Verkehr, Landwirtschaft, Industrie – in diesen Feldern erwartet die Europäische Kommission von den Mitgliedstaaten mehr Einsatz bei der Umsetzung des Green Deal. Das wurde heute im EU-Ausschuss des Bundesrats deutlich, als Gesetzgebungsvorschläge aus genannten Bereichen diskutiert wurden. Ökologisches Wachstum in der EU dürfe nicht auf Kosten der Versorgungssicherheit und der Wettbewerbsfähigkeit gehen, verdeutlichten ÖVP und FPÖ im Einklang mit der Wirtschaftskammer. Mit den Grünen verabschiedete die Volkspartei allerdings eine lobende Stellungnahme zum EU-Ausbauplan für den Schienenverkehr in Europa. Dazu äußerte sich wiederum neben den Freiheitlichen auch die SPÖ kritisch, da sie ähnlich wie die Arbeiterkammer findet, der Schienenpersonenverkehr gelange im Kommissionsvorhaben gegenüber dem Schienengüterverkehr ins Hintertreffen. Die NEOS plädieren aus Wettbewerbsgründen für eine grenzüberschreitende Vereinheitlichung der Eisenbahnsysteme, etwa hinsichtlich der Verkehrssprache.
Anhand des Rechtsstaatlichkeitsberichts der EU stimmte der Ausschuss gegen einen FPÖ-Vorstoß, der das Rechtsstaatlichkeitsverfahren der Europäischen Kommission gegen Ungarn ablehnt.
Verkehr: Lückenlose Infrastruktur bis 2050
Der europäische Grüne Deal ist die europäische Strategie zur Schaffung einer klimaneutralen und sauberen Kreislaufwirtschaft bis 2050, die weitreichende Änderungen in allen Sektoren der Wirtschaft erfordert. Zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Österreich komme dabei dem Eisenbahnausbau in Europa große Bedeutung zu, schilderte Ausschussobmann Christian Buchmann (ÖVP/St) am Beispiel der Tauern-Pyhrn/Schober Achse zur Nord-Südverbindung. Marco Schreuder (Grüne/W) nannte Österreich als wichtigen Knoten aller europäischer Regionen, nicht zuletzt des Westbalkans. Zwecks beschleunigter Umsetzung des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) schlägt die EU-Kommission nun eine Novellierung der Leitlinien für den Aufbau einer vernetzten Infrastruktur von Luft-, Straßen-, Schienen- und Seeverkehr vor. Dreh- und Angelpunkt dabei ist die Interoperabilität der nationalen Verkehrsnetze im Binnenmarkt, wie ein Experte aus dem Klimaministerium erklärte, weil Österreichs beträchtliche Investitionen gerade im Bahnbereich nur rentabel seien, wenn entsprechende Anschlüsse in den Nachbarstaaten bestünden. Orientiert an den Verkehrsträgern enthält der neue TEN-V-Verordnungsentwurf daher besondere Anforderungen und Karten für die europäischen Verkehrskorridore samt den Verkehrsknotenpunkten.
Trotz grundsätzlicher Unterstützung für mehr Schienenverkehr in Europa verweigerten die Bundesräte Stefan Schennach (SPÖ/W), Michael Bernard (FPÖ/N) und Günther Novak (SPÖ/K) namens ihrer Fraktionen die Zustimmung zum ÖVP-Grünen-Antrag auf Stellungnahme zugunsten der transeuropäischen Eisenbahnpläne der EU. Die Oppositionsparteien vermissen darin die in einer gemeinsamen Länderstellungnahme ebenfalls geforderte Förderung des Schienenpersonenverkehrs, zumal angekündigte zweigleisige Ausbauten fehlten, führte Bernard die Laaer Ostbahn an. Aus dem Klimaministerium hieß es dazu, man sehe die Bedeutung der Züge im Personennahverkehr, gerade in den Regionen und wolle einen entsprechenden Eisenbahnausbau bis 2040 vorantreiben.
Umzusetzen wäre ein lückenloses, hochwertiges transeuropäisches Verkehrsnetz laut Kommissionsplan bis 2050. Im Sinne des Klimaschutzes sollen dabei nachhaltige Verkehrsträger wie die Eisenbahn und andere schadstoffarme Transportmittel gefördert werden. Unter anderem durch eine grenzüberschreitend kompatible Ladeinfrastruktur. Immerhin soll die EU gemäß europäischem Grünen Deal die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen bis 2050 um 90% verringern, um das Null-Schadstoff-Ziel zu erreichen. Zuständig für Schaffung und Erhalt von Verkehrsinfrastruktur sind und bleiben jedoch die Mitgliedstaaten, gab der Ministeriumsexperte zu bedenken, auch wenn seitens der EU sogenannte "europäische Koordinator:innen" den Ausbau forcieren sollen. Von der Arbeiterkammer wurde dazu kritisiert, bislang fänden sich auf EU-Ebene nur Interessensvertretungen des Schienengüterverkehrs in entsprechenden Gremien zum TEN-V-Ausbau, "zu Lasten des Personenschienenverkehrs".
Landwirtschaft: Chemischen Pflanzenschutz bis 2030 halbieren
Bis 2030 strebt die EU-Kommission im Rahmen des Green Deal die unionsweite Verringerung um 50 % bei chemischen bzw. umwelt- oder gesundheitsschädigenden Pflanzenschutzmitteln an. Gefördert werden soll im Gegenzug der biologische Landbau. Eine diesbezügliche Richtlinie will die Kommission nun in eine Verordnung umwandeln, damit die Umsetzung in den Mitgliedstaaten beschleunigt wird. In einer gemeinsamen Länderstellungnahme unterstützen die Bundesländer zwar generell das Ziel der Ökologisierung der Landwirtschaft, sie kritisieren aber das angedachte Rechtsmittel einer direkt wirksamen Verordnung in diesem Zusammenhang als subsidiaritätswidrig. Auch weitere Punkte im Entwurf sind aus Ländersicht nicht mit der Kompetenzverteilung in der EU vereinbar, etwa dass Mitgliedstaaten von Brüssel zur Einhaltung nationaler Reduktionsziele durch verbindlich vorgeschlagene Maßnahmen verpflichtet werden. Oder dass elektronische Register eingeführt werden, die Aufschluss über den integrierten Pflanzenschutz samt dafür eingesetzter Gerätschaft sowie entsprechende Ausbildungen in einem Mitgliedstaat geben. Das Landwirtschaftsministerium und die Wirtschaftskammer teilen diese Kritik weitgehend, zumal nationale Vorleistungen im Entwurf noch nicht berücksichtigt würden, so eine Expertin des Landwirtschaftsressorts. Laut Wirtschaftskammer wurde seit 2011 der Einsatz synthetischer Pflanzenschutzmittel hierzulande bereits um 20% reduziert.
Aus der bäuerlichen Praxis berichtete Martin Preineder (ÖVP/N) und warnte, mit einer Umsetzung der Verordnung wäre die Versorgungssicherheit der Bevölkerung nicht mehr zu gewährleisten. "Österreich hat eine Vorreiterrolle in der biologischen Landwirtschaft", so Preineder. Falls auch in Bio-Betrieben eingesetzte "Medikamente" zur Schädlingsbekämpfung im Anbau noch weiter reduziert werden müssten, könne auch die Produktqualität nicht mehr gewährleistet werden. Stefan Schennach (SPÖ/W) hingegen betonte, "wir haben den Anspruch auf Lebensmittel, die nicht kontaminiert sind". Seinem Verständnis nach sei der Verbrauch von besonders gefährlichen Pestiziden in Österreich in den letzten Jahren gestiegen. Ein Vertreter der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) im Ausschuss erklärte daraufhin das auf Wirkstoffe abgestellte Genehmigungssystem bei Pflanzenschutzmitteln, wodurch auch Kupfer, das mittlerweile 30% der eingesetzten Produkte in Österreich ausmache, einbezogen werde. Johannes Hübner (FPÖ/W) befand, angesichts der klimatischen Unterschiede in den EU-Ländern müssten agrarische Vorgaben in der Länderkompetenz verbleiben. Im Sinne der Ernährungssicherheit solle dem Insektensterben mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden, befand Marco Scheuder (Grüne/W) mit Verweis auf deren Bestäuberfunktion.
Industrie: Null-Schadstoff-Ziel soll ausgeweitet werden
Der Schutz von Gesundheit und Umwelt, also von Luft, Wasser und Boden, ist auch das übergeordnete Ziel der Industrieemissionenrichtlinie der EU, die seit 2010 nicht geändert worden ist. Die EU-Kommission sieht daher nun Handlungsbedarf, den Schadstoffausstoß großer Industrie- und Nutztieranlagen stärker zu beschränken, unter Beibehaltung gleicher Wettbewerbsbedingungen, wie sie betont. In ihrem Entwurf umfasst das Null-Schadstoff-Ziel neben den CO2- und Methan-Emissionen auch schädliche Chemikalien. Demnach sollten nicht nur im nachgelagerten Bereich, beispielsweise auf der Ebene von Abwasserbehandlungsanlagen, Maßnahmen ergriffen werden, sondern auch im vorgelagerten Bereich, wo Stoffe produziert und verwendet werden. Zur Sicherstellung der Zielerreichung behält sich die Kommission vor, delegierte Rechtsakte zu erlassen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Geflügel-, Schweine- und Rinderhaltung. In Österreich wäre jedoch kein großer Anstieg von Landwirtschaftsbetrieben, die von den Emissionsvorgaben umfasst sind, zu erwarten, meinte eine Vertreterin des Klimaschutzministeriums dazu.
Ein großes Anliegen der Wirtschaftskammer, dem sich Sonja Zwazl (ÖVP/N) anschloss, ist, den Bergbau aus der Richtlinie herauszunehmen, da dieser "schon auf EU- und nationaler Ebene umfassend geregelt ist".
Rechtsstaatlichkeit: Österreich setzt EU-Empfehlungen um
Eine Vertreterin aus dem Bundeskanzleramt (BKA) präsentierte dem Ausschuss abschließend den Rechtsstaatlichkeitsbericht 2022 der Europäischen Kommission, in dem jedem Mitgliedstaat ein Kapitel gewidmet ist. Hervorgehoben werden die Bemühungen vieler EU-Länder, bei der Korruptionsbekämpfung die zuständigen Behörden entsprechend internationaler Standards zu stärken und Journalist:innen bei ihrer Arbeit besser zu schützen. Hinsichtlich der institutionellen Gewaltenteilung hält der Bericht vielerorts Verbesserungen bei der Gesetzgebung fest. Verfassungsgerichten wird eine Schlüsselrolle beim Schutz vor staatlicher Willkür zugeschrieben. Gleichzeitig habe die Kommission bei einigen Mitgliedstaaten weiterhin strukturelle Bedenken bezüglich der justiziellen Unabhängigkeit, etwa bei Ernennungen an Gerichten höherer Instanz, erläutert das BKA. Deren Expertin beschrieb die sechs aktuellen Kommissionsempfehlungen an Österreich und meinte, großteils seien entsprechende Reformen bereits angegangen worden, etwa bei der Parteienfinanzierung.
Grundsätzliche Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Kommissionsberichts brachte Johannes Hübner (FPÖ/W) vor, der außerdem beanstandete, nur "missliebige Länder" würden von der Kommission mit Rechtsstaatlichkeitsverfahren bedacht. Gegen diese "Gängelung nicht politisch-korrekter Staaten" brachte er einen Antrag auf Stellungnahme ein, worin sich die FPÖ auf die Seite der ungarischen Regierung stellt und fordert, Österreich solle "gegen willkürliche Strafmaßnahmen der Europäischen Kommission gegen den EU-Mitgliedstaat Ungarn" stimmen. Die übrigen Fraktionen stimmten dieser Forderung nicht zu, immerhin sei Ungarn freiwillig der EU und ihrer Wertegemeinschaft beigetreten, wie Marco Schreuder (Grüne/W) erinnerte. "Bei der Rechtsstaatlichkeit darf es keine Abstriche geben", hielt Andrea Eder-Gitschzhaler (ÖVP/S) fest, zudem befinde sich Ungarn in stetem Dialog mit der EU und könne mit Gesetzesänderungen Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit im Nachhinein ausbessern. (Schluss) rei
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