Korruption und Wirtschaftskriminalität: AK fordert überfälligen Schutz für Whistleblower:innen ein

Wien (OTS) – „Die Aufdeckung von Missständen in Unternehmen darf für Arbeitnehmer:innen kein Glücksspiel bleiben“, fordert AK Jurist Walter Gagawczuk. Die Regierung hätte bis 17.12.2021 – also vor mehr als einem Jahr – die EU-Richtlinie zum Hinweisgeberschutz umsetzen müssen. Zwar wurde Ende letzter Woche im Parlament ein Initiativantrag zur Umsetzung der EU-Richtlinie eingebracht, dieser ist jedoch – wie schon der im Sommer präsentierte Begutachtungsentwurf – verfassungswidrig, europarechtswidrig und völlig unzureichend.

Gagawczuk warnt: „Eine Sparvariante, die den Schutz nur für die Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vorsieht, wäre verfassungswidrig. Und angesichts der Missstände, die in den letzten Jahren aufgedeckt wurden, muss man sagen: Österreich kann sich halbe Sachen bei der Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität nicht mehr leisten.“

Laut dem aktuellen Entwurf (Initiativantrag vom 15.12.2022) würden Beschäftigte in Unternehmen mit bis zu 50 ArbeitnehmerInnen gar nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen und wären insofern gar nicht geschützt. Dies würde beinahe 50 Prozent der Arbeitnehmer:innen und über 98 Prozent der Unternehmen in Österreich betreffen und wäre klar europarechtswidrig. Nach der Richtlinie sind vor Nachteilen auf Grund einer Meldung von Missständen nämlich alle Arbeitnehmer:innen zu schützen.

Die EU-Richtlinie regelt nur den Schutz von Arbeitnehmer:innen bei Hinweisen auf Verstöße gegen EU-Recht. Bei Korruption und Wirtschaftskriminalität ist eine Trennung von österreichischem und EU-Recht aber sinnlos und fast unmöglich. Laut einem Rechtsgutachten von WU-Professor Harald Eberhard im Auftrag der AK wäre eine Beschränkung des Schutzes auf EU-Recht doppelt verfassungswidrig:

+ Dass Whistleblower:innen einmal geschützt sind und einmal nicht, je nach dem, ob EU-Recht betroffen ist oder „nur“ österreichisches Recht, würde dem Gleichheitsgrundsatz widersprechen.

+ Verfassungswidrig wäre die Spar-Variante auch auf Grund der damit verbundenen Rechtsunsicherheit: In jedem Fall müssten über 130 EU-Richtlinien und mehrere hundert daraus abgeleitete Gesetze geprüft werden, um zu entscheiden, ob der Schutz nun greift oder nicht. Das eröffnet einen zu großen Auslegungsspielraum und führt damit zu einer Regelung, die für potentielle Whistleblower:innen kaum kalkulierbar ist.

Die AK fordert:
Beim Schutz von Whistleblower:innen darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. Es muss den vollen Schutz für die Meldung von Missständen geben, angewandt auch auf österreichisches Recht, statt einer halben Lösung mit Einschränkung auf EU-Recht. Der Schutz muss daher auch gelten für Hinweise bei:
+ Verstößen gegen das Steuerrecht – insbesondere Steuerhinterziehung + illegaler Beschäftigung und Sozialbetrug durch Unternehmen
+ Verstöße gegen das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz und Verstöße gegen den Arbeitnehmer:innenschutz (Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen).
+ Delikte des Wirtschaftsstrafrechts wie Korruption, Betrug, Untreue, Bilanzfälschung, Urkundenfälschung.

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