Anlässlich der heutigen Präsentation des "Memorandums of Understanding" im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel erneuert der Handelsverband seine Forderung nach einer umfassenden Arbeitsmarktreform mit einer degressiven Gestaltung des Arbeitslosengeldes. Jetzt drängt die Zeit, denn die Nachwirkungen der Pandemie und die jüngsten Pensionierungswellen haben trotz vielfacher Überzahlungen zu einem gravierenden Personalmangel geführt. Einen Aufschwung aus der Teuerungskrise können wir nur schaffen, wenn mehr Stellen besetzt werden können.
HV-Blitzumfrage: 2/3 der Händler von Arbeitskräftemangel betroffen
Laut der jüngsten HV-Händlerbefragung sind aktuell 62% aller Handelsbetriebe von Arbeitskräftemangel betroffen. 6% mussten im letzten halben Jahr bereits einzelne Geschäfte temporär schließen. Bei weiteren 14% war bzw. ist auf Grund dessen nur ein eingeschränkter Betrieb möglich.
Fast ein Drittel schreibt zurzeit offene Stellen als Teilzeit aus, obwohl Vollzeit-Beschäftigte bevorzugt eingestellt würden. Und: 74% der Handelsbetriebe lehnen die zuletzt von der Arbeiterkammer geforderte Einführung der 4-Tage-Woche (32h pro Woche) bei vollem Lohnausgleich ab, weil dies gerade in der Teuerungskrise finanziell schlicht nicht leistbar wäre und de facto eine Gehaltserhöhung um mehr als 20% bedeuten würde.
Einzelhandel: Zahl der offenen Stellen geht von 14.100 auf 13.800 minimal zurück
Zumindest im Einzelhandel ist eine leichte Besserung in Sicht. "Erstmals in 12 Monaten zeichnet sich eine leichte Entspannung der Personalsituation ab. Die Zahl der offenen Stellen, die nicht zeitnah besetzt werden können, ist zuletzt von 14.100 auf 13.800 zurückgegangen. Doch bis die Effekte bei allen Händlern spürbar sind und ein höherer Anteil der Vakanzen besetzt werden kann, wird es noch einige Zeit dauern", bestätigt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
HV erneuert Forderung nach Reform des Arbeitslosengeldes
Der Hintergrund? Wer in Österreich arbeitslos wird, bekommt 55% des letzten Monatsgehalts als Arbeitslosengeld ausbezahlt. Dieser Wert ist eher niedrig, dafür sinkt er mit der Zeit kaum noch, weil nach dem Arbeitslosengeld Notstandshilfe bezogen werden kann, die nur geringfügig unter diesem Niveau liegt. Die Notstandshilfe garantiert ein dauerhaftes Arbeitslosengeld auf fast unverändertem Niveau.
Ebenfalls zeitlich unbegrenzt können heimische Arbeitslose bis zur Geringfügigkeitsgrenze — 500,91 Euro pro Monat — dazuverdienen. Was als Sprungbrett zurück in den Arbeitsmarkt gedacht war, hat sich de facto in ein Hindernis verwandelt, das die Arbeitslosigkeit häufig noch verlängert. Gerade bei niedrigen Einkommen gibt es kaum noch finanzielle Anreize, aus Arbeitslosigkeit in ein sozialversicherungspflichtiges Dienstverhältnis zu wechseln.
Der Handelsverband empfiehlt daher eine degressive Gestaltung des Arbeitslosengeldes. Die Zuverdienstmöglichkeiten beim Bezug von Arbeitslosengeld sollten finanziell wie zeitlich begrenzt werden. "Und natürlich müsste man auch bei der Vollzeitarbeit selbst ansetzen, Stichwort Lohnnebenkosten. Kaum wo in Europa zahlen Unternehmen so viel für ihre Beschäftigten, ohne dass es in den Taschen der Angestellten landet. Hier herrscht Handlungsbedarf. Leistung muss sich wieder lohnen", so Handelssprecher Rainer Will abschließend.
Weitere Daten zur Situation am Arbeitsmarkt sowie zum wirtschaftlichen Geschehen veröffentlicht der Handelsverband am Donnerstag in Form des "Konjunkturreport Einzelhandel", welcher vom WIFO 1x pro Quartal verfasst wird.
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