Saatgutrechts-Reform muss Klima- und Biodiversitätskrise ernstnehmen

Am 7. Juni 2023 will die EU-Kommission ihren Vorschlag für ein neues europäisches Saatgutrecht veröffentlichen. In den anschließenden Verhandlungen werden die Spielregeln für Produktion, Tausch und Verkauf von Saatgut für die kommenden Jahrzehnte neu definiert. Schon jetzt setzen Großkonzerne alles daran, die Reform zu nutzen, um ihre Kontrolle über das Saatgut auszubauen, warnt Magdalena Prieler, politische Referentin bei ARCHE NOAH, bei der Präsentation einer aktuellen Studie zur Zukunft des Saatgutrechts heute in Brüssel. Die Anforderungen an das neue Saatgutrecht sind klar: EU-weite Umsetzung des bäuerlichen Rechts auf Saatgut, Befreiung von Erhaltungsarbeit und Hobbygärten aus dem derzeitigen Regelkorsett, Förderung der Kulturpflanzenvielfalt und zukunftsweisende Testbedingungen.

Die für die EU-Abgeordneten Sarah Wiener und Martin Häusling von den Europäischen Grünen verfasste Studie zeigt die Irrwege des aktuellen Saatgutrechts auf. Sie verdeutlicht, wie ein reformiertes Saatgutrecht die Grundlage für eine vielfältige, widerstandsfähige und umweltfreundliche Landwirtschaft bilden kann und muss: Anstatt industrielle Einförmigkeit und genetische Verengung fortzuschreiben, müssen die rechtlichen Hürden für die Sortenregistrierung von Vielfaltssorten fallen und ein ungehinderter Marktzugang für vielfältiges und regional angepasstes Saatgut gewährt werden – nicht zuletzt um mit den Auswirkungen der Klimakrise besser zurechtkommen zu können. Absurde Einschränkungen für Landwirt:innen und  Hobbygärtner:innen in ihrer Erhaltungsarbeit haben in einem modernen Saatgutrecht keinen Platz mehr. Vorabtestungen von Saatgut müssen durch eine deutliche Reduktion synthetischer Pestizide und Düngemittel endlich zukunftstauglich werden und zumindest für biologisches Saatgut unter Bio-Bedingungen stattfinden. Und die völkerrechtliche Verpflichtung des Rechts auf Saatgut muss endlich EU-weit umgesetzt werden. 

„Laut Schätzungen der UN haben wir in den letzten 50 bis 100 Jahren fast 90% der globalen Arten- und Samenvielfalt verloren. Dieser nachlässige Umgang mit unserem Welterbe ist nicht nur ein unwiederbringlicher Verlust für die Geschmacksvielfalt auf unseren Tellern. Weniger Auswahl im Genpool der Natur, intensiv bewirtschaftete Monokulturen, degenerativ unfruchtbare Hybridsamen und patentierte Sorten und Rassen halten die Bäuerinnen und Bauern in einer unzumutbaren Abhängigkeit. Um den Veränderungen durch die Klima- und Biodiversitätskrise trotzen zu können, brauchen wir Vielfalt. Alte, regional angepasste Sorten sind Krisenprävention und bringen Ernährungssouveränität für die Zukunft. Das muss die EU-Saatgutreform auch widerspiegeln“, kommentiert Sarah Wiener, Grüne EU-Abgeordnete und Mitglied im Agrarausschuss. 

„Die Europäische Union ringt seit mehr als einem Jahrzehnt um ein neues Saatgutrecht – das derzeitige ist den Herausforderungen der Klima- und Artenkrise längst nicht mehr gewachsen. Offen ist, ob nun Lösungen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft und gesunde Ernährung präsentiert werden, oder ob doch weiter auf Monokulturen, immer teurere synthetische Düngemittel und giftige Pestizide gesetzt werden soll“, kritisiert Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umwelt- und Gesundheitsausschuss. 

Das Saatgutrecht muss endlich mehr Vielfalt zulassen und die Bäuerinnen und Bauern unterstützen, nachhaltig gesundes Essen für uns alle zu produzieren, fordern die beiden EU-Parlamentarier:innen.  

Derzeit beherrschen die vier Großkonzerne Bayer, Corteva, Syngenta und BASF mehr als 50 Prozent des globalen Saatgutmarktes. Diese „Big Four“ kontrollieren auch fast zwei Drittel des weltweiten Pestizidmarkts. Sie haben enormes Interesse an Saatgut, das große Mengen an Pestiziden benötigt und setzen auf industrielle Einförmigkeit. Das macht unsere Landwirtschaft immer anfälliger für Krisen und Totalausfälle. Anstatt das bäuerliche Recht auf Saatgut zu respektieren und den Weg für lokales und anpassungsfähiges Saatgut freizugeben, wollen manche nur ihre Monopolstellung ausbauen, so Magdalena Prieler von ARCHE NOAH. In den kommenden Monaten wird die EU-Kommission den Gesetzesvorschlag finalisieren. Nach der Veröffentlichung im Juni können Organisationen und Bürger:innen Feedback dazu geben. Verhandelt wird der Vorschlag anschließend von EU-Parlament und Rat. 

Zur Studie „EU reform of seeds marketing rules“ (englisch)

Zu den Schlussfolgerungen aus der Studie (deutsch)

Die Arche Noah Positionen zur Saatgutrechtsreform finden Sie hier

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