Die sechste Urlaubswoche für Pflegepersonal ab 43 und der Pflegebonus für pflegende Angehörige sind endgültig auf Schiene. Der Bundesrat stimmte in seiner heutigen Sitzung mit Stimmenmehrheit dafür, gegen die entsprechenden Gesetzesbeschlüsse des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben. Damit sind auch die einheitlichen zwei Zeitgutstunden für Nachtdienste in Pflegeheimen und das Einfrieren des vom Dienstgeber zu leistenden Nachtschwerarbeitsbeitrags fixiert. Letzterer wird bei 3,8 % der Bemessungsgrundlage für die Sozialversicherung bleiben.
Weiterhin kritisch äußerte sich die SPÖ. Sie sprach in Zusammenhang mit dem Pflegebonus von einem "Hohn" und wollte auch weitere Gesetzesvorhaben aus dem Zuständigkeitsbereich von Sozialminister Johannes Rauch nicht mittragen. Das betraf etwa Einmalzahlungen für Bezieher:innen von Opferrenten, die bisher noch keinen Teuerungsausgleich erhalten haben, und Bestimmungen im Bauern-Sozialversicherungsgesetz in Zusammenhang mit der bevorstehenden Neufestsetzung der Einheitswerte land- und forstwirtschaftlicher Betriebe. Die diesbezüglichen Nationalratsbeschlüsse blieben ebenso mehrheitlich unbeeinsprucht wie eine ASVG-Novelle, die darauf abzielt, mehrfach begünstigte Selbstversicherungen pflegender Angehöriger zu vermeiden.
Auch das Fachstelle-Normenbeteiligungsgesetz sowie eine Sammelnovelle zur Stärkung des Filmstandorts Österreich haben den Bundesrat passiert. Mit dem neuen Instrumentarium FISA+ können künftig etwa auch Serien, TV-Filme und Streaming-Produktionen gefördert werden. Damit will die Regierung den aktuellen Entwicklungen auf dem audiovisuellen Sektor Rechnung tragen und nicht zuletzt auch global agierende Streaming-Konzerne anlocken. Außerdem werden Standortförderung und Bundeskinofilmförderung zusammengeführt. Die neue Fachstelle Normenbeteiligung ist dazu berufen, Interessen von Verbraucher:innen und von Menschen mit Behinderung bei der Entwicklung und Implementierung neuer Normen wahrzunehmen.
Entschließungsanträge der Opposition fanden hingegen keine Mehrheit. Zum einen war es der SPÖ ein Anliegen, die Produktion von Medikamenten und Wirkstoffen wieder nach Europa und nach Österreich zurückzuholen, zumal es zuletzt wiederholt zu Engpässen bei manchen Medikamenten gekommen ist. Zum anderen drängte sie gemeinsam mit den NEOS darauf, schnellstmöglich eine rechtswirksame Definition für den Begriff "Femizid" zu erarbeiten und geschlechtsspezifische Motive bei Frauenmorden in die Kriminalstatistik aufzunehmen. Die Erhebung von Tätermotiven sei eine wesentliche Voraussetzung für eine umfassendere Gewaltschutzpolitik, machten die beiden Oppositionsparteien geltend.
Novellen zum Nachtschwerarbeitsgesetz und zum Bundespflegegeldgesetz
Rechtlich verankert ist die zusätzliche Urlaubswoche für Pflegepersonal ab 43 im Nachtschwerarbeitsgesetz. Sie wird allen Beschäftigten im Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege – also sowohl dem gehobenen Dienst als auch Pflegefachassistent:innen und Pflegeassistent:innen – zustehen, und zwar unabhängig davon, ob die Tätigkeit in stationären Einrichtungen wie Krankenanstalten und Pflegeheimen oder bei mobilen Diensten verrichtet wird. Auch der Schweregrad der verrichteten Arbeiten oder die Zahl der Dienstjahre spielt keine Rolle. Während einer dreijährigen Übergangsfrist – also bis inklusive 2026 – kann die Entlastungswoche aber finanziell abgegolten werden, sofern sie nicht in Anspruch genommen werden kann.
Der im Bundespflegegeldgesetz verankerte Pflegebonus für pflegende Angehörige wird ab Mitte 2023 wirksam und nicht nur Personen gebühren, die für die Pflege eines oder einer nahen Angehörigen ab Pflegestufe 4 ihren Job aufgegeben haben oder als pflegende Angehörige bzw. pflegender Angehöriger versichert sind. Auch Pensionist:innen und Erwerbstätige mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 1.500 € werden Anspruch darauf haben. Voraussetzung ist in diesem Fall allerdings ein gemeinsamer Haushalt mit der pflegebedürftigen Person und eine seit mindestens einem Jahr dauernde Pflege. Die Höhe des Bonus ist mit 1.500 € pro Jahr festgelegt, ausgezahlt in monatlichen Teilbeträgen, 2023 wird jedoch nur der halbe Bonus (750 €) zur Überweisung gelangen.
SPÖ kritisiert Pflegereform
Kritik an der Pflegereform übte die niederösterreichische SPÖ-Bundesrätin Andrea Kahofer. Der eine oder andere Ansatz der Regierung sei zwar nicht schlecht, meinte sie, insgesamt handle es sich aber um keine große Reform, sondern nur um einen kleinen Anfang. So wird es ihrer Meinung nach nicht gelingen, mit dem bereits im Sommer beschlossenen Gehaltsbonus mehr Menschen in die "fordernden" Pflegeberufe zu bringen. Vielmehr drohe durch die ungleiche Behandlung verschiedener Berufsgruppen eine Spaltung. Viele Mitarbeiter:innen wie Angehörige medizinischer Assistenzberufe oder Hebammen fühlten sich benachteiligt, weil sie keinen Gehaltsbonus erhalten.
Auch die sechste Urlaubswoche ist nach Ansicht von Kahofer "eine sehr unsichere Sache". Pflegekräfte, die wegen des bestehenden Personalmangels nicht einmal fünf Wochen Urlaub nehmen könnten, hätten von einer sechsten Urlaubswoche nichts, meinte sie. Zudem wertete sie den Bonus für pflegende Angehörige als "Verhöhnung". Wenn der Partner vor Ende des ersten Pflegejahres sterbe, bekomme man überdies nichts, auch das Kriterium eines gemeinsamen Haushalts ist ihr zufolge oft schwer zu erfüllen.
Ebenfalls nicht ganz zufrieden zeigte sich die steirische FPÖ-Bundesrätin Andrea Michaela Schartel, wiewohl ihre Fraktion die Vorhaben grundsätzlich unterstützte. So machte sie darauf aufmerksam, dass viele Beschäftigte im Pflegebereich bei längerer Betriebszugehörigkeit bereits zusätzliche Urlaubstage hätten, die nun auf die neue Entlastungswoche angerechnet würden. Zudem befürchtet sie, dass die Zeitguthaben für Nachtdienste wegen des verbreiteten Personalmangels nicht konsumiert werden könnten.
ÖVP und Grüne begrüßen Reformschritte
Ausdrücklich begrüßt wurden die vorliegenden Gesetzentwürfe hingegen von den Bundesrätinnen Claudia Hauschildt-Buschberger (Grüne/OÖ) und Klara Neurauter (ÖVP/T). Man könne immer sagen, "zu wenig und zu spät", meinte Neurauter in Richtung SPÖ. Faktum sei aber, dass der Bund nun 1,5 Mrd. € für ein Paket mit 20 Maßnahmen in die Hand nehme, die zum Teil schon jahrelang gefordert, aber nie umgesetzt worden seien. Auch wenn die Pflegereform damit nicht abgeschlossen sei, sei es wichtig, einmal anzufangen. Konkret hob Neurauter etwa die "Ausbildungsoffensive" und verschiedene Maßnahmen zur Stärkung der häuslichen Pflege wie kostenfreie Pflegekurse und Beratungsgespräche hervor. Auch der Gehaltsbonus werde dauerhaft bleiben, ist sie überzeugt.
Hauschildt-Buschberger wies darauf hin, dass die sechste Urlaubswoche als Entlastungswoche konzipiert sei. Sie soll ihr zufolge dazu beitragen, das Pflegepersonal länger im Beruf zu halten. Auch den Angehörigenbonus sieht sie als "wichtigen Schritt im System". Erstmals gebe es eine finanzielle Anerkennung für bisher unbezahlte "Care-Arbeit".
Mit weiteren Nationalratsbeschlüssen wird sich der Bundesrat in seiner morgigen Sitzung befassen. Dabei geht es unter anderem um die Abschöpfung übermäßiger Gewinne von Energiekonzernen und weitere gesetzliche Maßnahmen in Zusammenhang mit der Energiekrise. Es wird aller Voraussicht nach die letzte Sitzung des Bundesrats im Ausweichquartier des Parlaments in der Hofburg sein, ab Mitte Jänner tagt der Bundesrat – wie der Nationalrat – wieder im historischen Parlamentsgebäude. (Fortsetzung Bundesrat) gs/sox
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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