Der öffentliche Raum ist ein wichtiger Bestandteil im Leben junger Menschen. Bereits in den Jahren vor der Covid-19 Pandemie beobachteten Jugendarbeiter*innen in Wien eine Veränderung in der Nutzung des öffentlichen Raums. Der Verein Wiener Jugendzentren hat daraufhin gemeinsam mit Partner*innen aus Helsinki, Mailand und Stuttgart eine strategische Partnerschaft ins Leben gerufen: Youth in Urban Space (YUS). Das Forschungsprojekt wurde von der Donau Universität Krems wissenschaftlich begleitet, die Ergebnisse wurden am Montag im Rahmen einer internationalen Konferenz in Wien präsentiert.
Eröffnet wurde die Fachkonferenz im Wiener Rathaus von Vizebürgermeister und Jugendstadtrat Christoph Wiederkehr. „Unser Ziel ist, dass Wien zur kinder- und jugendfreundlichsten Stadt der Welt wird. Dieses Projekt liefert weitere Erkenntnisse, wie Jugendliche den öffentlichen Raum in Wien nutzen und bewerten. Sehr erfreulich ist, dass sich junge Wiener*innen sehr gerne im öffentlichen Raum treffen und sie diesen als sehr positiv und sicher bewerten. Auch die Partnerstädte beurteilen vor allem die öffentlichen Verkehrsmittel und das Sicherheitsgefühl in Wien als extrem gut“, betont Wiederkehr.
Wien: Deutlich kleinere Jugendgruppen im öffentlichen Raum
Aus den qualitativen und quantitativen Erhebungen lassen sich für Wien einige interessante Entwicklungen ablesen. So werden die Jugendlichen im öffentlichen Raum jünger, vor allem da die Mobilität der unter 14-Jährigen zunimmt. Ein gutes öffentliches Verkehrsmittel-Netz ist hier der entscheidende Faktor. Auch wenn Jugendliche größere Kreise ziehen, das lokale Wohnumfeld bleibt der signifikante und wichtigste Raum für junge Menschen.
Treffen sich Jugendliche in Gruppen, so sind diese zwar nach wie vor männlich dominiert, jedoch deutlich kleiner als früher. Das wirkt sich auch auf das Gruppenverhalten im öffentlichen Raum aus. Veränderungen in der Gruppenzusammensetzung gibt es auch hinsichtlich der Diversität, wie Werner Prinzjakowitsch, Projektleiter und pädagogischer Bereichsleiter im Verein Wiener Jugendzentren, betont: „Es gibt in Wien nahezu keine ethnisch homogenen Jugendgruppen mehr. Diversität ist unter den Jugendlichen gelebte Realität geworden.“.
Soziale Medien: Wichtiger Faktor für Treffpunkte und Aktivitäten
Die sozialen Medien haben eine Schlüsselfunktion in der Kommunikation zu Treffpunkten und Aktivitäten. Aus den Daten geht allerdings hervor, dass die Nutzung von digitalen Medien nicht davon abhält sich draußen aufzuhalten und sich mit Freund*innen zu treffen. Musik- und Videostreaming (68% bzw. 61%) sind zwar die meistgenannten Aktivitäten, die (fast) täglich ausgeübt werden, allerdings unmittelbar gefolgt vom Treffen mit Freund*innen (57%) und dem Aufenthalt draußen (51%).
Keine dezidierten „No-Go-Areas“ in Wien
Die Jugendlichen selbst bewerten den öffentlichen Raum als sehr positiv und sicher. Es gibt für jede und jeden einen Platz, aber nicht jede und jeder will überall gesehen werden. Geht es nach ihnen gibt es in Wien keine klar definierten „No-Go-Areas“, die Jugendlichen haben individuelle Gründe manche Orte zu meiden. Medial bekannte Orte werden als Aufenthaltsort manchmal gemieden. Weibliche Jugendliche sehen das tendenziell etwas kritischer, sie verbringen auch mehr Zeit im Privaten und unterliegen strengeren Regeln seitens der Familie, wie aus den Daten hervorgeht.
„Gesehen werden oder nicht gesehen werden“ ist generell eine der erwiesenen Ambivalenzen: Der öffentliche Raum ist Bühne für Selbstpräsentation und Selbstinszenierung, es gibt aber auch Menschen, denen Jugendliche nicht begegnen möchte (Verwandte, Bekannte) – das gilt insbesondere für Mädchen, die aus der „Überwachung“ durch die Familie entfliehen wollen.
Internationale Erkenntnisse decken sich großteils mit Wien
Das Projekt identifizierte mehrere städteübergreifende Trends, die jedoch aufgrund der unterschiedlichen Strukturen der Städte in verschiedenen Größenordnungen beobachtet wurden. So hat sich auch in den Partnerstädten bestätigt, dass die Jugendlichen im öffentlichen Raum jünger und die Gruppen kleiner werden.
Allgemein geht im internationalen Vergleich klar hervor, dass sich die Jugendlichen nach wie vor wesentlich lieber persönlich als online treffen. Wien – und mit Abschlägen Stuttgart – stechen dabei klar heraus, wenn es um die Bedeutung des öffentlichen Raums geht. So gaben über 50% der Jugendlichen aus Wien an, sich in ihrer Freizeit häufig draußen aufzuhalten (Stuttgart 45%, Mailand 19%, Helsinki 15%).
Das nahe Wohnumfeld ist neben Wien auch in den anderen Städten der wichtigste Bereich für die Jugendlichen, für Burschen etwas mehr als für Mädchen. 45% aller Befragten treffen sich (fast) immer in ihrem eigenen Bezirk. Durch die bessere Mobilität werden die Stadtzentren wieder öfter aufgesucht, allerdings punktuell und mit sich oft rasch ändernden Lieblingsplätzen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind hier der große Faktor. Rund 65% der Jugendlichen benutzen diese täglich.
Diskrepanz in der Wahrnehmung von Auswirkungen der Pandemie
Eine bemerkenswerte Diskrepanz gibt es in der Wahrnehmung zwischen den Jugendlichen und den Jugendarbeiter*innen in Wien, was die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie betrifft. Während sich die Jugendlichen selbst als eine der am meisten negativ betroffenen Gruppen während der Pandemie wahrgenommen haben, sehen sie nun kaum Folgen der Pandemie für sich. Die Jugendarbeiter*innen sehen das in einigen Punkten anders, vor allem bezüglich des Nutzungsdrucks im öffentlichen Raum, da viele andere Gruppen diesen während der Pandemie für sich entdeckt haben.
Quantitatives und qualitatives Forschungsprojekt
Das Projekt „Youth in Urban Space“ begann im Februar 2021 und endet mit März 2023. Im Zuge des Projekts haben die einzelnen Projektpartner*innen an ihren Standorten Daten zur Bevölkerungs- sowie sozialräumlicher Entwicklung erhoben. Es kam in weiterer Folge zu einem Personalaustausch (Job Shadowing) unter den Organisationen. 24 Jugendarbeiter*innen verbrachten je eine Woche bei einer Partnerorganisation, um dort unter anderem einen qualitativen Forschungsauftrag zu erfüllen. Neben qualitativen Befragungen von Jugendlichen und Jugendarbeiter*innen wurde auch quantitativ mit Online-Fragebögen gearbeitet. In Wien wurden 174 Jugendarbeiter*innen und 692 Jugendliche befragt.
Das Projekt wurde als strategische Partnerschaft im Rahmen von Erasmus+ durch die Europäische Union gefördert.
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. PID Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien