Nationalrat berät massive Mittelaufstockung für die Landesverteidigung

Im Rahmen seiner Budgetberatungen befasste sich der Nationalrat heute auch mit den Mitteln für die militärische Landesverteidigung. Für diese ist eine erhebliche Steigerung um 604,7 Mio. € bzw. 22,3% gegenüber dem Vorjahr auf nunmehr 3,32 Mrd. € veranschlagt. Die Bundesregierung reagiert damit auf die vorrangig durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Veränderung der sicherheitspolitischen Lage in Europa.

Die Budgetaufstockung stieß grundsätzlich auf Lob aus allen Nationalratsfraktionen. Kritik gab es von der Opposition am Verlauf der Zentralstellenreform, der Bemessung des aktuellen Budgets am Bruttoinlandsprodukt von 2021 sowie an der Einberechnung der Pensionszahlungen. Verteidigungsministerin Tanner und die Koalitionsfraktionen zeigten sich zufrieden mit dem "Rekordbudget" und den damit ermöglichten Investitionen in die Landesverteidigung.

Die Budgetsteigerung schafft die Basis für eine Erhöhung der Investitionen um 66% auf 711,8 Mio. € und des Sachaufwandes um 27,5% auf 1,06 Mrd. €. Unter Letzteres fallen vor allem Instandhaltungen, Heeresanlagen und Werkleistungen. Um 6,5% steigt der Personalaufwand, was aus Bezugserhöhungen und dem Struktureffekt resultiert, da keine zusätzlichen Planstellen vorgesehen sind. Die Einzahlungen bleiben laut Bundesvoranschlag (BVA) mit 50 Mio. € konstant gegenüber dem Jahr 2022.

Bis 2026 erhöhen sich die Auszahlungsobergrenzen gemäß Bundesfinanzrahmengesetz (BFRG) bzw. Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LV-FinG) um weitere 1,39 Mrd. € bzw. 41,8% auf 4,70 Mrd. €. Aus dem Vergleich vom BVA 2022 mit der Auszahlungsobergrenze 2026 ergibt sich eine Zunahme von knapp 2 Mrd. € bzw. 73,3%. Der Anteil der Landesverteidigung an den Gesamtauszahlungen des Bundes soll damit von 2,9% auf 4% anwachsen, wie der Budgetdienst in seiner Untergliederungsanalyse darlegt. Laut Aufbauplan des Österreichischen Bundesheeres 2023-2026 gliedern sich die Investitionen daraus in die drei Kernbereiche Verbesserung der Mobilität der Einsatzkräfte (1,69 Mrd. €), Erhöhung des Schutzes und der Wirkung der Soldat:innen (1,83 Mrd. €) und Autarkie und Nachhaltigkeit zur Stärkung der Verteidigungsbereitschaft (1,02 Mrd. €).

Tanner: Müssen an jedem Eck und an jedem Ende investieren

Verteidigungsminister Tanner bedankte sich eingangs im Plenum  für die Unterstützung aller Fraktionen, das "Rekordbudget" zustande zu bekommen. Seit Beginn der Legislaturperiode sei zum dritten Mal eine Aufstockung gelungen. Mit dem Überfall Russland auf die Ukraine sei die militärische Landesverteidigung wieder ins Zentrum gerückt und erscheine nun so notwendig "wie nie zuvor" – was auch die Raketeneinschläge in Polen vor zwei Tagen wieder ins Bewusstsein gerückt hätten.

Bereits 2023 erlaube die Budgetaufstockung eine Steigerung des Baubudgets um 67%, um die Kasernen "auf Vordermann zu bringen" und 66% mehr Investitionen in die Mobilität zu Luft und zu Lande, so Tanner. Auch die Grundwehrdiener könnten sich zum ersten Mal nach zehn Jahren über eine Erhöhung des Grundentgeltes um 40% freuen. Mit 16 Mrd. € werde das Bundesheer gemäß dem Aufbauplan in den nächsten vier Jahren "in die modernen Zeiten geführt".

Unter dem Motto "Mission Vorwärts" soll auch ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass die Sicherheit die Grundlagen jedweden gesellschaftlichen Zusammenlebens darstelle und daher die soziale Sicherheit nicht mehr gegen die militärische ausgespielt werden dürfe. Ein wesentliches Element der umfassende Landesverteidigung sei laut Tanner gerade in der gegenwärtigen Lage die geistige, die "nicht am Kasernenzaun" ende. Es gelte täglich zu erklären, was zu verteidigen sei.

Mit dem LV-FinG sei auch ein Aufbauplan des Bundesheeres für die nächsten zehn Jahre verbunden, in dem es darum gehe, die Mittelerhöhungen auch "auf die Straße zu bringen", wie Tanner ausführte. Auf die antizipierte Frage, wo in der Landesverteidigung investiert werden müsse, antwortete sie: "Überall, an jedem Eck und an jedem Ende."

SPÖ kritisiert "Behübschung" des Heeresbudgets

Der sozialdemokratische Wehrsprecher Robert Laimer begrüßte die Budgetaufstockung und die damit ermöglichten Investitionen in die Mobilität, den Schutz und die Wirkung der Soldat:innen, die Autarkie der Kasernen und die Cybersicherheit. Sie sei jedoch mit dem "Fauxpas einer völlig verunglückten Zentralstellenreform" behaftet. Um Beschaffungen durchführen zu können müsse nun der neue Posten des Stellvertretenden Generalstabschefs ausgeschrieben werden.

Laut Laimer stelle sich zudem das "als bombastische Leuchtrakete verkaufte Heeresbudget" im internationalen Vergleich als "Adventkerzerl" heraus. Die realen Budgetzahlen bis 2026 lägen mit 0,87% weit unter dem Anspruch von 1% des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Nur durch budgettechnische Maßnahmen wie die erstmalige Einrechnung der Pensionszahlungen, konnte die Bundesregierung die Budgetzahlen "behübschen" wie auch Cornelia Ecker (SPÖ) bemerkte. So sei der Aufbauplan in Wirklichkeit eine Absichtserklärung ohne Nachhaltigkeit. Weiters plädierte Laimer für völlige Transparenz bei den Beschaffungsvorgängen, die Überarbeitung der zehn Jahre alten Sicherheitsstrategie und den Ausbau der österreichischen Friedenmissionen, um dem "Image als Trittbrettfahrer" entgegenzuwirken.

Mario Lindner (SPÖ) zeigte sich zufrieden, dass noch in diesem Jahr der erste Leonardo-Hubschrauber in Österreich landen werde. Er sprach den Wiederbetätigungsfall eines Bundesheer-Offiziers an und bewertete die nunmehrige Verschärfung des Verbotsgesetzes als positiv. "Schockiert" sei er über die Aussagen August Wögingers (ÖVP) zur Überarbeitung der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Lindners Fraktionskollegin Petra Wimmer zweifelte an der Realisierbarkeit der Vorgabe, dass das Bundeheer ab 2032 etwa im Falle eines Blackouts die Bevölkerung für zwei Wochen versorgen können müsse. Sie sah auch die Mittel von 40.000 € für eine Arbeitsgruppe zur Frauenförderung als zu gering an.

ÖVP: In Sicherheitsfragen darf kein politisches Kleingeld gewechselt werden

Angesichts der geopolitischen Lage brauche es jetzt ein gemeinsames Vorgehen aller Fraktionen und keine Fundamentalopposition, wie Friedrich Ofenauer (ÖVP) in Richtung Opposition bemerkte. Mit dem Thema Sicherheit dürfe kein "parteipolitisches Kleingeld gewechselt werden." Das LV-FinG bringe eine nachhaltige Trendumkehr in der Landesverteidigung mit langfristigen finanziellen Absicherungen. Dass die Zentralstellenreform evaluiert werden müsse, sei laut Ofenauer von Beginn an klar gewesen. Mit den nun erfolgten Adaptierungen seien die Beschaffungen sichergestellt. Der Krieg in der Ukraine habe die Notwendigkeit demonstriert, die konventionellen militärischen Fähigkeiten wieder aufzubauen und auch eine Teilnahme am europäischen Luftabwehrsystem "Sky Shield" sei unter Bedachtnahme auf die österreichische Neutralität zu erwägen, wie auch Manfred Hofinger (ÖVP) zu bedenken gab.

Johann Höfinger (ÖVP) bezeichnete die Plenardebatte als "seltsam", da die Opposition nur kritisiere, obwohl das "größte Verteidigungsbudget aller Zeiten" veranschlagt worden sei. Er erinnerte an die ehemaligen Verteidigungsminister von SPÖ und FPÖ, die das Bunbdesheer "heruntergewirtschaftet" hätten. "Entbehrliche semantische Diskussionen" sah Michael Hammer (ÖVP) im Zusammenhang mit der Heranziehung des BIPs von 2021 zur Bemessung des Militärbudgets. Maria Smodics-Neumann (ÖVP) erklärte, dass laut WKÖ bei den geplanten Investitionen das Potential bestehe, dass 70%-90% der Wertschöpfung in Österreich blieben, wodurch auch die Wirtschaft unterstützt werde.

FPÖ sieht "budgetären Taschenspielertrick"

In Österreich müsse immer etwas Tragisches passieren, bevor mehr in die Sicherheit investiert werde, wie Volker Reifenberger (FPÖ) unter Verweis auf das Lawinenunglück in Galtür 1999 konstatierte. Nun habe es erst einen Krieg in Europa gebraucht, damit die lange gültige "Schallmauer von 3 Mrd. € durchbrochen" werde. Die Aufstockung sei jedoch weniger hoch als versprochen, da die Bundesregierung mit dem "Budgettrick" arbeite, die Pensionszahlungen einzurechnen. Nicht mal damit werde das proklamierte Ziel von 1% des BIPs bis 2026 erreicht. Von NATO-Ländern werde ein Verteidigungsbudget von 2% des BIPs verlangt, daher müsste Österreich als neutraler Staat verhältnismäßig noch mehr ausgeben, so Reifenberger. Er brachte zudem einen Entschließungsantrag ein, der auf die Überarbeitung der aus seiner Sicht veralteten Sicherheitsstrategie unter Einbeziehung aller im Hauptausschuss vertretenen Parteien abzielt.

Verteidigungsministerin Tanner spreche von einer "Mission Vorwärts", befinde sich jedoch in einem "Rückzugsgefecht" bezüglich der Zentralstellenreform, erklärte Hubert Fuchs (FPÖ). Zahlreiche Mitarbeiter:innen hätten ihre Leitungsfunktionen über Nacht verloren und seien durch Personen ersetzt worden, die sich keinem objektiven Ausschreibungsverfahren hätten unterziehen müssen. Sowohl die abgesetzten als auch die neuen Leiter:innen bezögen nun das gleiche Gehalt und die Bürger:innen zahlten nun doppelt. Auch Fuchs kritisierte die Heranziehung des BIPS von 2021 zur Bemessung des aktuellen und zukünftigen Verteidigungsbudgets als "budgetären Taschenspielertrick". Gerechnet mit dem jeweils aktuellen BIP, bleibe das Verteidigungsbudget mindestens bis 2026 unter 1%. Zudem werde laut Fuchs angesichts der "Rekordinflation" von der Budgetsteigerung wenig übrig bleiben.

FPÖ-Mandatar Axel Kassegger attestierte der Bundesregierung aufgrund derartiger "Tricks" mangelnde Glaubwürdigkeit. Seiner Meinung nach bringe eine Budgetaufstockung nicht viel, wenn das Bundesheer ständig zu Aufgaben herangezogen werde, die mit militärischer Landesverteidigung wenig zu tun hätten. Das Bundesheer werde laut Kassegger als "Backup-Mistkübel" für alle Aufgaben verwendet, die andere Ministerien nicht leisten wollten.

Grüne: Bundesheer ist nun Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen

Trotz aller von der Opposition vorgebrachten Kritik, sei es ein Faktum, dass das Landesverteidigungsbudget nach Jahren des Sparens und Kürzens nun wieder angehoben werde, führte David Stögmüller von den Grünen aus. Damit sei das Bundesheer den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen und könne langjährige Investitionsrückstände wieder aufholen. Das Geld werde auch nicht im "Beamtenapparat" hängen bleiben, sondern auf "unterster Ebene" bei den Soldatinnen und Soldaten ankommen. Investiert werde auch 1 Mrd. € in die Nachhaltigkeit und Energieunabhängigkeit, um die Resilienz zu stärken. Eine parteiunabhängige Aufsichtskommission soll laut Stögmüller die Beschaffungsvorgänge kontrollieren und die Wehrsprecher:innen aller Fraktionen würden über diese informiert, was bis jetzt nicht der Fall gewesen sei.

Die Raketeneinschläge in Polen vor zwei Tagen hätten den Menschen die fragile sicherheitspolitische Situation Europas wieder vor Augen geführt, wie Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) ausführte. Es sei klar, dass der Krieg nicht nur an den EU-Grenzen stattfinde, sondern die gesamte Sicherheitsarchitektur bedrohe. Die Herausforderungen würde auch für Österreich immer komplexer und das vorliegende Budget werde dem "im ersten Schritt gerecht." Nun starte auch der zivile Friedensdienst aus Österreich mit einem Pilotprojekt im Libanon, das für zwei Jahre angesetzt sei. Damit wolle die Bundesregierung dem Anspruch der aktiven Neutralitätspolitik gerecht werden, so Ernst-Dziedzic. Sie sprach auch die Bedrohungen im Cyber-Bereich an, wo Österreich als neutrales Land ebenfalls einen Schwerpunkt setze.

NEOS bemängeln "Zickzack-Kurs" der Bundesregierung

Auch NEOS-Mandatar Douglas Hoyos-Trauttmansdorff zeigte sich generell mit dem Militärbudget zufrieden, da damit die Versäumnisse der letzten Jahre kompensiert werden könnten. Kritik übte er am "Zickzack-Kurs" der Bundesregierung in sicherheitspolitischen Fragen. Beispielhaft nannte er die Teilnahme Österreichs am europäischen Luftabwehrsystem "Sky Shield", die Tanner noch vor wenigen Wochen aufgrund Österreichs Neutralität ausgeschlossen habe. Mittlerweile habe sie ihre Meinung geändert, was Hoyos-Trauttmansdorff positiv bewertete. Die Debatte dazu sah er jedoch auf einem "elendiglichen Niveau". Es sei von Anfang an klar gewesen dass die Neutralitäts- bzw. NATO-Thematik nicht berührt werde. Viel zu viele "Bauchentscheidungen" und "Schwarz-Weiß-Denken" würden die sicherheitspolitische Debatte prägen, weshalb die zentralen Fragen der Landesverteidigung aus den Augen verloren würden. Durch das Krisensicherheitsgesetz sah Hoyos-Trauttmansdorff das Bundesheer "zum technischen Hilfswerk degradiert", wodurch die Landesverteidigung weiter ausgehöhlt werde und die Zentralstellenreform erachtete er als "kolossal gescheitert". (Fortsetzung Nationalrat) wit

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen.

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