Whistleblowerinnen und Whistleblower werden künftig auch in Österreich besser geschützt. Mit mehr als einjähriger Verzögerung hat der Nationalrat heute ein neues HinweisgeberInnenschutzgesetz und begleitende Gesetzesänderungen beschlossen und damit die Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie fixiert. Man habe sich intensiv mit der Thematik befasst und letztlich eine "praktikable, gute Lösung" gefunden, die sowohl Hinweisgeber:innen schützt, als auch Unternehmen bürokratisch nicht überfordert, hoben die Koalitionsparteien hervor. Die Opposition hält die Bestimmungen allerdings für unleserlich sowie in manchen Punkten für unzureichend und stimmte in diesem Sinne geschlossen gegen das Paket. In Kraft treten soll ein Großteil der Regelungen unmittelbar nach Kundmachung des Gesetzes, für die Einrichtung von Meldestellen werden betroffene Unternehmen und die öffentliche Hand aber mehrere Monate Zeit haben.
Ziel des Gesetzespakets ist es, Personen, die Informationen über rechtlich fragwürdige Praktiken in ihrem beruflichen Umfeld wie Betrug, Korruption, Gesundheitsgefährdung oder Umweltgefährdung weitergeben, vor Repressalien am Arbeitsplatz und anderen negativen Konsequenzen wie existenzbedrohenden Gerichtsprozessen zu schützen. So sind unter anderem etwa Kündigungen, Suspendierungen, Gehaltskürzungen und Disziplinarmaßnahmen explizit verboten. Auch die vorzeitige Auflösung geschäftlicher Verträge oder anderer Vereinbarungen mit Geschäftspartner:innen wie der Entzug von Genehmigungen ist untersagt.
Wer gegen diese Bestimmungen verstößt oder etwa versucht, seine Mitarbeiter:innen bzw. Geschäftspartner:innen einzuschüchtern, kann auf Schadenersatz geklagt werden. Zudem werden Verwaltungsstrafen bis zu 20.000 € fällig. Letzteres gilt auch für die Verletzung von Vertraulichkeitsbestimmungen bzw. für wissentlich falsche Hinweise durch Whistleblower:innen. Unternehmen, Bundesdienststellen, gemeinnützige Einrichtungen und Vereine sind außerdem verpflichtet, eine interne Meldestelle einzurichten, sofern sie mehr als 50 Mitarbeiter:innen beschäftigen. Als externe Meldestelle wird das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) fungieren.
Opposition hält Bestimmungen für unzureichend
Etliche Mängel im Gesetzespaket orten die Oppositionsparteien. SPÖ-Abgeordnete Verena Nussbaum zeigte etwa wenig Verständnis dafür, dass nur bestimmte Sachbereiche wie das öffentliche Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Umweltschutz, Verkehrssicherheit, Lebensmittel- und Produktsicherheit, die öffentliche Gesundheit, Datenschutz, Korruption oder der Missbrauch von EU-Fördergeldern in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen. Wer andere Rechtsverletzungen wie etwa systematische Arbeitszeitverletzungen, Lohndumping, gefährliche Arbeitsbedingungen, Untreue oder sexuelle Belästigung melde, sei hingegen nicht vom Schutz umfasst. Ihrer Ansicht nach widerspricht das dem Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung.
Auch dass nur Unternehmen und öffentliche Einrichtungen mit mehr als 50 Mitarbeiter:innen eine interne Meldestelle einrichten müssen, ist Nussbaum ein Dorn im Auge. Sie befürchtet einen "wahren Spießrutenlauf" und hohe Rechtsunsicherheit für Personen, die einen Missstand melden wollen. Zudem seien die EU-Vorgaben in Zusammenhang mit der Beweislastumkehr nicht richtlinienkonform umgesetzt worden, ist sie überzeugt.
Als "nicht praktikabel und nicht umsetzbar" beurteilte FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch das Gesetz. Die Bundesregierung sei "auf halbem Weg stehen geblieben", sagte sie. Das Gesetz sei nicht nur schwer lesbar, sondern konterkariere auch den Gesetzeszweck. Belakowitsch ist sich sicher, dass in Wahrheit auch Grüne und SPÖ kein Interesse daran haben, dass so manches an die Oberfläche kommt.
Kritik kam auch von den NEOS. Trotz der zeitlichen Verzögerung sei kein gutes Ergebnis herausgekommen, hielt Abgeordneter Johannes Margreiter fest. Man habe nur das unbedingt Notwendige getan, um die EU-Richtlinie umzusetzen, das Kernanliegen dahinter aber nicht begriffen. Dabei wäre es seiner Meinung nach angesichts des weiteren Abrutschens Österreichs im Korruptionsranking umso wichtiger, funktionierende und effiziente Instrumente einzuführen, um Korruption auch im privaten Wirtschaftsbereich zu verhindern.
Konkret drängte Margreiter unter anderem darauf, den Anwendungsbereich des Gesetzes verständlicher zu formulieren, damit potenzielle Hinweisgeber:innen vorab beurteilen können, ob sie in den Schutzbereich des Gesetzes fallen würden. Außerdem sehen die NEOS nicht ein, dass im Falle der Nichteinrichtung einer internen Meldestelle keine Sanktionen vorgesehen sind und bei den im Gesetz verankerten Verwaltungsstrafen nicht zwischen juristischen Personen wie Konzernen und natürlichen Personen unterschieden wird. Der zu diesen Punkten vorgelegter Entschließungsantrag fand bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit.
ÖVP und Grüne sehen praktikable und gute Lösung
ÖVP-Wirtschaftssprecher Peter Haubner ist demgegenüber überzeugt, dass eine praktikable und gute Lösung am Tisch liegt. Es sei eine Herausforderung gewesen, einerseits Hinweisgeber:innen zu schützen und andererseits Arbeitgeber:innen nicht mit Bürokratie zu überfordern, sagte er. Dass das Gesetz "eine gewisse Komplexität" aufweise, ist laut seiner Parteikollegin Eva-Maria Himmelbauer der EU-Richtlinie geschuldet. Sowohl ÖVP als auch Grüne wiesen aber auf die vorgesehene Evaluierung in drei Jahren hin.
Die Grün-Abgeordneten Agnes Sirkka Prammer und Elisabeth Götze hoben hervor, dass es auch für Unternehmen gut sei, wenn jemand sie darauf aufmerksam mache, dass im Unternehmen etwas schieflaufe. Dadurch hätten sie die Möglichkeit, Missstände aufzuarbeiten, bevor diese an die Öffentlichkeit gelangen. Viele große Betriebe hätten vor diesem Hintergrund bereits gute Hinweisgeber:innensysteme eingerichtet, sagte Prammer. Sie behaupte nicht, dass der Nationalrat heute das beste Whistleblowing-Gesetz der Welt beschließe, so die Verfassungssprecherin der Grünen, das HinweisgeberInnenschutzgesetz gehe aber über die EU-Richtlinie hinaus. (Fortsetzung Nationalrat) gs
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