„Eine herausfordernde Zeit, die Österreichs Industrie im Großen und Ganzen gut gemeistert hat. Die Resilienz, die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen ist hoch – aber große Herausforderungen bleiben bestehen, und es kann noch keine Entwarnung gegeben werden“ – dieses Bild zeichnet eine Umfrage der Bundessparte Industrie der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) ein Jahr nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Robert Schmid, Umweltsprecher der Bundessparte Industrie der WKÖ und Eigentümer der Baumit-Gruppe, präsentierte heute, Freitag, gemeinsam mit Andreas Mörk, Geschäftsführer der Bundessparte Industrie, die Ergebnisse. Insgesamt haben 105 Unternehmen daran teilgenommen. Bei 62 Prozent handelt es sich um Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern. Die Befragung fand im Jänner und Februar dieses Jahres statt.
Demnach haben praktisch alle befragten Industrieunternehmen Vorkehrungen für Extremsituationen wie Blackout oder Gasausfall getroffen – so weit die Rahmenbedingungen dies zuließen. Technische Backups und das Umschalten auf andere Energieträger im Notfall sind – wo möglich – technisch vorbereitet. „Anders als in Deutschland fehlen aber die rechtlichen Grundlagen, um diese Back-ups im Ernstfall auch nutzen zu können. Hier liegt der Ball seit einem Jahr bei der Politik“, so Schmid und Mörk.
Rahmenbedingungen für Industriebetriebe verbessern
Apropos Politik: Die heimischen Betriebe kritisieren vielfach, dass es an zukunftsfitten Gesamtkonzepten für die energieintensive Industrie in Österreich fehle. Die Politik müsse für Ausbau, Infrastruktur und Management erneuerbarer Energien viel stärker Fachexpertise aufbauen und anwenden. Gleiches gelte für die Wasserstoffwirtschaft. „Wir entwickeln derzeit als Industriesparte Indikatoren, die die Fortschritte und Defizite des Transformationsprozesses aufzeigen. Mit Sorge stellen wir fest: Politische Ziele und Maßnahmen sind untereinander nach wie vor kaum abgestimmt, obwohl die Uhr tickt. Das muss professioneller werden. Wir sehen keinen politischen Masterplan.“ so die WKÖ Bundessparte Industrie, die im zweiten Quartal das Indikatorenset veröffentlichen wird.
Zwei Beispiele nennen Schmid und Mörk in diesem Zusammenhang: Einerseits das 100%-Grünstrom-Ziel bis 2030, das bilanziell mit den aktuellen Ausbaumaßnahmen kaum realisierbar ist, und das nur ein Fünftel des heimischen Gesamtenergieverbrauchs ausmacht. Andererseits die geplanten massiven Verschärfungen im EU-Naturschutzrecht (Gesetz zur Wiederherstellung der Natur inklusive Verschlechterungsverboten), die die europäische Versorgungssicherheit bei Nahrungsmitteln und mineralischen bzw. nachwachsenden Rohstoffen infrage stellen. Dies sei angesichts der Lage, in der sich Europa befinde, zunehmend unverständlich – nicht nur für die Unternehmen.
Auf die Frage nach Energiesparmaßnahmen gaben 84 Prozent der befragten Unternehmen an, ihren Energieverbrauch im vergangenen Jahr gesenkt zu haben, wobei die Höhe der Energieeinsparungen stark variiert und ein geringerer Energieverbrauch auch auf einen Rückgang der Produktion zurückzuführen sein kann. Ob die reduzierten Kapazitäten – Stichwort „Demand destruction“ – wieder zurückgeholt werden können, bleibt abzuwarten. Ein weiterer Grund: Durch stark gestiegene Energiepreise wurden bestimmte Energieeffizienz-Maßnahmen deutlich früher rentabel.
Auch das Thema Beschäftigung wurde abgefragt. „Trotz der schwierigen Situation gaben 70 Prozent der Unternehmen an, den derzeitigen Personalstand in den nächsten zwölf Monaten halten zu können“, halten Schmid und Mörk fest. Die Kurzarbeit als generelle Krisenmaßnahme wurde, im Rückblick der vergangenen Jahre, überwiegend positiv beurteilt, auch wenn die Voraussetzungen derzeit zu rigide seien. Die Vertreter der heimischen Industrie plädieren aber dafür, die Anreize für Vollzeitbeschäftigung zu erhöhen, die Wettbewerbsfähigkeit nicht durch zu hohe Lohnkosten weiter zu verschlechtern und eine aktive Fachkräftezuwanderungspolitik zu betreiben.
Die Industrie fordert einen raschen Markthochlauf erneuerbarer Gase unter Berücksichtigung der notwendigen Importe zu wettbewerbsfähigen Bedingungen. Österreich muss an die europäische Wasserstoff-Infrastruktur angebunden werden, und braucht Energiepartnerschaften mit Lieferländern von erneuerbarem und klimaneutralen Wasserstoff.- Dazu muss die Gas-Infrastruktur ausgebaut und ertüchtigt werden.
„In der Energiepolitik sollten Ziele im Sinne der Technologieoffenheit gesetzt werden, ohne die konkreten technischen Lösungen vorzugeben, mit denen sie erreicht werden sollen. Gefordert wird eine Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien einschließlich der Forcierung des Speicher- und Leitungsbaus sowie entsprechender Backup-Kapazitäten“, sagen Schmid und Mörk.
Für die erfolgreiche Zukunft des Industriestandorts Österreich wird der zügige Ausbau der Stromnetzinfrastruktur für die verstärkte Marktintegration der erneuerbaren Energien und die Optimierung grenzüberschreitender Netze als unabdingbar angesehen. „Denn die sogenannte Twin Transition – der Weg zur digitalen und nachhaltigen Transformation in der Produktion – wird in den kommenden Jahren die Herausforderung schlechthin für den produzierenden Bereich sein“, so Schmid und Mörk abschließend. (PWK065/JHR)
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