Künftig wird auch bei bundesweiten Wahlen wie Nationalratswahlen und EU-Wahlen bereits am Wahltag ein Wahlergebnis vorliegen, das nahe am Endergebnis liegt. Der Nationalrat hat heute grünes Licht für die dafür erforderliche Änderung der Nationalratswahlordnung und anderer Wahlgesetze gegeben. Letztendlich stimmten alle Fraktionen für das umfangreiche Gesetzespaket, nachdem zuvor noch kleinere Änderungen vorgenommen worden waren. So haben die Regierungsparteien vom ursprünglichen Vorhaben, eine Stimme als ungültig zu werten, wenn das Wahlkuvert, in dem der Stimmzettel liegt, zugeklebt ist, wieder Abstand genommen. Vielmehr will man darauf vertrauen, dass die Wähler:innen den Aufdruck "Bitte dieses Kuvert nicht zukleben" beachten. In Kraft treten soll das Gesetzespaket Anfang 2024, damit wird es bereits bei den nächsten regulären Wahlen gelten.
An der ursprünglich vorgesehenen Ausweitung der Nichtigkeitsgründe von Wahlkarten hatten sich vor allem SPÖ und FPÖ gestoßen. Wenn zugeklebte Stimmkuverts automatisch ausgeschieden würden, könnte die Zahl ungültiger Briefwahlstimmen steigen, hatte etwa SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger im Verfassungsausschuss gewarnt. Er und FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan zeigten sich vor diesem Hintergrund über die vorgenommenen Abänderungen erfreut. Das Wahlrecht müsse Vorrang vor dem Wahlgeheimnis haben, machte Stefan geltend.
Begründet worden war die letztlich abgeblasene Ausweitung der Nichtigkeitsgründe damit, dass ein zugeklebtes Kuvert als unzulässige Markierung des Stimmzettels gewertet werden könnte, zumal die Kuverts nicht mehr gummiert sind und daher ein eigener Kleber oder Klebestreifen verwendet werden müsste. Nach intensiven Diskussionen habe man sich aber entschieden, an die Eigenverantwortung der Wählerinnen und Wähler zu appellieren, halten die Koalitionsparteien im von ihnen eingebrachten und bei der Abstimmung mitberücksichtigten Abänderungsantrag fest. Das Recht auf Ausübung des aktiven Wahlrechts wiege schwerer als die Gefahr eines Eingriffs in das Wahlgeheimnis, argumentieren ÖVP und Grüne ähnlich wie Stefan.
Raschere Auszählung von Briefwahlstimmen, mehr Barrierefreiheit
Von Anfang an unumstritten war das Kernziel der Reform, nämlich bereits am Wahltag ein aussagekräftigeres Wahlergebnis zu haben. Erreicht werden soll das insbesondere durch neue Zustellregeln für die Post und eine vorgezogene Auszählung von Briefwahlstimmen. Zudem wird quasi ein individueller Vorwahltag eingeführt, indem es künftig österreichweit möglich sein wird, die Stimme bereits bei Abholung einer Wahlkarte am Gemeindeamt bzw. beim Magistrat abzugeben. Demgegenüber dürfen die Eintragungslokale für Volksbegehren in Hinkunft am Samstag geschlossen bleiben. Neu ist überdies, dass bei der Bundespräsidentenwahl im Falle einer Stichwahl ein "leerer" amtlicher Stimmzettel ohne Namensvordruck zum Einsatz kommt.
Darüber hinaus bringt das Wahlrechtsänderungsgesetz 2023 höhere Entschädigungen für Wahlbeisitzer:innen, eine deutlich höhere Pauschalabgeltung des Wahlaufwands für die Gemeinden und verschiedene Verbesserungen für Menschen mit Behinderung. So werden bis 2028 alle Wahllokale barrierefrei zugänglich sein müssen. Briefwähler:innen werden künftig die Möglichkeit haben, den Status ihrer Wahlkarte (etwa "ausgestellt", "bei der Gemeindewahlbehörde eingelangt") elektronisch nachzuverfolgen. Aus den in Wohnhäusern angeschlagenen Wahlkundmachungen wird nicht mehr hervorgehen, wie viele Personen in einer Wohnung wahlberechtigt sind.
FPÖ: Briefwahl wird besser und sicherer
Im Rahmen der Debatte begrüßte FPÖ-Abgeordneter Stefan insbesondere jene Maßnahmen, die aus seiner Sicht dazu führen, dass die Briefwahl künftig "besser und sicherer wird". Die FPÖ sei, was die Briefwahl betrifft, generell skeptisch, da die Grundsätze des Wahlrechts wie eine unbeeinflusste Stimmabgabe nicht durchgehend gesichert seien, skizzierte er. Mit der Nachverfolgbarkeit von Wahlkarten, der verpflichtenden Samstagsentleerung durch die Post und der Möglichkeit, seine Stimme gleich bei Abholung der Wahlkarte abzugeben, würden aber einige Probleme beseitigt. Wichtig sei der FPÖ auch gewesen, dass der Wahlbeisitz ein Ehrenamt bleibt, sagte Stefan und war sich in dieser Frage mit ÖVP-Abgeordnetem Friedrich Ofenauer einig.
Seitens der SPÖ lobte Abgeordneter Alois Stöger den Verhandlungsprozess und das umfassende Begutachtungsverfahren. Es sei "ein sehr interessanter und spannender Austausch" gewesen, sagte er. Herausgekommen sei ein Ergebnis, "das sich sehen lassen kann". Konkret hoben er und sein Fraktionskollege Christian Drobits etwa die Verbesserungen für Menschen mit Behinderung, die höhere Abgeltung für die Gemeinden und den Verzicht auf die Einführung von Verwaltungsstrafbestimmungen hervor. Das Erfordernis der Barrierefreiheit dürfe aber nicht dazu führen, dass die Zahl der Wahllokale verringert wird, warnte Drobits.
Rund drei Viertel der Wahllokale derzeit barrierefrei
Laut Grünen-Behindertensprecherin Heike Grebien sind österreichweit derzeit rund drei Viertel der Wahllokale barrierefrei. Allerdings gebe es große regionale Unterschiede. So hinkt Wien ihr zufolge mit 56 % hinterher. Ab 2028 werde es aber "keine Ausreden mehr geben", hob sie hervor. Ihre Parteikollegin Agnes Sirkka Prammer zeigte sich insbesondere über die letztlich erzielte "gemeinsame Lösung" erfreut: Für das Funktionieren der Demokratie sei ein freies und gleiches Wahlrecht essenziell, darin seien sich alle Parlamentsfraktionen einig.
Auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl wertete es als erfreulich, dass letztendlich "ein gemeinsamer Nenner" gefunden werden konnte. Künftig werde man schon am Wahlabend ein viel genaueres Wahlergebnis haben als in der Vergangenheit, betonte er. Darauf machte auch sein Fraktionskollege Friedrich Ofenauer aufmerksam. Der Abänderungsantrag bringt laut Gerstl neben der bereits erwähnten Änderung auch einige legistische Verbesserungen.
Ein wenig gebremst wurde die allgemeine Hochstimmung von NEOS-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak. Eigentlich sollte es der Normalzustand sein, dass sich die Regierungsparteien im Zuge des Gesetzgebungsprozesses mit der Opposition zusammensetzen, meinte er. Zudem bedauerte er, dass es auch künftig nicht möglich sein wird, Unterstützungserklärungen für wahlwerbende Parteien – analog zu Unterstützungserklärungen für Volksbegehren – auf einem beliebigen Gemeindeamt in Österreich abzugeben. Das vorliegende Paket bewertete aber auch Scherak überwiegend positiv, etwa was die zusätzlichen Vorwahltage und die Maßnahmen zur Erhöhung der Barrierefreiheit betrifft.
Karner: Modernisierung des Wahlrechts ist Teil des Regierungsprogramms
Innenminister Gerhard Karner wies darauf hin, dass mit dem Wahlrechtsänderungsgesetz auch ein Punkt im Regierungsprogramm abgearbeitet wird. Man habe sich vorgenommen, das Wahlrecht moderner und bürgernäher zu machen, betonte er. Alle Wahllokale bis zum Jahr 2028 barrierefrei zu gestalten, wird seiner Einschätzung nach für manche Gemeinden zwar eine Herausforderung sein, die Vorgabe sei aber umsetzbar.
Ausdrücklich begrüßte Karner außerdem die künftige Nachverfolgbarkeit von Wahlkarten, die Auszählung vieler Wahlkartenstimmen bereits am Wahlabend, die höhere Entschädigung für Gemeinden für den Wahlaufwand sowie den Entfall des Samstags als Eintragungstag für Volksbegehren. Letzteres bringe eine wesentliche Entlastung für viele Mitarbeiter:innen in den Gemeinden, erklärte er. In kleinen Gemeinden sei am Samstag oft keine einzige Unterschrift geleistet worden. (Fortsetzung Nationalrat) gs
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