Für die Maturant*innen startet am 2. Mai die Zentralmatura mit Latein und Griechisch. Dieser Zeitpunkt ist jedes Jahr Anlass, die Modalität sowie Zweckmäßigkeit der Prüfung in Österreich zu diskutieren. Der öbv wollte von Lehrer*innen wissen, wie sie die Situation einschätzen und hat im März eine Online-Umfrage unter 634 Lehrkräften aus ganz Österreich durchgeführt. Fazit: Sie halten die Matura für grundsätzlich sinnvoll, aber nicht in ihrer aktuellen Form.
Abschlussritual mit Verbesserungspotenzial
75 % der befragten Lehrkräfte halten die Matura für ein schönes Abschlussritual der Schulzeit. 64 % geben jedoch an, dass sie in der jetzigen Form nicht zeitgemäß sei. Kritisiert wird etwa, dass anderes zu kurz komme, weil zu stark „auf die Matura hin“ unterrichtet werde (82 %), dass die Matura für Schüler*innen mit Angst und Stress verbunden sei (75 %) und dass durch sie das letzte Schuljahr großteils aus Bulimie-Lernen bestehe (53 %).
Grundsätzlich finden die meisten Lehrer*innen (92 %) die Matura sinnvoll – die Hälfte davon jedoch nicht in ihrer jetzigen Form. Nur 9 % bewerteten die schriftliche und 8 % die mündliche Matura als nicht sinnvoll. Der Großteil der befragten Lehrkräfte glaubt somit durchaus an ihre Sinnhaftigkeit – wenn auch viele sie zwar als sinnvoll erachten, jedoch nicht in ihrer jetzigen Form (39 % bei schriftlicher und 33 % bei mündlicher Matura).
Die Vorwissenschaftliche Arbeit bzw. Diplomarbeit halten 61 % der Befragten (grundsätzlich oder in ihrer jetzigen Form) für nicht sinnvoll. 85 % wollen eine verpflichtende Matura behalten, aber 68 % fänden es nötig, sie in wesentlichen Punkten zu ändern. 82 % würden sie stärker an die Schulformen und Zweige anpassen, 56 % fänden es sinnvoll, die Jahresnote des letzten Schuljahres einfließen zu lassen.
Niveau durch Zentralmatura gesunken?
Von der Zentralmatura sind 31 % der Befragten grundsätzlich nicht überzeugt, 44 % halten sie in ihrer jetzigen Form für nicht zielführend. Die Lehrkräfte sehen jedoch durchaus Vorteile in der Zentralmatura, etwa eine einfachere Korrektur der Prüfungen (52 %), österreichweite Vergleichbarkeit (51 %) sowie eine Veränderung ihrer Rolle von der Prüfer*in hin zur Helfer*in (40 %). 68 % sind allerdings überzeugt, das Niveau der Matura sei im letzten Jahrzehnt gesunken. Knapp 99 % der Lehrkräfte geben an, dass es ihnen gelingt, ihre Schüler*innen angemessen auf die Matura vorzubereiten (55,3 % definitiv, 43,4 % einigermaßen). Für eine bessere Vorbereitung wünschen sich viele Befragte jedoch mehr Zeit (66,8 %), teils auch mehr Unterrichtsmaterialien (37,5 %) und eine stärkere Eingrenzung des Stoffs (22,6 %). „Die Umfrage zeigt, dass die Matura für die meisten Lehrpersonen in Österreich nach wie vor ein wichtiger Bestandteil der Bildungslaufbahn ist. Allerdings wird auch klar, dass Veränderungen nötig sind, um sie zeitgemäßer und fairer zu gestalten”
, erklärt Maximilian Schulyok, Geschäftsführer des öbv. „Die Perspektiven der Lehrkräfte sind sehr unterschiedlich: Einige fordern eine stärkere Anpassung an die Schulform, andere echte Vergleichbarkeit durch externe Bewerter*innen. Während einige das gesunkene Niveau beklagen, finden andere, wer es bis zur Matura geschafft hat, brauche gar keine gesonderte Prüfung mehr”
, fasst er die Aussagen aus den offenen Textfeldern der Umfrage zusammen. „Zusammengefasst kann man sagen: Es ist wichtiger denn je, Lehrkräfte aus verschiedensten Schulen und Generationen in die Entwicklungen von Prüfungskonzepten einzubinden. Denn nur sie können beurteilen, was in der Praxis wirklich sinnvoll ist und funktioniert.”
Weitere Meilensteine des Bildungssystems
Auch weitere Meilensteine des Bildungssystems wurden abgefragt: Vergleichsweise unumstritten ist die Einschulung, die 54 % in ihrer jetzigen Form sinnvoll und nur 6 % als Ritual grundsätzlich nicht sinnvoll finden. Kritischer sehen Lehrkräfte etwa den Übertritt nach der Volksschule: 62 % halten Verbesserungen für notwendig. Auch der Pflichtschulabschluss und der Übergang nach der Mittelschule bzw. AHS-Unterstufe werden eher kritisch betrachtet. 73 % der Befragten halten überdies einen allgemeinen mittleren Schulabschluss in Österreich für notwendig.
Zitate von Lehrkräften
Einige exemplarische Aussagen aus den verschiedenen Perspektiven:
„Die Matura ist wie die Schule selbst wegbegleitend für Jugendliche. Es ist eine „Generalprobe“ in bekanntem, geschütztem Rahmen für Herausforderungen im Leben, die immer wieder kommen werden.“
„Mit jeder bestandenen Prüfung wächst ein gesundes Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigene Person, in Zukunft schwierige Situationen auch zu meistern.“
„Die Jahresnote sollte zum Teil in die Abschlussnote einfließen. Jeder Mensch hat schlechte Tage und viele Jugendliche sowie Erwachsene haben Prüfungsangst, somit ist die Matura nur eine Momentaufnahme und nicht aussagekräftig, ob jemand 'reif' ist.
„Die Matura zeigt nicht die Kompetenzen der KandidatInnen, sondern das Engagement der Lehrkräfte im Vorfeld!
„Schaffe ich es bis dorthin, finde ich die Matura unnötig!
An der Umfrage beteiligten sich 634 Lehrpersonen aus ganz Österreich, von denen rund 66 % Erfahrung beim Unterrichten von Maturaklassen haben. 36 % der Befragten unterrichten an Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS), 26 % an Berufsbildenden Höheren Schulen (BHS), der Rest teilt sich auf andere Schularten auf.
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