Die SPÖ hat heute im Nationalrat einen weiteren Versuch unternommen, um die bevorstehende Erhöhung der Richtwertmieten um 8,6 % zu stoppen. Die Zeit für eine Lösung laufe davon, machte SPÖ-Bautensprecherin Ruth Becher mit Hinweis auf den Anpassungstermin 1. April geltend. Sie warb daher für das von der SPÖ vorgeschlagene 3. Mietrechtliche Inflationslinderungsgesetz und forderte eine Abstimmung darüber in der kommenden Woche. Ein entsprechender Fristsetzungsantrag fand allerdings auch in der heutigen Sitzung keine Mehrheit. Lediglich die FPÖ unterstützte die SPÖ-Initiative.
ÖVP-Bautensprecher Johann Singer zeigte sich, was eine Halbierung der Inflationsanpassung im heurigen Jahr betrifft, zwar weiter gesprächsbereit, beharrte aber auf eine Paketlösung unter Einbeziehung der Grunderwerbsteuer. Für diese Verknüpfung sind die Grünen allerdings nicht zu haben, wie Agnes Sirkka Prammer erklärte. Es gebe keinen Anlass, Erb:innen noch weiter zu begünstigen, meinte sie. Zudem würden von einer geringeren Inflationsanpassung bei gleichzeitiger steuerlicher Förderung für thermische Sanierung und Heizkesseltausch Vermieter:innen und Mieter:innen gleichermaßen profitieren. Ganz schwarz sieht Prammer trotz der knappen Zeit aber noch nicht: Man habe auch in der Vergangenheit immer wieder einen Konsens erzielen können.
SPÖ und FPÖ: Viele Menschen können sich Wohnung nicht mehr leisten
Konkret schlägt die SPÖ vor, die Inflationsanpassung der Richtwertmieten, der Kategoriebeiträge und weiterer mietrechtlicher Beträge für die nächsten drei Jahre – also bis 2026 – auszusetzen. Zudem soll die Erhöhung langfristig auf einen Maximalwert von zwei Prozent begrenzt werden. Beschlossen werden müsste das laut Becher bei der Nationalratssitzung nächste Woche, sonst könnte das Gesetz nicht mehr rechtzeitig vor dem 1. April in Kraft treten.
Begründet wird die Forderung von Becher damit, dass jetzt schon 60 % der Mieter:innen die Miete als sehr belastend empfinden würden. Steigen die Mieten weiter, werde das Geld beim täglichen Einkauf, beim Heizen und bei anderen notwendigen Ausgaben fehlen. Zudem würde eine Anhebung der Richtwertmieten um 8,6 % die ohnehin schon hohe Inflation in Österreich weiter befeuern.
Dass es auch anders geht, belegen Becher zufolge Beispiele aus anderen EU-Ländern wie Spanien und Portugal, wo es einen Deckel für Mieterhöhungen gebe. Es sei Zeit, dass Österreich nachziehe. "Wir haben keine Zeit für einen Beziehungsstreit zwischen ÖVP und Grünen", drängte auch ihr Parteikollege Maximilian Köllner auf eine Lösung.
In eine ähnliche Kerbe schlug FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch. Sie gab zu bedenken, dass der bevorstehenden Erhöhung der Richtwertmieten um 8,6 % eine Pensionserhöhung von 5,8 % gegenüberstehe. Das Geld werde beim Essen, bei Schulartikel und beim Heizen abgezweigt werden müssen, zumal jetzt schon viele Leute sagten, dass es "hinten und vorne nicht reicht". Die Menschen würden in die Armut gedrängt. "Das ist unsozial und unmenschlich", bekräftigte Belakowitsch. Wer sich die Miete nicht leisten könne, habe zudem nichts von Erleichterungen beim Eigentumserwerb. Man müsse die Inflationsanpassung entweder aussetzen oder "auf ein halbwegs erträgliches Maß herunterdrücken".
Singer: ÖVP ist weiter gesprächsbereit
ÖVP-Bautensprecher Johann Singer wandte sich gegen einen einseitigen Beschluss zu Lasten der Vermieter:innen. Die Mieteinnahmen würden vielfach zur Erhaltung des Altbestands genutzt, zudem würden die Vermieter:innen mit einer Indexanpassung rechnen, gab er zu bedenken. Gleichzeitig versicherte Singer aber, dass die ÖVP gesprächsbereit sei und bleibe.
Laut Singer hat die ÖVP in den Verhandlungen mit den Grünen drei Punkte vorgeschlagen, die ihm zufolge als "Paket" zu verstehen sind. So kann er sich etwa vorstellen, die bevorstehende Inflationsabgeltung auf zwei Jahre – 2023 und 2024 – mit einer jeweiligen Erhöhung von 4,3 % aufzuteilen. Gleichzeitig brauche es ein steuerliches Anreizmodell für die thermische Sanierung von Wohnraum bzw. die Umrüstung von Heizanlagen.
Dritter Punkt sind für Singer Erleichterungen beim Erwerb des ersten Wohnungseigentums in Form einer Grunderwerbsteuerbefreiung für die ersten 500.000 €. Der den Gemeinden daraus entstehende Einnahmenentfall soll ihm zufolge durch den Bund ersetzt werden.
Grüne: Zeit drängt
Seitens der Grünen wies Agnes Sirkka Prammer auf die Dringlichkeit einer Lösung hin. Die Menschen würden tagtäglich mit den Auswirkungen der Teuerung kämpfen, wobei es jene, die es schon vorher schwer hatten, am meisten treffe. Bei der Miete könne man auch nicht sparen oder weniger ausgeben, man müsse zahlen, was verlangt wird. Vielen Betroffenen hätte die Regierung zwar schon mit dem "Wohnschirm" helfen können, das alleine reiche aber nicht.
Die Grünen würden in diesem Sinn alles daran setzen, um mit der ÖVP zu einer Einigung zu kommen, betonte Prammer. Es liege auch schon "ein ausgewogenes Paket" am Tisch, das nicht nur Vorteile für Mieter:innen und Vermieter:innen bringen, sondern auch insgesamt inflationsdämpfend wirken würde. Dieses würde Vermieter:innen erleichtern, in thermische Sanierungen und einen Heizkesseltausch zu investieren. Für eine Verknüpfung der Inflationslinderung mit der Grunderwerbsteuer sieht Prammer aber keinen Grund.
NEOS: SPÖ-Antrag ist billiger Populismus
Als "billigen Populismus" qualifizierte NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker den SPÖ-Antrag. Schließlich würde dieser nur Richtwertmieten und damit nur jedes 8. Mietverhältnis betreffen. Die Inflation betreffe aber alle, Mieter:innen und Eigentümer:innen gleichermaßen. Ein Mietpreisdeckel sei außerdem kontraproduktiv, wenn man wolle, dass Eigentümer:innen die Wohnungen thermisch sanieren.
Loacker plädierte dafür, die Lasten auf Mieter:innen und Vermieter:innen zu verteilen und steuerlich zwischen jenen zu differenzieren, die Wohnungen sanieren, und jenen, die Wohnungen und Häuser "verfallen" lassen. Zudem sprach er sich dafür aus, die Regeln für Wohnbaukredite zu lockern sowie bei der Grunderwerbsteuer und der Versicherungssteuer für die Haushaltsversicherung anzusetzen. Der Regierung warf der Abgeordnete vor, die Inflation durch Förderungen "mit der Gießkanne" angeheizt zu haben. (Fortsetzung Nationalrat) gs
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