Wien (OTS) – Gestern, Donnerstag, lud Wiens Bürgermeister Michael Ludwig zum sommerlichen Kabarett-Abend „100 Jahre Bronner und Kreisler – Der g’schupfte Ferdl geht Tauben vergiften im Park“ in den Arkadenhof des Rathauses. Viele prominente Gäste aus Politik, Wirtschaft, Medien und Kultur waren Zeug*innen des Theaterstücks über zwei Legenden der Satire. Bürgermeister Ludwig hielt die Eröffnungsrede.
Ludwig wies zu Beginn auf das schockierende Attentat auf den Schriftsteller Salman Rushdie vor wenigen Tagen hin, welches die literarische Welt erschüttert hat. Rushdie sei ein Mensch, der „stets von seinem Recht auf Meinungsfreiheit Gebrauch gemacht hat“. Ludwig erwähnte dabei auch den Besuch Rushdies in Wien, als Kulturminister Scholten ihm 1994 den Staatspreis überreichte. „Das war damals ein weltweit viel beachtetes Statement für die Freiheit der Meinung und gegen Hass und Verfolgung.“ Er wünsche Salman Rushdie und seiner Familie viel Kraft und einen starken Lebens- und Schaffenswillen, so der Bürgermeister.
Moralische Instanzen mit Konsequenz und Schonungslosigkeit
Ebenfalls kein Blatt vor den Mund nahmen sich, laut Ludwig, auch die beiden Kabarettisten, Autoren, Satiriker und Liedermacher, Gerhard Bronner und Georg Kreisler, die „Helden des Abends“. Die beiden Künstler zählen zu den Legenden der Wiener Kabarettszene der Nachkriegsjahre und schwammen gegen den Strom. Ihre Bekanntheit verdanken sie unter anderem dem „G’schupften Ferdl“ von Gerhard Bronner und dem Song „Taubenvergiften im Park“, führte Ludwig weiter aus. „Ihr Ruhm machte ihr Leben aber nicht gerade einfach. Auch sie machten bittere Erfahrung mit Ablehnung, existenzieller Bedrohung, Flucht und Exil.“
Ludwig bezeichnete die beiden Künstler in seiner Rede als „ganz wesentliche moralische Instanzen und Korrektive bei der Identitätsfindung der neuen Republik. Sie prangerten Fehlentwicklungen an, wie etwa Bronner mit dem Gassenhauer ‚Der Papa wird’s schon richten‘ oder Kreisler mit seinem Spottlied über ‚Staatsbeamte‘“. Gerhard Bronner und Georg Kreisler hatten eine „enttabuisierende Funktion inne“, sagte Bürgermeister Ludwig. „Diese haben sie mit Konsequenz und Schonungslosigkeit betrieben.“
Abschließend bedankte sich der Wiener Bürgermeister auch bei den Künstler*innen, die mit dem Theaterstück den unvergleichlichen Humor Bronners und Kreislers wiederaufleben lassen.
Das Stück
„100 Jahre Bronner und Kreisler – Der g’schupfte Ferdl geht Tauben vergiften im Park“ ist die Geschichte zweier genialer Liedermacher, die Freunde waren, zu Feinden wurden, und trotzdem einander immer zugetan waren. Es erzählt ein Jahrhundert aus der Sicht von zwei Wiener Juden, die gegensätzlicher nicht sein konnten. Doch eine Gemeinsamkeit konnten sie nie ablegen: Wien. Auf der Bühne stehen Bela Koreny, Karl Markovics, Ursula Strauss, Katharina Strasser, Ethel Merhaut und Wolf Bachofner.
Der Eine: Gerhard Bronner
Bronner wurde 1922 geboren und wuchs in Wien-Favoriten als Sohn eines Tapezierers auf. Er floh mit 15 Jahren in die damalige Tschechoslowakei, verdiente dort als Fensterputzer, Kofferträger und Straßensänger sein Geld. Als alle Flüchtlinge das Land verlassen mussten, wählte er Palästina als neue Heimat. Dort arbeitete er als Barpianist, Komponist und Mitarbeiter der lokalen BBC-Station. Nach seiner Heimkehr startete er 1952 seine erste Kabarettrevue. 1955 wurde Bronner musikalischer Leiter beim NDR, wo er auch die hochdeutsche Fassung vom „G’schupften Ferdl“ herausbrachte; gewöhnungsbedürftiger Titel: „Der blasse Gustav“. Im Künstlertreff „Marietta-Bar“ (später „Fledermaus“) kreuzten sich seine Wege mit jenen von Georg Kreisler. In den 1960er nahm sich Bronner in der TV-Kabarettserie „Das Zeitventil“ kein Blatt vor den Mund. Junge Talente, wie Marianne Mendt mit der „Glock’n, die 24 Stundn leit“ verdankten ihm den Karriere-Kick. Für den ORF moderierte Bronner die Sendung „Schlager für Fortgeschrittene“ und wirkte im Radiokabarett „Der Guglhupf“ mit.
1988 übersiedelte Gerhard Bronner in die USA. Einer der Gründe war das zunehmend feindselige politische Klima in Österreich. Gerhard Bronner kehrte im Jahr 1993 ein zweites Mal nach Wien heim und absolvierte Auftritte mit seinen populärsten Songs. Er verstarb 84-jährig am 19. Jänner 2007 in einem Wiener Krankenhaus an den Folgen eines Schlaganfalls. Gerhard Bronner war Träger des Goldenen Ehrenzeichens der Stadt Wien und des Johann-Nestroy-Rings der Stadt Wien. Beim neuen Wiener Hauptbahnhof erinnert die Gerhard-Bronner-Straße an den Favoritner von Weltrang.
Der Andere: Georg Kreisler
Kreisler wurde 1922 als Sohn eines Anwalts geboren und begann bereits mit sieben Jahren mit dem Klavierspielen. Im April 1938 wurde er mit den anderen jüdischen Schülern vom Unterricht ausgeschlossen. Glücklicherweise gelang es der Familie, über Genua und Marseille in die USA zu emigrieren. In Hollywood konnte sich Georg bald erste Sporen verdienen. Kreisler wurde 1943 amerikanischer Staatsbürger und zur US-Armee eingezogen. In England organisierte er zusammen mit Marcel Prawy Events für die Soldaten der D-Day-Truppen. Nach Kriegsende begegnete er als Verhörspezialist Nazi-Bonzen wie Göring und Kaltenbrunner. Nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten arbeitete er als Filmkomponist mit Koryphäen wie Charlie Chaplin zusammen. Die eigenen Songs, die er auf einer US-Tournee präsentierte – darunter Titel wie „Please Shoot Your Husband“ oder „My psychoanalyst is an idiot“ –, waren vielen Amerikaner*innen zu makaber, zu schwarz, zu „unamerikanisch“.
1956 kehrte Kreisler zurück nach Wien und traf hier mit Gerhard Bronner, Hans Weigel, Peter Wehle und Helmut Qualtinger zusammen. Er wurde Mitglied des sogenannten „Namenlosen Ensembles“. Und auch dort machte sich der bekennende „Anarchist“ mit Liedtiteln wie dem mittlerweile legendären „Tauben vergiften im Park“ keineswegs nur Freunde – eine Zeitlang waren seine Chansons im Österreichischen Rundfunk verboten. Ab 1958 gab er mit seiner dritten Ehefrau Topsy Küppers Chanson-Abende in München. Pläne zur dauerhaften Auswanderung nach Israel platzten. Schließlich fand er in Salzburg seinen Hafen. Im November 2011 verstarb Georg Kreisler 89-jährig in Salzburg an einer schweren Infektion. Er war Träger des Goldenes Ehrenzeichens der Stadt Wien. (Schluss) kri
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