Bundesrat diskutiert Auswirkungen des russischen Angriffskriegs

In der heutigen Aktuellen Stunde im Bundesrat mit dem Titel "Geopolitische Zeitenwende: Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, auf die Außenpolitik Österreichs und Europas" betonte der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten, Alexander Schallenberg, die Bedeutung diplomatischer Beziehungen für das internationale "Standing" der EU. Andersdenkenden Staaten sollte man geschlossen auf Augenhöhe begegnen und dabei auch nicht auf andere Krisenherde vergessen, meinte er gegenüber den Bundesrät:innen, die ihre jeweiligen Standpunkte zur Rolle der österreichischen und europäischen Außenpolitik darlegten.

ÖVP warnt davor, Konflikt isoliert zu betrachten

Die geopolitische Zeitenwende durch den russischen Angriffskrieg und die brüchig gewordene internationale Ordnung habe auch Auswirkungen auf Österreich und Europa, begann Bundesrätin Christine Schwarz-Fuchs (ÖVP/V) die Debatte über eine der ihr zufolge "dringendsten Fragen unserer Zeit". Österreich und die Europäische Union müssten sich nun darauf konzentrieren, die diplomatischen Bemühungen zu verstärken, um eine Lösung für den Konflikt zu erreichen, meinte sie. Die humanitäre Krise dürfe man ebenso wenig ignorieren wie die Kriegsverbrechen und die globale Ernährungssicherheit. Immerhin seien viele afrikanische Staaten vom ukrainischen Getreideexport abhängig und auch die politische Stabilität in Europa davon belastet. Angesichts ähnlicher Entwicklung im Nahen Osten, am Westbalkan oder China/Taiwan könne der Konflikt nicht isoliert betrachtet werden, appellierte Schwarz-Fuchs an die Besinnung auf gemeinsame Werte und Prinzipien für Frieden, Stabilität und Wohlstand. Auch Bundesrat Christian Buchmann (ÖVP/St) sprach sich für ein klares Bekenntnis zu einem solchen Wertekanon aus und betonte, dass dieser nicht im Widerspruch mit der militärischen Neutralität stehe. Es sei gut, dass Österreich klare Kante zeige, sagte er in Anbetracht der geopolitischen Situation Europas.

SPÖ sieht Rolle Österreichs als Friedensvermittler

"Epochale Bedeutung" schrieb Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ/W) dem Begriff der Zeitenwende zu. Das, was man sich nicht mehr vorstellen konnte – nämlich dass ein Land brutal überfallen wird – sei mit Russlands Angriffskrieg eingetreten. Nun gelte es zu hoffen, dass es wieder ein "Danach" zu dem Regime geben wird und Russland wieder in die Gemeinschaft der europäischen Staaten aufgenommen werden kann. Gegenwärtig sei es geprägt von Nationalismus, Imperialismus und befinde sich am Ende der Menschenrechte, meinte Schennach. Es sei daher wichtig, dass die europäische Gemeinschaft alles daran setze, die Kriegsverbrechen zu ahnden. Außerdem sieht er den Bedarf einer Friedensinitiative seitens Österreich im Sinne des Neutralitätsgedankens. Er bedauere, dass Österreich für die Verteidigung und Werbung der Neutralität so leise geworden sei. Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ/W) meinte ebenso, als neutrales Land sollte sich Österreich für offene Gesprächskanäle und einen Eskalationsstopp einsetzen und Wien als Ort des Dialogs und für Friedensgespräche anbieten.

FPÖ meint, EU "torpediere" Friedensbemühungen

Ein anderes Neutralitätsverständnis vertrat Bundesrat Johannes Hübner (FPÖ/W). Neutralität bedeute ihm zufolge, im Fall eines bewaffneten Konflikts zur Gleichbehandlung der Konfliktparteien verpflichtet zu sein. In Österreich würde Neutralität nicht so gelebt werden, kritisierte er die Haltung der Bundesregierung als verfassungswidrig. Die Zuschreibung einer einzigartigen Zeitenwende fand er unangebracht. Seiner Meinung nach würden Kriege stets mit einem Angriff bzw. Aggression beginnen. Hübner meinte außerdem, die Hilfszahlungen für die Ukraine von USA und EU würden die Friedensbemühungen "torpedieren" und die Zensur prorussischer Medien der Rechtsstaatlichkeit widersprechen. Dies sei keine Politik, die Österreich unterstützen sollte, sagte er in Richtung Regierungsbank. Bundesrat Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) kritisierte in diesem Zusammenhang die Haltung des Außenministers als "bedingungslose EU-Hörigkeit".

Grüne und NEOS gegen nationalstaatliches Süppchen-Kochen

Von einer Zeitenwende zu sprechen, fand Bundesrat Adi Gross (Grüne/V) "leider zutreffend formuliert". Wir würden gerade das Auseinanderbrechen der bisherigen Ordnung und das Ende der Friedensperiode in Europa erleben. So schnell werde es auch kein Zurück geben, weshalb sich Europa neu ausrichten und die künftige Ordnung aktiv mitgestalten müsse, meinte er. Die europäische Außenpolitik sollte auf neue Beine gestellt werden. Das wäre seiner Meinung nach die Voraussetzung für ein starkes Europa, um die anstehenden Aufgaben bewältigen zu können. Derzeit würden die Nationalstaaten ihr eigenes Süppchen kochen. Nach außen stark sein könne die EU aber nur, wenn sie auch innerhalb einig wäre, so Gross.

Bundesrat Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) meinte, Europa habe seine Lektion aus der Annexion der Krim noch nicht gelernt. China wolle ebenso die Weltordnung zu seinen Gunsten verändern wie Russland, warnte er. Es seien drei Lehren aus der Zeitenwende zu ziehen. Erstens (in Bezug auf Gasimporte): Kurzfristiges Profitdenken koste mittelfristig ein Vermögen. Zweitens: Selbst ein großer neutraler Staat (wie die Ukraine) sei ohne Allianzen hilflos. Drittens: Europa könne seine Stärken nicht ausspielen, wenn Nationalstaaten ihre jeweils eignen Süppchen kochen, zeigt sich der NEOS-Bundesrat überzeugt.

Schallenberg: Krieg in Europa, aber kein europäischer Krieg

Das Thema der heutigen Aktuellen Stunde sei in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen, meinte Außenminister Alexander Schallenberg zum russischen Angriffskrieg, der keine Pause kenne. Russland halte den Druck und die Brutalität gegen die Ukraine weiterhin aufrecht. Deshalb sei es wichtig, hinter der Ukraine zu stehen, in der Notwehr und im Kampf für die Souveränität. Österreich positioniere sich klar und nicht gesinnungsneutral, weil es auch um die eigene Sicherheit gehe, sagte Schallenberg. Auf die Geschlossenheit westlicher Demokratien könne man laut dem Außenminister stolz sein, sie sei nicht selbstverständlich. Die Einigkeit sollte seiner Meinung nach mit Augenmaß weitergeführt werden, weil sie Auswirkungen auf das internationale "Standing" der EU habe. Immerhin werde der eurozentristische Blick nicht überall auf der Welt geteilt, weshalb es wichtig wäre, diesen Staaten auf Augenhöhe zu begegnen und die europäische Haltung zu erklären. Wichtig war Schallenberg dabei zu betonen, dass es sich um einen Krieg in Europa, aber keinen europäischen Krieg handle. Friede werde immer nur am Verhandlungstisch gefunden, nie am Schlachtfeld, sagte Schallenberg, räumte aber zugleich ein, dass es dafür zwischen Russland und der Ukraine realistischerweise noch keinen Raum gebe. Auf andere Krisenherde sollte nicht vergessen werden, sagte er mit Verweis auf die humanitäre Tragödie im Sudan. Für die Wachstumsregion Indopazifik gelte es, Partnerschaften zu schmieden und am Westbalkan geostrategisch zu agieren. Es handle sich um eine volatile Region, die in die europäische Familie gehöre. (Fortsetzung Bundesrat) fan

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