Bei der heutigen Präsentation des Immobilienpreisspiegels 2023 des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) zeigte sich, dass sich die Dynamik der anhaltenden Preisanstiege in den vergangenen Jahren – vor allem von 2021 auf 2022 – merklich abgeschwächt hat. Nach kontinuierlichem Wachstum in den vergangenen Jahren, das in einigen Immobiliensegmenten und Bundesländern eine enorme Dynamik angenommen hat, wurde dieses aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Unsicherheiten nun gebremst. „Seit Herbst 2022 ist nun zum ersten Mal seit 10 Jahren ein Rückgang bei Immobilientransaktionen zu bemerken“, sagt Fachverbandsobmann Gerald Gollenz. Die Nachfrage nach Immobilien ist jedoch nach wie vor stark – sowohl bei privaten als auch bei gewerblichen Investoren. Auch die Maklerunternehmen berichten von anhaltend guter Auftragslage, allerdings kommen die Abschlüsse oft nicht zustande: Verkäufer:innen und Käufer:innen warten ab, wie sich die Preise entwickeln werden. Entscheidungen werden verschoben.
„Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn schon viele ‚Hochs und Tiefs‘ der Immobilienwirtschaft erlebt, aber selten so viel Verunsicherung gesehen wie derzeit“, spricht Gollenz eine Vielzahl an Faktoren an, die auf die Immobilienwirtschaft wirken: Inflation, steigende Zinsen, verschärfte Kreditvergaben sowie die hohen Energiekosten.
Gesunkene Nachfrage am Wohnungsmarkt lässt Preise stagnieren
„Die dynamischen Preisentwicklungen der letzten Jahre gehören vorerst der Vergangenheit an. Durch die gesunkene Nachfrage werden die Preise im laufenden Jahr mit wenigen Ausnahmen stagnieren“, analysiert der Fachverbandsobmann. Ein Rückgang oder gar Preisverfall am Wohnungsmarkt sei allerdings nicht zu erwarten. Konkret trifft aktuell die nachlassende Nachfrage aufgrund von Kreditrichtlinien, Verunsicherung, Inflation und Energiekosten auf ein nach wie vor knappes Angebot. Die Bautätigkeit der Projektentwickler hat sich verlangsamt, weshalb in den kommenden Jahren weniger Wohnungen auf den Markt kommen werden.
Weniger Neubau
Beim Wohnungsneubau ist in den kommenden Jahren mit einer Verknappung von Wohnraum zu rechnen. Nachdem in den letzten 3 Jahren österreichweit die Wohnbauleistung enorm gestiegen ist, werden in nächster Zeit weniger Wohnbauten errichtet. Laut Studie der EXPLOREAL in Auftrag der WKO wurden 2020 bis 2022 rund 138.600 Wohneinheiten errichtet. Michael Pisecky, stv. Fachverbandsobmann und Fachgruppenobmann Wien: „Die Werte der letzten Jahre werden so bald sicher nicht mehr erreicht werden.“ Auf Grund der wirtschaftlichen Unsicherheiten haben zahlreiche Bauträger ihre nächsten Projekte vorerst eingestellt, was zu einer weiteren Verknappung führt, wie sich am Beispiel Wien deutlich zeige, so Pisecky: „Gab es 2019 über 22.100 bewilligte Wohneinheiten in der Bundeshauptstadt, so waren es 2022 nicht einmal mehr die Hälfte. Im Jahr 2024 rechnen wir nur mehr mit 12.000 Wohneinheiten, 2025 nur noch mit 7500.“
Der Immobilienpreisspiegel 2023
Der aktuelle Preisspiegel zeigt ebenfalls den Rückgang der rasanten Preisanstiege in ganz Österreich. Fachverbandsobmann-Stellvertreter und Fachgruppenobmann Niederösterreich, Johannes Wild: „Dies wird etwa auch anhand von Baugrundstücken deutlich, die im Jahr 2022 in fast allen Bundesländern Steigerungen im zweistelligen Prozentbereich aufwiesen. Im aktuellen Preisspiegel trifft dies nur mehr auf Wien zu. „Prognosen zur Preisentwicklung lassen sich derzeit nur schwer treffen“, ergänzt Pisecky. Zu der ohnehin angespannten Situation treffen zusätzliche Regulatorien – die KIM-Verordnung und das ab Juli in Kraft tretende Bestellerprinzip – den Markt und die Branche massiv.
KIM-Verordnung
Mit dem sperrigen Titel „Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung“ – kurz KIM-Verordnung – wurden ab 1.Juli 2022 strengere Regeln für die Finanzierung von Immobilieneigentum eingeführt. Vor dem Hintergrund allgemeiner Preissteigerungen und anhaltender Unsicherheiten kam die neue Verordnung zum ungünstigsten Zeitpunkt, was auch durch einen spürbaren Rückgang der Immobilienkäufe – vor allem ab dem 4.Quartal 2022 – deutlich wurde. Die notwendige Lockerung der Verordnung mit dem 1.April 2023 betraf vor allem die Vor- und Zwischenfinanzierung. „Wer also schon eine Immobilie hat und eine neue kaufen will, wird nun wieder leichter einen Kredit bekommen. Wie sehr die Erleichterung die Nachfrage und Käufe wieder anspringen lässt, wird sich allerdings erst im Sommer oder Herbst zeigen“, erklärt Wild. Dennoch brauche es noch weitere Anpassungen, wie auch vom Finanzminister gefordert, unterstreicht Obmann Gollenz: „Dies ist dringend nötig, damit sich auch junge Leute wieder Eigentum schaffen können.“
Das Bestellerprinzip: Eine „lose-lose Situation“
Ab 1. Juli 2023 gilt in Österreich das sogenannte Bestellerprinzip. In Zukunft darf von Immobilienmakler:innen nur Provision verlangt werden, wenn Mieter:innen aktiv an Makler:innen herantreten und eine Vermittlungsprovision vereinbart haben. Bei Mietwohnungen, die per Aushang inseriert werden, darf zudem keine Vermittlungsprovision verlangt werden. Pisecky ist überzeugt: „Das Bestellerprinzip wird den Markt verändern, aber leider nicht zum Positiven. Auch wenn versucht wird, die finanzielle Entlastung für die Mieter:innen bei der Wohnungssuche groß darzustellen und den enormen Schaden für die Maklerunternehmen und den Markt klein zu reden, ist genau das Gegenteil der Fall.“
„Die finanzielle Entlastung ist marginal“, stellt Pisecky klar: Demgegenüber verlieren Mieter:innen jegliche Beratung. „In Österreich vertraten Makler in der Regel bisher die Interessen beider Seiten, auch wenn die Positionen beider Vertragspartner oft weit auseinander lagen. Zudem gibt es Gewährleistung und Haftung für Makler-Beratung. Makler unterliegen nicht nur umfassender Informationspflicht, sondern haben auch eine Vermögenshaftpflichtversicherung, die etwaige Vermögensschäden von Kund:innen durch falsche Beratung abgedeckt. Das ist mit dem 1.Juli 2023 vorbei.“ Pisecky befürchtet zukünftig einen „Wildwuchs“ am Markt, wie er in Deutschland, vor allem in Berlin, durch das Bestellerprinzip bereits eingetreten ist. Viele negative Aspekte, wie Intransparenz des Angebotes, Ablöseunwesen, Verknappung des Angebotes oder Massenbesichtigungen, werden Einzug am heimischen Markt halten, zeigt sich Pisecky überzeugt und betont: „Das Bestellerprinzip ist daher nicht nur ein schwerer Schlag gegen Mieter:innen und Vermieter:innen, sondern gefährdet auch tausende Arbeitsplätze in Maklerunternehmen, was nicht nur den Betrieben, sondern auch dem Wirtschaftsstandort massiv schadet.“
Abschließend wagt der Fachverbandsobmann noch einen Blick in die Zukunft: „Auch wenn sich in der aktuellen Situation heute schwer sagen lässt, wie sich der Markt kurzfristig verändern wird, denke ich, dass die Auftragsbücher der Baufirmen in der 2. Jahreshälfte 2023 nicht mehr so gut gefüllt sein werden wie zuletzt und dadurch der Wohnbau wieder angekurbelt wird.“ (PWK099/ES)
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