Nationalrat: Erneute Diskussion über Corona-Impfpflicht aufgrund der Einleitung von zwei Volksbegehren

Obwohl die COVID-19-Impfpflicht bereits vor dem Sommer abgeschafft wurde, musste sich der Nationalrat heute abermals diesem Thema widmen. Im Rahmen einer sogenannten Ersten Lesung debattierten die Abgeordneten über zwei diesbezügliche Volksbegehren, die beide mehr als 100.000 Unterschriften erzielt hatten. Während in der ersten Initiative das Argument, dass die Bevölkerung nicht zur Teilnahme an einem "gentechnischen Experiment" verpflichtet werden dürfe, ins Treffen geführt wurde, wollten die Initiator:innen des zweiten Volksbegehrens das Impfpflicht-Verbot in der Verfassung verankern. Beide Vorlagen wurden dem Gesundheitsausschuss zugewiesen.

"NEIN zur Impfpflicht" und "Impfpflichtabstimmung: NEIN respektieren"

Noch vor den Beschlüssen im Nationalrat und Bundesrat im Juli dieses Jahres, die das Aus für die COVID-19-Impfpflicht besiegelten, wurden die beiden heute zur Diskussion stehenden Volksbegehren eingeleitet. So sprachen sich 246.878 Personen für ein dezidiertes " NEIN zur Impfpflicht " aus, weil damit der Staat das "Volk zur Teilnahme an einem gentechnischen Experiment zwingen" wolle. Insbesondere minderjährige Kinder müssten von der Verpflichtung zur COVID-19-Mehrfachimpfung ausgenommen werden. Da die Mortalitätsrate bei SARS-CoV-2-Infizierten bei minimalen 0,3% liege, sei es unverständlich, warum "der ganze Hokuspokus" rund um Corona inszeniert werde. Jährlich würden bis zu 6.000 Menschen an der "ganz normalen" Grippe sterben, heißt es in der Begründung. Mittlerweile überholt sind auch die Anliegen des zweiten Volksbegehrens zu diesem Thema mit dem Titel " Impfpflichtabstimmung: NEIN respektieren ", das von 246.476 Personen unterstützt wurde. Darin wird der Nationalrat aufgefordert, den Willen des Volkes umzusetzen und eine Impfpflicht dezidiert auszuschließen.

ÖVP und Grüne verteidigen damaligen Entschluss für eine Impfpflicht

Abgeordnete Martina Diesner-Wais (ÖVP) erinnerte noch einmal an die Chronologie der Einführung der Impfpflicht gegen COVID-19. Da Österreich im November 2021 vor einem neuerlichen Lockdown stand, gab es einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens, eine verpflichtende Impfung gegen SARS-CoV-2 vorzusehen. Auch die Wissenschaftler:innen waren sich darin einig, dass mit diesem Instrument die Pandemie gut und rasch bewältigbar sein würde. Als sich vor dem Sommer die epidemiologischen Rahmenbedingungen deutlich geändert haben, wurde die Impfpflicht als nicht mehr verhältnismäßige Maßnahme eingestuft und in der Folge abgeschafft. Dadurch seien ihrer Meinung nach aber auch die Anliegen der Volksbegehren obsolet.

Die in den Volksbegehren angeführten Begründungen würden einem wissenschaftlichen Diskurs nicht standhalten, gab Abgeordneter Ralph Schallmeiner von den Grünen weiters zu bedenken. Es habe sich beim Beschluss zur Einführung der Impfpflicht, dem zahlreiche Hearings mit Expert:innen vorausgegangen seien, um keine leichte Entscheidung gehandelt. Nach ein paar Monaten habe man jedoch gesehen, dass die Vorteile dieser Maßnahme nicht mehr überwiegen würden, weshalb die Impfpflicht wieder abgeschafft wurde.

SPÖ übt massive Kritik am Corona-Krisenmanagement der Regierung und sieht sich durch Rechnungshofbericht bestätigt

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher befasste sich vor allem mit dem Corona-Krisenmanagement der Regierung, das nun auch von Seiten des Rechnungshofs massiv kritisiert wurde. Bedauerlicherweise werde der Bericht darüber aber erst zu später Stunde im Plenum behandelt. Der internationale Vergleich zeige, dass Österreich deutlich schlechter durch die Pandemie gekommen sei als viele andere europäische Länder. Nicht funktioniert hätten etwa die zentrale Koordination durch das Gesundheitsministerium oder die Zusammenführung der relevanten Daten. Nur in einem einzigen Punkt sei Österreich Vorreiter gewesen, hob Kucher hervor, nämlich bei den Milliarden-Ausgaben, von denen einige im Umfeld der ÖVP profitiert hätten. Generell habe die Regierung während der Corona-Pandemie sehr viel Vertrauen verspielt, urteilte Mario Lindner (SPÖ). Statt aus den Fehlern zu lernen, würden aber wieder Fehler gemacht, wie etwa im Fall der Impfung gegen Affenpocken.

FPÖ: Regierung hat durch Impfpflicht großen Schaden angerichtet

Auch wenn im vorliegenden Fall einmal die Realität die parlamentarischen Prozesse überholt habe, so handle es sich um berechtigte Sorgen und Anliegen von zahlreichen Bürger:innen, konstatierte der freiheitliche Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak. Seine Partei werde jedenfalls weiter dafür Sorge tragen, dass jeglicher Impfzwang abgeschafft bzw. nicht eingeführt werde. Er bezeichnete das Impfpflichtgesetz als einen der größten gesundheitspolitischen Fehler, den die Bundesregierung je gemacht habe, da es massiv zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen habe. Außerdem habe auch die Inanspruchnahme von anderen etablierten Schutzimpfungen, wie z.B. jene gegen Masern oder gegen Kinderlähmung, deutlich gelitten. Es wäre daher höchst an der Zeit, eine neue nationale Impfstrategie zu entwickeln, die auf Freiwilligkeit und Aufklärung basieren müsse, forderte Kaniak.

Sein Fraktionskollege Gerald Hauser gratulierte den Initiator:innen der Volksbegehren, die maßgeblich zur Änderung der Haltung der Regierungsfraktionen beigetragen haben. Kritik übte er vor allem am heutigen Fernbleiben des Gesundheitsministers sowie daran, dass sich kein Politiker von ÖVP und Grünen bei der Bevölkerung für die gesundheitspolitischen Fehlentscheidungen entschuldigt habe. Nicht aus der Verantwortung stehlen könne sich auch die SPÖ, die immer alles mitgetragen habe, zeigte FPÖ-Vertreterin Dagmar Belakowitsch auf. Nachdem beide Initiativen von rund einer Viertelmillion Menschen unterschrieben wurden, haben sie es sich verdient, im Parlament ernst genommen zu werden, plädierte Abgeordneter Christian Ries (FPÖ).

NEOS: Volksbegehren nutzen, um die richtigen Lehren aus der Bewältigung der Pandemie zu ziehen

NEOS-Mandatarin Fiona Fiedler sprach von einer "überholten Debatte", da die Impfpflicht bereits abgeschafft wurde. Die beiden Volksbegehren würden jedoch zeigen, dass dieses Thema der Bevölkerung noch immer wichtig sei. Die Ursache dafür liege ihrer Meinung nach in dem schlechten Pandemiemanagement der politisch Verantwortlichen, das nicht nur zu langsam und zu behäbig gewesen sei, sondern sich auch durch eine inadäquate Kommunikation ausgezeichnet habe. Auch wenn man täglich sehen könne, dass die Corona-Impfung wirke, scheitere es offenbar noch zu oft an der Kompetenz, Korrelation und Kausalität auseinander zu halten. (Fortsetzung Nationalrat) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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