„kulturMontag Spezial“ live von den Salzburger Festspielen: Mit Hinterhäuser, Trojanow, Castellucci, Steier u. a.

Wien (OTS) – Den ORF-Programmschwerpunkt zu den Salzburger Festspielen 2022 eröffnet heuer die bereits traditionelle „kulturMontag“-Spezialausgabe live aus der Festspielstadt: Am 25. Juli um 22.30 Uhr in ORF 2 begrüßt ORF-TV-Kulturchef Martin Traxl zu einer Sondersendung aus dem Malersaal des Großen Festspielhauses, die unter dem Motto „Zwischentöne des Nachdenkens: Die Salzburger Festspiele in Zeiten von Krisen und Krieg“ steht und mit zahlreichen illustren Gästen aufwartet. Darunter Intendant Markus Hinterhäuser, der diesjährige Festredner Ilija Trojanow sowie Festspielkünstlerinnen und -künstler wie u. a. die Regisseure Romeo Castellucci und Lydia Steier, Sopranistin Regula Mühlemann und Schauspielerin Angela Winkler, die mit einer musikalischen Brecht-Darbietung aufhorchen lässt. Anschließend blickt die ORF-Dokumentation „Eine Stadt als Bühne“ (23.30 Uhr) von Werner Horvath auf die Festspielgeschichte Salzburgs zurück.

Details zum „kulturMontag Spezial“:

Die Salzburger Festspiele, erdacht als durchaus politisches Friedensprojekt nach dem Zweiten Weltkrieg, in einer Zeit, in der politisch, sozial und kulturell alles aus den Fugen geraten war, stehen 102 Jahre nach ihrer Gründung wieder im Zeichen von Krisen und Krieg. Sich der Welt gerade in solchen Zeiten mit den Mitteln der Kunst zu stellen, um die großen Fragen der Menschheit zu verhandeln, ist seit jeher Auftrag des international renommierten Kulturereignisses. Dantes „Göttliche Komödie“, eines der großen Menschheitswerke, steht für Intendant Markus Hinterhäuser als programmatischer Leitgedanke in diesem Jahr über dem Festival. Er will sein Programm als tiefe Reflexion über die Conditio humana verstanden wissen und hat in internationalen Stars wie Romeo Castellucci, Asmik Grigorian, Franz Welser-Möst, Joana Mallwitz, Regula Mühlemann, Verena Altenberger oder Lars Eidinger hochkarätige Mitstreiter/innen gefunden.

Angesichts der aktuellen Weltlage sieht Markus Hinterhäuser in dem bulgarischen Schriftsteller Ilija Trojanow den idealen Festspielredner. Der 56-jährige „Weltensammler“ mit Wohnsitz in Wien gilt nicht nur als einer der engagiertesten Literaten seiner Generation, sondern auch als Mahner für Toleranz und Diskurs. Der Titel seiner Rede: „Der Ton des Krieges, die Tonarten des Friedens“. Ein allgegenwärtiges Thema, steht doch Europa vor der Aufgabe, den Frieden auf dem Kontinent wieder herzustellen und ihn langfristig zu sichern. Die Folgen des russischen Angriffskriegs sind längst nicht nur auf die Ukraine beschränkt: Massive humanitäre, ökonomische und ökologische Notlagen sind nicht nur in Europa, sondern bereits auf der ganzen Welt spürbar – mit einer nachhaltigen Destabilisierung der globalen Lage ist zu rechnen. Wie ist das Verhältnis zwischen Kunst und Macht? Was kann die Kunst in Zeiten von Krisen und Krieg? Intendant Markus Hinterhäuser und Ilija Trojanow sind live zu Gast bei Martin Traxl. Den Eröffnungs-Festakt mit Trojanows Rede überträgt der ORF am Dienstag, dem 26. Juli, live aus der Felsenreitschule ab 10.45 Uhr in ORF 2 und 3sat.

Eine Art „Russophobie“ macht sich auch in der Kunstszene breit. Darf man noch Tschaikowsky, Rachmaninow oder Schostakowitsch spielen, Dostojewski, Gogol oder Tschechow aufführen? Geschweige denn lebende russische Künstlerinnen und Künstler engagieren? Während Valery Gergiev bereits als persona non grata gilt und Anna Netrebko sich ob ihrer späten Distanzierung zu Putins Angriffskrieg ins Abseits der Klassikwelt katapultiert hat, steht der griechisch-russische Stardirigent Teodor Currentzis nach wie vor im Kreuzfeuer der Kritik. Nach dem fulminanten Erfolg im Vorjahr mit Mozarts „Don Giovanni“ kehrt er gemeinsam mit Regisseur Romeo Castellucci in die Felsenreitschule für eine ungewöhnliche Eröffnungspremiere zurück:
Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ und Carl Orffs „De Temporum fine Comoedia“. Lauthals wird von Currentzis eine klare Distanzierung zu Putin gefordert. Werden die Salzburger Festspiele zum Prügelknaben, weil sie an dem Künstler Currentzis festhalten? Regisseur Romeo Castellucci ist live zu Gast.

Am eindrücklichsten spiegelt sich Hinterhäusers Referenz an Dantes „Göttliche Komödie“ wohl in Giacomo Puccinis Werk „Il trittico“ wider. Der Komponist spannt in dem mitten im Erste Weltkrieg geschriebenen dreiteiligen Zyklus aus den drei Einaktern „Gianni Schicchi“, „Il Tabarro“ und „Suor Angelica“ den Bogen zwischen Himmel, Hölle und dem Fegefeuer und beleuchtet darin die Facetten der menschlichen Existenz. Das selten an einem Abend gespielte Triptychon, bei dem „Gianni Schicchi“ den anderen beiden Stücken meist den Rang abläuft, zeigt Schicksale, die wenig Hoffnung haben und im Mahlwerk der Unfreiheit gefangen sind. Drei Frauen stehen hier im Zentrum: Superstar Asmik Grigorian singt alle drei Partien, Christof Loy inszeniert und die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Franz Welser-Möst bringen diese aufsehenerregende Produktion prachtvoll zum Klingen. Der ORF überträgt „Il trittico“ im Radio und TV: Die Premiere am Freitag, dem 29. Juli, live um 18.00 Uhr in Ö1 sowie am Samstag, dem 13. August, live-zeitversetzt, um 22.00 Uhr in ORF 2.

2018 debütierte die US-amerikanische Regisseurin Lydia Steier mit Mozarts „Die Zauberflöte“ bei den Festspielen und sorgte damit für kontroverse Reaktionen bei Publikum und Kritikern. In diesem Sommer studiert Steier unter der musikalischen Leitung von Dirigentin Joana Mallwitz das Stück neu ein und verrät, dass alles anders wird, auch wenn sie an der Grundkonstellation nichts ändert. Burgstar Roland Koch schlüpft diesmal in die Rolle des Großvaters, der seinen Enkeln die Geschichte vorliest. Eine Art Märchen, in dem hochaktuelle Themen, wie etwa Verlust, Streit und Weisheit, aufgegriffen werden. Neu ist auch der Spielort. Wurde die Oper noch 2018 aus profanen Gründen ins Große Festspielhaus verlegt, ist sie heuer im deutlich intimeren Haus für Mozart zu erleben. Neu im Ensemble ist die junge Schweizer Sopranistin Regula Mühlemann in der Partie der „Pamina“. Der „kulturMontag“ gibt erste Einblicke in die Neueinstudierung. Lydia Steier und Regula Mühlemann sind live zu Gast bei Martin Traxl. Eine Kostprobe aus Mozarts Singspiel bieten die „drei Knaben“, die von drei Wiener Sängerknaben dargestellt werden.

Auch für das Schauspiel ist Dantes „Göttliche Komödie“ ein Leitstern. Als Koproduktion mit dem Wiener Burgtheater inszeniert der belgische Regisseur Ivo van Hove das Stück „Ingolstadt“ der bayerischen Autorin Marieluise Fleißer. Die Schriftstellerin, die heute als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Autorinnen des 20. Jahrhunderts gilt, wurde jahrzehntelang nicht gebührend beachtet. Dabei wurde die 1974 Verstorbene von Lion Feuchtwanger gefördert, von Bertolt Brecht verehrt und fast zerstört, Ödön von Horváth lernte von ihr und eine ganze Generation deutscher Nachkriegsdramatiker – etwa Franz Xaver Kroetz oder Rainer Werner Fassbinder – stand unter ihrem Einfluss. Van Hove fügt Fleißers Texte „Fegefeuer in Ingolstadt“ und „Pioniere in Ingolstadt“ zu einem Stück zusammen. Die bayrische Provinzstadt, in der Fleißer mehr oder weniger ihr Leben verbrachte, ist für ihn eine Metapher für alles Schlechte im Menschen. Besetzt ist die Inszenierung auf der Perner-Insel mit Jan Bülow, Marie-Luise Stockinger und Lilith Häßle.

Angela Winkler gilt als Grande Dame der deutschsprachigen Schauspieleriege. Auf der Bühne arbeitete die deutsche Theater- und Filmschauspielerin mit Regisseuren wie Robert Wilson, Peter Stein, Claus Peymann oder Christoph Schlingensief. Mit ihren frühen Leinwandauftritten schrieb sie deutsche Filmgeschichte – u. a. in Volker Schlöndorffs Oscar-prämiertem Film „Die Blechtrommel“ oder in der Titelrolle der Heinrich-Böll-Verfilmung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“. Bei den Salzburger Festspielen ist Winkler seit 1986 gern gesehener Gast. Seit dem Vorjahr spielt sie „Jedermanns“ Mutter, heuer ist sie zudem in der Marathon-Lesung von Dantes „Göttlicher Komödie“ zu erleben. Dass sie auch mit 78 Jahren noch für Überraschungen gut ist, stellt die Künstlerin im „kulturMontag“ mit der Live-Interpretation des Brecht-Liedes „Erinnerung an die Marie A.“ unter Beweis. Eigentlich wollte sie schon immer Sängerin werden, Gesangsunterricht hatte sie allerdings nie. Zeit für eine Kostprobe also.

Dokumentation „Eine Stadt als Bühne“ (23.30 Uhr)

Ein Regisseur, ein Dichter, ein Komponist, und ein gemeinsamer Traum – Max Reinhardt, Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss träumten nach dem Ersten Weltkrieg von Festspielen, die Frieden stiften sollten. Der geniale Theatermacher Reinhardt erklärte die Stadt zur Bühne und inszenierte 1920 am Domplatz den „Jedermann“ – die Geburtsstunde der Salzburger Festspiele. Zum 100-Jahr-Jubiläum des heute renommierten internationalen Festivals im Jahr 2020 hat Filmemacher Werner Horvath für seine Dokumentation historische Schätze aus dem ORF-Archiv geborgen und blickt in Gesprächen mit Künstlerinnen und Künstlern sowie Organisatoren auf die Geschichte des weltberühmten Festivals zurück. Entstanden ist eine facettenreiche und unterhaltsame filmische Zeitreise: Vom Gründungsmythos und Reinhardts Visionen, dem Erfolgsschlager „Jedermann“, den Schrecken des NS-Regimes über den Bau des Festspielhauses nach den Plänen von Clemens Holzmeister bis zu den schillernden Jahren unter Herbert von Karajan. Erfolgsproduktionen und Theaterskandale prägten Salzburg genauso wie der alljährliche Schaulauf von Prominenz und Adabeis. Die ORF-Produktion bringt ein Wiedersehen mit eindrucksvollen Produktionen der ersten 100 Jahre der Salzburger Festspiele sowie unzähligen liebgewonnenen Granden der Theater- und Opernwelt, die mit Salzburg verbunden sind und waren – angefangen von Helene Thimig und Alexander Moissi über Susi Nicoletti, Paula Wessely und Grace Bumbry bis hin zu Klaus Maria Brandauer, Anna Netrebko und Christa Ludwig.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. ORF

FernsehenkulturMontagMedienORF
Comments (0)
Add Comment