Verfassungsausschuss schickt Wahlrechtsänderungsgesetz in Begutachtung

Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat heute einstimmig beschlossen, das von den Koalitionsparteien vorgelegte Wahlrechtsänderungsgesetz 2023 in Begutachtung zu schicken. Rund 70 Stellen und Einrichtungen werden von den Abgeordneten dezidiert dazu eingeladen, bis zum 9. Jänner 2023 eine Stellungnahme zum Gesetzespaket abzugeben. Adressiert ist die Einladung abseits von Ministerien, Ländern und gesetzlichen Interessenvertretungen unter anderem auch an das Zentrum für Wahlforschung der Universität Wien, den Datenschutzrat, die Grundrechts-Plattform "epicenter.works" sowie verschiedene Behindertenorganisationen wie den Österreichischen Behindertenrat und den Blinden- und Sehbehindertenverband. Ungeachtet dessen besteht für alle interessierten Bürger:innen und Institutionen auch die Möglichkeit, den Gesetzentwurf – wie alle anderen Gesetzesvorhaben – auf der Parlaments-Website zu kommentieren.

Mit dem Gesetzespaket (3002/A) wollen ÖVP und Grüne unter anderem sicherstellen, dass künftig schon am Wahltag ein Wahlergebnis vorliegt, das nahe am Endergebnis liegt. Das soll beispielsweise durch eine unkomplizierte Stimmabgabe bereits bei Abholung der Wahlkarte, neue Zustellregeln und eine raschere Auszählung von Briefwahlstimmen erreicht werden. Daneben sind außerdem Verbesserungen für Menschen mit Behinderung und höhere Entschädigungen für Wahlbeisitzer:innen geplant. Eintragungslokale für Volksbegehren sollen in Hinkunft am Samstag geschlossen bleiben dürfen. Nicht alle Punkte des Entwurfs sind laut Erläuterungen schon bis ins letzte Detail ausgearbeitet, ÖVP und Grüne wollen hierfür noch die Begutachtung abwarten.

Koalition strebt Beschluss im Jänner an

Im Rahmen einer ersten kurzen Debatte bedankte sich Wolfgang Gerstl (ÖVP) bei den Bediensteten des Innenministeriums für die Unterstützung bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs und versicherte der Opposition, dass die ursprünglich vor Einbringung des Antrags geplanten Gespräche mit den anderen Fraktionen nachgeholt würden. Er und Grün-Abgeordnete Agnes Sirkka Prammer hoffen auf eine möglichst breite Zustimmung zum Gesetzespaket. Angestrebt wird laut Gerstl ein Beschluss in der nächsten Sitzung des Verfassungsausschusses Ende Jänner.

Die ersten Signale der drei Oppositionsparteien waren jedenfalls durchwegs positiv. So begrüßte etwa Sabine Schatz für die SPÖ die Intentionen des Antrags, etwa was die Barrierefreiheit betrifft. Sie sieht aber auch noch einige offene Fragen. So gilt es ihr zufolge etwa zu klären, wer die Kosten für eine barrierefreie Umgestaltung sämtlicher Wahllokale tragen soll und wie das angesichts der Vielfalt unterschiedlicher Örtlichkeiten bewerkstelligt werden kann.

Auch die FPÖ ist in weiten Bereichen mit den Vorschlägen einverstanden, wie Harald Stefan erklärte. Seiner Meinung nach würde etwa die künftige Möglichkeit, die Stimme gleich bei der Abholung der Wahlkarte abzugeben, die Qualität des Wahlvorgangs bei Briefwähler:innen erhöhen. Auch eine frühere Auszählung der Briefwahlstimmen wäre für ihn eine gute Entwicklung. NEOS-Verfassungssprecher Nikolaus Scherak äußerte die Hoffnung, dass auch noch Vorschläge der Opposition Eingang in den Entwurf finden werden.

Laut Gerstl werden, was die Barrierefreiheit von Wahllokalen betrifft, bereits Gespräche mit dem Gemeinde- und dem Städtebund geführt. Was nicht passieren dürfe, sei, dass es aufgrund der neuen Vorgaben zu wenig Wahllokale gebe. Innenminister Gerhard Karner hob hervor, dass im Gesetzespaket einige wichtige Punkte enthalten seien.

Möglichkeit zur Stimmabgabe schon bei Abholung der Wahlkarte

Konkret soll es laut Gesetzentwurf künftig in ganz Österreich möglich sein, schon bei der Abholung einer Wahlkarte auf der Gemeinde bzw. beim Magistrat seine Stimme abzugeben. Damit wird quasi ein Vorwahltag eingeführt, da Briefwahl-Beantragung und Stimmabgabe unter einem erfolgen können, wie ÖVP und Grüne in den Erläuterungen festhalten. Außerdem sollen Wahlkarten, die bis Freitagmittag vor der Wahl bei der zuständigen Gemeinde- bzw. Bezirkswahlbehörde eingetroffen sind, möglichst noch am Wahltag ausgezählt werden. Damit sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Wahlergebnis nach Auszählung der übrigen Wahlkartenstimmen – die nach wie vor Montag und Donnerstag nach der Wahl erfolgen soll – noch signifikant ändert.

Um Menschen mit Behinderung das Wählen zu erleichtern, sieht der Gesetzentwurf einen verpflichtenden barrierefreien Zugang zu sämtlichen Wahllokalen, samt barrierefrei erreichbarer Wahlzelle, vor. Zudem sollen die Bereitstellung von Wahlschablonen für Wahlkarten, die Abschrägung des amtlichen Stimmzettels, Mindestschriftgrößen für Drucksorten sowie vermehrte Informationen in einfacher Sprache zur Erreichung dieses Ziel beitragen. Das betrifft etwa das Informationsblatt über die Stimmabgabe mittels Wahlkarte, das in Hinkunft verpflichtend in leicht lesbarer Sprache verfasst sein sollte. Diese Maßnahme könnte auch insgesamt dazu beitragen, die Zahl der ungültigen Briefwahlstimmen zu minimieren. Briefwähler:innen werden künftig außerdem, analog zu den Wahlbehörden, die Möglichkeit haben, den Status ihrer Wahlkarte (z.B. "im Postweg", "bei der Gemeindewahlbehörde") elektronisch zu verfolgen.

Höhere finanzielle Entschädigungen für Wahlbeisitzer:innen

In Bezug auf die Administration von Wahlen schlagen die Koalitionsparteien unter anderem höhere finanzielle Entschädigungen für Wahlbeisitzer:innen vor. Sie sollen künftig bundesweit einheitlich und wertgesichert zwischen 33 € und 100 €, abhängig von der Länge der Öffnungszeit des jeweiligen Wahllokals, erhalten. Ausgezahlt werden soll die Entschädigung steuerfrei, dafür wäre ergänzend zum Gesetzespaket allerdings noch das Einkommensteuergesetz zu ändern, wie in den Erläuterungen festgehalten wird. Auch die künftige Höhe jenes Pauschalbetrags, den die Gemeinden für den Wahlaufwand vom Bund – pro wahlberechtigter Person – bekommen, ist noch offen.

Um in jedem Fall eine ausreichende personelle Besetzung der Wahlkommissionen zu gewährleisten, haben ÖVP und Grüne darüber hinaus eine "Pool-Lösung" für interessierte Bürgerinnen und Bürger angedacht. Dafür müsste allerdings die Bundesverfassung geändert werden, wird in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf angemerkt. Ein solcher Schritt soll ihnen zufolge daher erst nach einer Evaluierung der neuen Bestimmungen in Erwägung gezogen werden.

Kürzere Öffnungszeiten für Eintragungslokale für Volksbegehren

Entlastet werden die Gemeinden in Zusammenhang mit der Auflage von Volksbegehren. Die derzeit bestehende Verpflichtung, die Eintragungslokale auch am Samstag – für zumindest zwei Stunden – offenzuhalten, soll gemäß Gesetzentwurf künftig entfallen. Zudem sind verlängerte Öffnungszeiten bis 20.00 Uhr nur noch für einen Werktag (statt wie bisher zwei) vorgesehen. Begründet wird dieser Schritt damit, dass Volksbegehren seit Inkrafttreten des Volksbegehrensgesetzes 2018 sowohl in jeder beliebigen Gemeinde als auch online – via Handysignatur – unterschrieben werden können.

Auch bei den Wahlkundmachungen in Wohnhäusern planen ÖVP und Grüne Änderungen. Aus diesen wird künftig nicht mehr hervorgehen, wie viele Personen in einer Wohnung wahlberechtigt sind. Im Gegenzug soll die Überprüfung der eigenen Eintragung in die Wählerevidenz per Handysignatur durch einen an der Kundmachung angebrachten QR-Code erleichtert werden. Wer Teilergebnisse einer Wahl – etwa einer Gemeinde – vor Schließung des letzten Wahllokals veröffentlicht, muss künftig mit einer Verwaltungsstrafe (laut Entwurf bis zu 218 €) rechnen.

Weitere Punkte des Gesetzentwurfs betreffen eine verpflichtende "Samstagsentleerung" sämtlicher Briefkästen durch die Post samt zeitgerechter Zustellung der eingelangten Wahlkarten an die Bezirkswahlbehörden, erweiterte Datenverarbeitungen im Zentralen Wählerregister und die ersatzlose Streichung der Gemeindewahlbehörden in Städten mit eigenem Statut. Deren Aufgaben werden die Bezirkswahlbehörden übernehmen. Zudem soll es künftig allen Sprengelwahlbehörden möglich sein, sich gegebenenfalls erst am Wahltag zu konstituieren. Der Zeitpunkt der Ausstellung der amtlichen Wahlinformation wird vorverlegt, die Ausübung mehrerer Funktionen in ein und derselben Wahlbehörde ausdrücklich verboten. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs


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