Wien (OTS) – Hohe Budgetdefizite trotz kurzfristiger Inflationsgewinne infolge von temporären Unterstützungsmaßnahmen und konjunktureller Abkühlung; Indexierungen reduzieren zukünftigen Budgetspielraum
Das Büro des Fiskalrates erwartet für die Jahre 2022 und 2023 ein gesamtstaatliches Budgetdefizit von 3,3% und 2,7% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Schnelleinschätzung weist damit im Vergleich zum BMF leicht geringere Budgetdefizite (2022: 3,5%, 2023:
2,9%) aus. Die Prognosen basieren auf der Annahme, dass gegenüber dem Status quo keine neuen Staatsausgaben oder Einnahmenänderungen beschlossen werden und es zu keinem Lieferstopp für Gasimporte aus Russland kommt. Die hohen Budgetdefizite sind von der weiterhin hohen budgetären Wirkung der COVID-19-Maßnahmen und den Teuerungs-Entlastungspaketen der Bundesregierung geprägt. Im Jahr 2022 kompensiert das starke reale Wirtschaftswachstum (laut WIFO:
4,8%) über starke Einnahmenzuwächse (8,8%) einen Teil der budgetären Belastung aus den Maßnahmenpaketen. Der weitere Rückgang der budgetären Belastung aus den COVID-19-Maßnahmen führt 2023 gemeinsam mit dem kurzfristig positiven Budgeteffekt des Inflationsanstiegs zu einem Rückgang des Budgetdefizits. Die erwartete Stagnation (reales BIP-Wachstum 0,2%) wirkt dieser Entwicklung aber entgegen. Die Zinsausgaben in Prozent des BIP steigen 2023 erstmals seit 2009 von 1,0% des BIP auf 1,1% des BIP leicht an. Der aktuell markante Anstieg des Zinsniveaus für österreichische Staatsanleihen führt mittelfristig auch zu einem deutlichen Anstieg der Zinsausgaben. Trotz Primärdefiziten und hohen schulderhöhenden Stock-Flow-Anpassungen (COVID-19- Steuerstundungen aus dem Vorjahr und Unterpari-Emissionen) führt das hohe nominelle BIP-Wachstum 2022 (11,1%) und 2023 (6,0%) zu einem deutlichen Rückgang der Staatsschuldenquote auf 78,3% bzw. 76,8% des BIP.
Inflation stützt Budgetentwicklung nur in der kurzen Frist
Die hohen realisierten und erwarteten Inflationsraten (2022: 8,3%; 2023: 6,5%) führen in den Jahren 2022 und 2023 zu einem deutlichen An-stieg der Steuern und Abgaben, aber auch der Staatsausgaben. 2022 und 2023 ergibt sich aus den hohen Teuerungsraten eine leichte Budgetentlastung, die sich in den Folgejahren umkehrt. Langfristig besitzt die Inflation eine negative Budgetwirkung.
Stagnation stoppt Aufholprozess
Neben dem Einfluss der Inflation auf die gesamt-staatlichen Einnahmen und Ausgaben spiegelt der Budgetpfad auch die reale Wirtschaftsentwicklung (Wachstum des realen BIP 2022: 4,8%; 2023:
0,2%) wider. Nach Beendigung der COVID-19-Einschränkungen setzte im Herbst 2020 ein dynamischer wirtschaftlicher Aufholprozess ein, der bis in die erste Jahreshälfte 2022 anhielt und sich im dritten Quartal abflachte. Dies führte im laufenden Jahr zu einem zusätzlichen Anstieg des Einnahmenaufkommens. Aufgrund der einsetzenden wirtschaftlichen Abkühlung geht das Einnahmenwachstum 2023 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurück.
Weiterhin große budgetäre Belastung durch Maßnahmenpakete
Der starke Anstieg der Inflation Ende 2022 veranlasste die Regierung umfangreiche Teuerungs-Entlastungsmaßnahmen zu beschließen. Gemeinsam mit der Gasreserve und den Maß-nahmen der ökosozialen Steuerreform, deren budgetäre Wirkung mit dem heurigen Jahr einsetzt (in Summe 13,6 Mrd Euro), wird der Wegfall von Teilen der COVID-19-Maßnahmen im Jahr 2022 weitgehend aufgehoben. In Summe verbessert sich der Budgetsaldo aufgrund der budgetären Wirkung der Maßnahmen um 0,2 Mrd Euro. Die bereits 2022 budgetär wirksamen Teuerungs-Entlastungsmaßnahmen zielen auf die zeitliche Überbrückung der verzögerten Preisanpassung der Sozialausgaben, Löhne und Gehälter ab und wirken fast ausschließlich temporär (u. a. Erhöhung Klimabonus und Teuerungsbonus). 2023 und 2024 kommen die ebenfalls zeitlich beschränkten Anti-Teuerungsmaßnahmen der Bundesländer und des Bundes, v. a. die Stromkostenbremse und Unternehmensunterstützungen, hinzu. In Summe betragen die zeitlich beschränkten Maßnahmen der Teuerungs-Entlastungspakete für die Jahre 2022 und 2023 6,6 Mrd Euro und 5,9 Mrd Euro. Die COVID- 19-Maßnahmen führen im Jahr 2023 weiterhin zu hohen budgetären Belastungen im Umfang von 5,2 Mrd Euro (v. a. Investitionsprämie und degressive Abschreibung).
Automatische Indexierungen wirken strukturell
Ab dem Jahr 2023 setzen die permanent (strukturell) wirkenden Maßnahmen des Teuerungs- Entlastungspakets im Umfang von 2,7 Mrd Euro (v. a. Indexierung der Einkommensteuertarifstufen und Valorisierung der Sozialleistungen für Familien) ein. Im gleichen Jahr wird die zweite Stufe der ökosozialen Steuerreform wirksam. Insgesamt verschlechtern diese beiden Maßnahmen-Pakete den Budgetsaldo im Jahr 2023 um 12,5 Mrd Euro.
Indexierung der Einkommensteuertarifstufen repliziert historische Steuerreformen ohne Gegenfinanzierung
Die umgesetzte Indexierung der Einkommen-steuertarifstufen stellt bei historischer Betrachtung seit 2001 weitgehend eine Automatisierung der im Zeitraum implementierten diskretionären Lohnsteuerreformen, die zu einer weit-gehend stabilen Entwicklung der Lohnsteuer-quote führten, dar. Die jetzt umgesetzte Indexierung der Einkommensteuertarifstufen hätte im Vergleich zu den umgesetzten lohnsteuersenkenden Maßnahmen den Budgetsaldo in den Jahren 2001 bis 2022 um durchschnittlich 0,3 Mrd Euro p. a. belastet. Die historischen Steuerreformen wurden von zahlreichen Maßnahmen zur Gegenfinanzierung begleitet. Potenzielle Gegenfinanzierungen werden in der jetzt umgesetzten „Automatisierung“ dieser Reformen je-doch nicht mitgedacht. Damit reduziert sich in Kombination mit der automatischen Indexierung von zusätzlichen Sozialleistungen (v. a. für Familien) der zukünftige budgetpolitische Spielraum.
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