Helga Krismer: „Baulandreserven sind tickende Bomben“

St. Pölten (OTS) – „Nein, man sieht nix.“ Das weiß auch Helga Krismer: „Das ist einfach nur ein Rübenacker.“ Davor: Eine Straße. Daneben: Gewerbegebäude. Dahinter: Felder. Ein Bild das unspektakulärer nicht sein könnte. Das man in Niederösterreich überall findet. Trotzdem legt die Landessprecherin der Grünen die Stirn in Falten. „Das hier“, zeigt Helga Krismer auf das Feld nahe Baden, „ist ein echtes Problem. Flächen wie diese gibt es in Niederösterreich zuhauf – und sie werden uns noch richtig Kopfzerbrechen machen.“

Denn der harmlose Rübenacker ist Bauland. Vor Jahren, wenn nicht Jahrzehnten umgewidmet, liegt er ruhend, aber im Wert steigend in der Sommersonne. Er verursacht keine Kosten – könnte aber jederzeit bebaut oder „entwickelt“ werden: „Baulandreserve“ lautet das Fachvokabel. „Baulandreserven“ wie das Badener Rübenfeld gibt es im Land zuhauf. Sie kommen aus einer Zeit des Glaubens an unendlichen Wachstum und Gier.

Das Problem? Gemeinden sind machtlos
Das Problem? Da diese Flächen meist im Eigentum Privater stehen, sind sie der Verfügung oder Steuerung durch die Gemeinden entzogen. Gemeinden, Land und Bund erkennen mittlerweile, welche enormen Klima-und Struktur-Probleme der Flächenfraß durch die rasante und intensive Bodenversiegelung verursacht. Die Bundesregierung will die rasend schnelle Bodenversiegelung in Österreich von derzeit täglich 11 auf 2,5 Hektar herunterfahren. Dafür sollen unter anderem Baulandumwidmungen erschwert und reduziert werden. Helga Krismer warnt dennoch: „Was noch keiner bedenkt: Im ganzen Land ticken diese Bomben.“

Denn die Gefahr, dass dort, wo keine „frisches“ Bauland gewidmet wird, auf diese Reserven zurückgegriffen wird, ist real. Sie steigt. „Nicht nur die unkontrollierbare Versiegelung an sich, sondern auch die begleitenden Verkehrs- und Infrastrukturanforderungen sind für die jeweilige Gemeinde dann mehr als problematisch – egal ob von Privaten dann Gewerbe- oder Wohnbau betrieben, wird: „Die Gemeinden greifen dann auf Instrumente in den Landesgesetzen zurück. Etwa Dachbegrünung, Verkehrsbeschränkung oder – wie in Baden – die Festlegung, weder Logistikzentrum noch Storage-Garage zuzulassen. Aber ganz verhindern kann keine Gemeinde die Versiegelung und bebeuaung – nur ein ‚more of the same‘ lässt sich vermeiden.“

„Gemeinden sollen und müssen rückwidmen!“
Darum fordert die Sprecherin der Opposition, den Gemeinden ein potentes Werkzeug im Vorfeld in die Hand zu geben. Ein Werkzeug, mit dem diese Entwicklung verhindert werden kann: „Gemeinden sollten die Option der Rückwidmung von Bauland in Grünland haben.“ Rechtlich, weiß Krismer, ist das „problematisch, aber nicht unmöglich.“ Denn klarerweise hat jeder Grundbesitzer Anspruch auf Rechtssicherheit. Die Rückstufung der Widmungskategorie würde eine signifikante Minderung des Grundstückswertes bedeuten – und daraus ergäben sich für die Gemeinden hohe Entschädigungspflichten. Das ist Krismer „sehr bewusst“.

Dennoch: „Wenn wir dem Bodenfraß, dem Ausweichen auf Baulandreserven, wirkungsvoll Einhalt gebieten wollen, brauchen Gemeinden finanzielle Beihilfen für den Landschafts- und Klimaschutz durch Rückwidmungen,“ erklärt die Grünen-Chefin: „Was auf den ersten Blick nach viel Geld für wenig aussieht“, weiß sie, „wäre tatsächlich eine nachhaltige Investition in den Schutz des Bodens: das ist aktive Zukunftssicherung.“

Denn die Folgen der exorbitanten Versiegelungswut sind verheerend – und kosten langfristig noch mehr. „Versiegelte Böden können weder zur Kühlung beitragen, noch CO2- oder Wasser speichern und schon gar keine Biodiversität fördern – das führt zu Überschwemmungen, Überlastung des Kanalnetzes, Verschlechterung des Kleinklimas, Staub, Hitze, Störung des natürlichen Wasserkreislaufes und Verlust von Lebensraum von Flora und Fauna.“

„Die Klimakatastrophe“, so Helga Krismer abschließend, „werden die salbungsvollen, aber leeren Ankündigungen der Landesregierung allein nämlich nicht verhindern: Wir müssen endlich ins Tun kommen. Die Klimakrise wird teuer. Ein Bodenfonds ist ein leistbarer Ausweg.“

In der Landtagssitzung vom 15. Juni 2022 forderten die Grünen deshalb die Einrichtung eines „Bodenfonds“ über denn einerseits Rückwidmungsentschädigungen finanzierte werden sollen, aber auch Entsiegelungsaktivitäten unterstützt werden können. Der Antrag wurde mit den Stimmen der Landesregierungsparteien (ÖVP, SPÖ & FPÖ) abgelehnt und nicht einmal zur Debatte zugelassen.

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