch die Pandemie oder durch den Krieg in der Ukraine zu bewältigen gewesen seien. Christoph Stark (ÖVP) meinte dazu, er hätte sich von der SPÖ sehr wohl Zustimmung erwartet. Er warf den Sozialdemorat:innen vor, hinsichtlich Teuerung Dinge zu junktimieren, die nichts miteinander zu tun haben und damit Österreich zu schaden. 

Lukas Hammer (Grüne) strich die Bedeutung des Energieeffizienzgesetzes für den Klimaschutz, für die "Befreiung aus der Abhängigkeit" von teuren Importen und die Umstellung auf heimische Energie sowie zur Unterstützung von Menschen und Betrieben hervor. Er warnte vor Strafzahlungen an die EU, die drohen würden, wenn das Gesetz nicht beschlossen wird. Die SPÖ habe aus seiner Sicht "den letzten Rest" an Glaubwürdigkeit in Sachen Klimaschutz "endgültig" verloren, wenn sie nicht zustimme.

Axel Kassegger (FPÖ) meinte, er habe grundsätzlich einen kritischen Zugang, was eine Kompetenzabwanderung "Richtung Brüssel" betreffe, auch im Energiebereich. Es handle sich beim Energieeffizienzgesetz um europäisches Recht, deren Ziele die EU verordnet habe, ortete er die europäische Energiepolitik "auf dem Holzweg". Darüber hinaus lege man sich im Gesetz inhaltlich auf "aus einer Ideologie entspringende Klimaziele" fest, die vollkommen überschießend seien. Es gelte, das Dreieck aus Umstieg, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit sowie Leistbarkeit zu Ende zu denken, so Kassegger. Walter Rauch (FPÖ) betonte, entscheidend sein müsse, alle mit Energie zu versorgen, die auch leistbar ist.

Karin Doppelbauer (NEOS) appellierte an SPÖ und FPÖ, das "Parteihickhack" zu lassen und zu Lösungen zu kommen. Auch die NEOS hätten sich gewünscht, dass man weitergeht und in das Energieeffizienzgesetz stärkere Ziele hineinbringt. Als "konstruktive Mitte" würden die NEOS aber zustimmen, weil es wichtig sei, dass hier endlich etwas passiere.

Die letzte Regierungsvorlage und die bisher einzige in dieser Gesetzgebungsperiode, die an der Zweidrittelmehrheit gescheitert ist, war das Kontenregister- und Konteneinschaugesetz im Jahr 2020. Es wurde dann neuerlich als Initiativantrag eingebracht und im Jänner 2021 unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags mit SPÖ-Zustimmung beschlossen. (Fortsetzung Nationalrat) mbu

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