Wien/Brüssel (OTS) – Die heute unter dem Titel [„Inside Job“]
(https://www.global2000.at/sites/global/files/inside-job-report.pdf)
veröffentlichte Report, eine gemeinsame Recherche von Friends of the Earth Europe, Corporate Europe Observatory und dem BUND, liefert erschütternde Einblicke in die europäische Lobbying-Arbeit zum EU-Lieferkettengesetz.
Demnach gab es von mehreren Wirtschaftsverbänden massives Lobbying, um das EU-Lieferkettengesetz zu verzögern und zu verwässern. Über das „Regulatory Scrutiny Board“ (RSB), ein undurchsichtiger und wirtschaftsfreundlicher Ausschuss für Regulierungskontrolle der EU-Kommission, wurde massiv für eigene Interessen und gegen den eigentlichen Sinn des Lieferkettengesetzes interveniert. Offenbar erfolgreich: Der aktuelle Entwurf zum EU-Lieferkettengesetz, der im Februar 2022 von der EU-Kommission präsentiert wurde, beinhaltet zahlreiche Schlupflöcher und würde nach jetzigem Stand 99% aller Unternehmen im EU-Raum nicht betreffen.
Breite Front gegen Lieferkettengesetz
Dem Europäischen Arbeitgeberverband BusinessEurope, dessen österreichisches Mitglied die Industriellenvereinigung (IV) ist, kommt laut Bericht eine besondere Bedeutung zu. Eine weitere Schlüsselrolle nimmt der dänische Arbeitgeberverband DI ein. Gemeinsam mit seiner niederländischen Schwesterorganisation VNO-NCW organisierte er ein Treffen, an dem Wirtschaftsverbände aus elf Mitgliedstaaten (auch aus Österreich) und Regierungsbeamt:innen aus Dänemark, Finnland, Belgien, Frankreich und Deutschland teilnahmen.
Anna Leitner, Ressourcen-Sprecherin bei GLOBAL 2000 mahnt: „Das EU-Lieferkettengesetz kann ein grundsätzliches Umdenken unserer Wirtschaftsweise darstellen: endlich werden europäische Konzerne für Ausbeutung und Verschmutzung in anderen Ländern zur Verantwortung gezogen. Die Gegenwehr jener Industrien, die bisher mit den fehlenden Regeln Gewinn machen, überrascht also nicht. Dieser Bericht deckt die Dreistigkeit auf, mit der Wirtschaftsverbände gegen Umwelt- und Menschenrechtsstandards vorgehen. Es liegt jetzt in den Händen der EU-Parlamentarier:innen und EU-Mitgliedsstaaten, die Schlupflöcher zu beseitigen!“
Strategische Zurückweisung führte zu Verzögerung
Zahlreiche Mails, Briefe und Dokumente zeigen detailliert, wie die Wirtschaftslobby das RSB nutzte, um ihre Interessen voranzutreiben. So hat das undurchsichtige Kontrollorgan zweimal Entwürfe der EU-Kommission zum EU-Lieferkettengesetz zurückgewiesen.
„Die Lobbyingaktivitäten der Wirtschaftsverbände haben dem EU-Lieferkettengesetz wesentliche Zähne gezogen. Justizministerin Alma Zadić und Wirtschaftsminister Martin Kocher müssen dringend die Zahnlücken des EU-Lieferkettengesetzes schließen und sich für ein Lieferkettengesetz einsetzen, das Menschenrechte und die Umwelt effektiv schützt“, appelliert Tina Rosenberger, Geschäftsführerin des Netzwerks Soziale Verantwortung (NeSoVe).
Der Bericht verdeutlicht, dass die Aktivitäten des RSB die Präsentation des Entwurfs um mindestens acht Monate verzögert haben. Ursprünglich sollte der Entwurf des EU-Lieferkettengesetzes bereits im Frühjahr 2021 präsentiert werden.
Das EU-Lieferkettengesetz – nicht mehr als ein zahnloser Tiger
Auf Wirtschaftslobbys zu hören, wenn es um Regeln für eine verbindliche Konzernverantwortung geht, ist wie den Hund auf die Wurst aufpassen zu lassen. Die Politik muss beim Schutz der Menschenrechte klare Kante zeigen und darf nicht auf Ausreden und Drohgebärden von Lobbyisten hereinfallen“, so Stefan Grasgruber-Kerl, Lieferketten-Experte bei der Menschenrechtsorganisation Südwind.
Weitere Schlupflöcher des EU-Lieferkettengesetzes betreffen unter anderem die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten, die zur Prävention von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden dienen würden. Denn: Betroffen sind lediglich „etablierte Geschäftsbeziehungen“. Der Möglichkeit, den Sorgfaltspflichten auszuweichen, ist damit Tür und Tor geöffnet. Auch wird Betroffenen, die Ansprüche auf Schadensersatz gegen Unternehmen geltend machen wollen, der Zugang zur Justiz durch bekannte Hindernisse verwehrt.
Darüber hinaus sieht der Richtlinienentwurf lediglich vor, dass Unternehmen einen Plan zur Reduktion ihrer CO2-Emissionen erstellen. Sie werden jedoch im derzeitigen Entwurf nicht dazu verpflichtet, diesen umzusetzen. In dieser Form bleibt das EU-Lieferkettengesetz nur ein zahnloser Tiger.
[Mehr Infos zum Lieferkettengesetz]
(https://www.global2000.at/lieferkettengesetz )
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