Jedes Jahr am 5. Mai findet der internationale Hebammentag statt. „Wissenschaft und Praxis näher zusammenbringen“ lautet das diesjährige Motto.
Für den Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die tägliche Praxis der Geburtshilfe gibt es seit 2021 die erste S3-Leitlinie im deutschsprachigen Raum zur vaginalen Geburt am Termin (1). Die medizinischen Fachgesellschaften der Hebammen und der Ärzt:innen haben die Leitlinie gemeinsam entwickelt und als Ergebnis eines langen Konsensprozesses veröffentlicht. Die Leitlinie liefert Hebammen und Ärzt:innen geballtes Wissen und eine gute Orientierung für Entscheidungen und Handlungen in der Geburtshilfe.
„Eine ganz zentrale Empfehlung der Leitlinie, nämlich die Eins-zu-eins-Betreuung durch die Hebamme ab der aktiven Eröffnungsphase der Geburt, ist in Österreich leider in vielen Kliniken nicht der Standard, auf den sich die Gebärende verlassen kann.
Das ist schlecht für die Frau, wenn sie im Kreißzimmer allein gelassen wird, und schlecht für die Hebammen, wenn sie die Frau nicht ohne Unterbrechung betreuen kann“, sagt Gerlinde Feichtlbauer, Präsidentin des Österreichischen Hebammengremiums, und sie ergänzt: „In Deutschland hat sich die aktuelle Regierung die Eins-zu-eins-Betreuung durch Hebammen als Personalschlüssel in wesentlichen Phasen der Geburt vorgenommen. Wir Hebammen fordern, dass auch die Entscheidungsträger in Österreich das rasch umsetzen.“
ÖHG fordert: Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt umsetzen!
Das Österreichische Hebammengremium fordert die verlässliche Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt. Feichtlbauer: „Wir fordern nicht mehr und nicht weniger als verlässliche Rahmenbedingungen für die leitliniengerechte Versorgung der Frau und des Kindes während der Geburt. Sobald eine Gebärende in die aktive Eröffnungsphase der Geburt kommt, soll sie von einer Hebamme betreut werden, die sich ausschließlich um diese eine Geburt kümmert.
Das geht auch in der Klinik, es braucht nur die entsprechenden Stellenpläne. Eins-zu-eins-Betreuung bedeutet nämlich nicht, dass eine Hebamme eine Geburt durchgehend betreut. Dienstwechsel und Übergabe an eine Kollegin sind mit der Eins-zu-eins-Betreuung vereinbar.“
Eins-zu-eins-Betreuung bedeutet: Eine Hebamme ist für eine Gebärende da und zwar ab der aktiven Eröffnungsphase und in der aktiven Austrittsphase. Die Frau hat zu diesem Zeitpunkt bereits regelmäßige, intensive Wehen. Die Geburt kann jetzt rasch verlaufen, aber auch noch bis zu 12 Stunden dauern. Die Hebamme betreut die Frau bei der Atmung während der Wehen, bei der Erleichterung der Schmerzen und sie hilft der Frau, Positionen zu finden, die den Wehenschmerz erleichtern und das Kind optimal in den Geburtskanal leiten. Sie kontrolliert laufend, dass es der Gebärenden und dem Kind gut geht und dass die Geburt komplikationsfrei verläuft. Die Eins-zu-eins-Betreuung durch die Hebamme während der Geburt geht erwiesenermaßen mit weniger Komplikationen und Interventionen einher und führt zu einer größeren Zufriedenheit der Frauen.
ÖHG fordert: 400 Hebammen mehr in den Kreißzimmern anstellen –
für eine verlässliche Eins-zu-eins-Betreuung
Damit eine verlässliche Eins-zu-eins-Betreuung in den Kreißzimmern umgesetzt werden kann, braucht es mehr Hebammen. Genaue Zahlen dazu hat vor kurzem die Hebammen-Personalbedarfs-Prognose (2) vorgelegt, die das Hebammengremium gemeinsam mit der AK Wien in Auftrag gegeben hatte.
Feichtlbauer: „Die Hebammen-Personalbedarfsprognose bis 2032 geht von einer Eins-zu-drei-Betreuung derzeit aus und errechnet einen Mehrbedarf von rund 400 Vollzeit im Kreißzimmer arbeitenden Hebammen, wenn das Gesundheitssystem den Gebärenden eine verlässliche Eins-zu-Eins-Betreuung zur Verfügung stellen will. Das ist eine vereinfachte Betrachtungsweise, vertiefende Arbeiten sind sicher notwendig, aber eine erste Orientierung ermöglicht die Studie schon. 400 Hebammen mehr – und dafür können sich Frauen darauf verlassen, dass ihre Hebamme sie ab der aktiven Eröffnungsphase ohne Unterbrechung betreut.
“
ÖHG-Forderung nach mehr Hebammen-Studienplätzen erfüllt
Der langjährigen Forderung des Hebammengremiums nach mehr Studienplätzen für Hebammen sind die dafür zuständigen Landesregierungen in jüngster Zeit nachgekommen. Im Studienjahr 2019/2020 gab es Hebammen Studiengänge an sieben Fachhochschulen in Österreich und insgesamt 337 Studienplätze. Im Studienjahr 2022/23 sind es bereits acht Fachhochschulen mit Hebammen Studiengängen und insgesamt 521 Studienplätze.
Hebammen Studierende in Österreich (in den Bachelorstudiengängen):
Studienplätze
Hebammen Bachelor 2019/20 2020/21 2021/22 2022/23 2023/24
FH Burgenland 15 30
FH Campus Wien 92 109 117 115 132
FH Joanneum Steiermark 40 38 38 57 60
FH Krems 67 68 65 64 66
FH Kärnten 24 46 69 74 69
FH Gesundheitsberufe OÖ 63 68 76 79 81
FH Salzburg 25 25 25 51 51
FH Gesundheit Tirol 26 52 26 66 40
Summe Studienplätze 337 406 416 521 529
Mit den Absolvent:innen der FH Studiengänge Hebamme wird es in naher Zukunft möglich sein, die Pensionierungen der Hebammen der 1960er Jahrgänge abzufangen und die Anzahl der verfügbaren Hebammen in allen Bundesländer auf den aktuellen Österreich-Durchschnitt zu bringen. Darüber hinaus besteht aber auch der Trend zu Krankenhausentlassungen immer früher nach der Geburt und damit geht der Bedarf an mehr Hebammen-Betreuung im Wochenbett Hand in Hand. Wenn außerdem im Krankenhaus die leitlinienkonforme Eins-zu-eins-Betreuung während der aktiven Eröffnungsphase der Geburt zum verlässlichen Standard für alle Frauen werden soll, dann wird es weitere Investitionen in Hebammen Studiengänge brauchen. Die Landesregierungen werden zusätzliche Studienplätze an den Fachhochschulen und weitere Praktikumsplätze in den Krankenhäusern schaffen müssen.
Berufsausübung von Hebammen in Österreich
2.623 Hebammen sind aktuell in Österreich berufstätig,
575 von ihnen arbeiten nur im Krankenhaus angestellt,
594 nur frei praktizierend, und
1.454 Hebammen sind im KH angestellt und arbeiten zusätzlich frei praktizierend.
Hebammen in Österreich – im KH angestellt und/oder frei praktizierend, nach Bundesländern
Hebammen, Hebammen, Hebammen, Alle
nur im KH nur frei im KH angestellt Hebammen
angestellt praktizierend und frei praktiz.
B 20 22 30 72
K 14 51 121 186
NÖ 60 90 311 461
OÖ 115 87 265 467
S 37 43 107 187
St 68 86 156 310
T 78 68 120 266
V 37 34 61 132
W 146 113 283 542
Österreich 575 594 1.454 2.623
(Stand: 27. April 2023, Daten: Österreichisches Hebammengremium)
Frei praktizierende Hebammen können mit Kassenvertrag oder als Wahlhebamme arbeiten.
Frauen in Österreich können Hebammen-Hilfe jederzeit selbstständig in Anspruch nehmen, ohne ärztliche Zuweisung.
Die Hebamme mit Kassenvertrag verrechnet ihre Leistungen direkt mit dem Sozialversicherungsträger. Bei einer Wahlhebamme trägt die Frau die Kosten selbst und kann diese bei der Sozialversicherung zur Rückerstattung einreichen. Rückerstattet werden 80 Prozent des jeweiligen Kassentarifs.
Diese Hebammen-Leistungen bezahlen die Sozialversicherungen:
In der Schwangerschaft:
- Hebammen-Beratung im Mutter-Kind-Pass, 18. – 22. SSW
- 1 Hausbesuch bzw. Sprechstunde i.d. Hebammenordination, ab 32. SSW
Bei geplanter Hausgeburt:
8 Hausbesuche bzw. Sprechstunden in der Hebammenordination, ab der 22. SSW (erforderlichenfalls ab der 12. SSW)
Bei geplanter ambulanter Geburt:
2 Hausbesuche bzw. Sprechstunden in der Hebammenordination, ab der 22. SSW (erforderlichenfalls ab der 12. SSW)
Geburt:
Geburt im Krankenhaus, Hausgeburt, Geburt in der Hebammenpraxis
Im Wochenbett:
- Täglich 1 Hausbesuch vom 1. bis zum 5. Tag nach der Geburt (bzw. bis zum 6. Tag nach Kaiserschnitt, Frühgeburt, Mehrlingsgeburt)
- 6 bzw. 7 weitere Hausbesuche bzw. Sprechstunden in der Hebammenordination vom 6. Tag bis zur 8. Woche nach der Geburt bei Bedarf (bzw. bis zur 12. Woche nach Kaiserschnitt, Frühgeburt, Mehrlingsgeburt)
- Telefonberatung und telemedizinische Betreuung bei Bedarf
Hebammen mit und ohne Kassenvertrag nach Bundesländern und Geburtenanzahl:
Geborene im Jahr 2021 Hebammen mit Frei prakt.Hebammen
(Statistik Austria) Kassenvertrag ohne Kassenvertrag
B 2.240 7 45
K 4.630 30 142
NÖ 15.261 78 323
OÖ 15.247 54 298
S 5.755 26 124
St 11.357 33 208
T 7.934 40 148
V 4.295 3 92
W 19.359 61 335
Österreich 86.078 332 1.716
(Stand: 27. April 2023, Daten: Österreichisches Hebammengremium)
Quellen und weiterführende Informationen:
(1) S3 Leitlinie „Vaginale Geburt am Termin“ – Kurz- und Langversion auf der AWMF-Webseite: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-083.html
(2) Studie „Hebammen-Personalbedarfsprognose bis 2032“ von Gesundheit Österreich: PDF auf der ÖHG Webseite: https://www.ots.at/redirect/hebammen
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Österreichisches Hebammengremium