Wien (PK) – Nachdem bereits seit 2021 eine steigende Inflation und Staatsverschuldung als „Vermächtnis der Pandemie“ zu verzeichnen seien, dämpft laut einem OeNB-Prognoseupdate zudem der Ukraine-Krieg das Wachstum in Österreich und führt zu Aufwärtsrevisionen der Inflationsprognose, blickte heute im Finanzausschuss der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) Robert Holzmann auf die aktuellen Herausforderungen. Gemeinsam mit Vize-Gouverneur Gottfried Haber analysierte Holzmann in einer Aktuellen Aussprache mit den Abgeordneten die wirtschaftliche Entwicklung, steigende Inflation und Maßnahmen der Geldpolitik.
Das derzeitige OeNB-Prognoseupdate ergebe für Österreich im Jahr 2022 ein schwächeres BIP-Wachstum, aber einen spürbaren Anstieg der Inflation, die sich in einem rechnerischen Beispielszenario – mit dem Fall einer weiteren Verschärfung des Ukraine-Konflikts und deutlichen Gaslieferungsausfällen von 30% – auf bis zu 9% belaufen könnte, so Holzmann. Nach diesem Szenario würde das BIP-Wachstum 2022 fast vollständig verschwinden. Die Beschäftigungszahlen liegen Holzmann zufolge allerdings über, die Arbeitslosigkeit unter dem Vorkrisenniveau. Der Arbeitsmarkt sehe so gut aus wie schon lange nicht mehr.
Der OeNB-Gouverneur räumte auf Rückfragen dazu ein, dass ein Gasembargo nicht ganz einfach zu modellieren sei, daher gebe er sich mit einer Einschätzung zu Auswirkungen zurückhaltend. Die Inflationsentwicklung im Euroraum insgesamt werde laut Holzmann von den Energiepreisen bestimmt. Im Vergleich liege in den USA die Kerninflation höher als in Europa, daher würden dort auch wesentlich intensivere Zinsdiskussionen auf der Tagesordnung stehen als hier.
Debatte über Leitzinserhöhung, Inflation und Gefahr der „Entankerung“ der Erwartungen
Hinsichtlich der Geldpolitik werde auf dem Euro-Geldmarkt mit Entscheidungen über eine etwaige erste Leitzinserhöhung im Sommer 2022 gerechnet, meinte Holzmann etwa auf Nachfragen von Christoph Matznetter (SPÖ), Jakob Schwarz (Grüne) und Andreas Ottenschläger (ÖVP). Er sprach in diesem Zusammenhang von einer Herausforderung der Geldpolitik in der Abschätzung der Instrumente, des Umfangs und des Zeitpunkts: Ein zu früher Einsatz erschwere einen Wiederaufschwung, ein zu später könnte eine „Entankerung“ der Inflationserwartungen befürchten lassen. Wenn sich eine solche Dynamik entwickle, könnte es insbesondere für die Geldpolitik schwierig werden, das wieder einzufangen. Ein wichtiger Verständnisaspekt sei der sogenannte Gleichgewichtszinssatz, so der OeNB-Gouverneur. Für eine volle Normalisierung der Geldpolitik, etwa im Hinblick auf die nicht normalen Negativzinsen, brauche es einen Anstieg dieses Gleichgewichtszinssatzes. Im Moment zeige er diese Tendenz, nach oben zu gehen.
Die Zinssenkung und Liquidität, die auf den Markt gelegt worden sei, habe geholfen, Stabilität zu erreichen, sei aber nicht nachhaltig. Wie man anhand des Zinsanstiegs in den letzten Monaten sehen könne, der ohne die EZB passiert sei, würden Zinsen auch am Markt gebildet. Der Staat habe hier eine starke Rolle, meinte Holzmann etwa im Hinblick auf Benchmarks wie Staatsanleihen. Andererseits hätten Erhöhungen der EZB eine verstärkte Signalwirkung. Gegenüber Hubert Fuchs (FPÖ) verwies der OeNB-Gouverneur zur Frage der voraussichtlichen Beendigung der „Asset Purchase Programme“-Anleihen-Ankäufe der EZB darauf, dass hier ein rechtlicher Begrenzungsrahmen gesetzt sei. Auf Nachfrage etwa von Gerald Loacker (NEOS) meinte Holzmann, dass bereits frühere Leitzinserhöhungen in den USA Effekt auf den Euro gehabt hätten. Aus seiner Sicht sollte die jetzige Erhöhung keine weitere Veränderung bewirkt haben.
Österreichs Banken resilient, aber mit Herausforderungen
Der österreichische Bankensektor stellt sich laut Analyse von Vize-Gouverneur Haber resilient, aber mit wachsenden Herausforderungen dar. Die Profitabilität sei gestiegen, die Kosteneffizienz gewachsen. Auswirkungen steigender CO2-Preise auf das österreichische Bankensystem scheinen ihm zufolge laut OeNB-Klimastresstest beherrschbar. Die Kapitalisierung des österreichischen Bankensektors sei 2021 leicht unter den europäischen Schnitt gerutscht, hier gelte es, darauf zu achten, dass sie weiter hoch bleibe, so Haber. Insgesamt sehe er derzeit keinen Grund zur Sorge um österreichische Kreditinstitute, im Sinn einer allfälligen Gefährdung der Finanzmarktstabilität oder gar eines Schutzschirms. Er erörterte das auch im Hinblick auf die lokale Refinanzierung der österreichischen Tochterbanken in Russland und der Ukraine. Auch die Ratingagenturen würden die österreichischen Banken sehr gut bewerten. Betreffend die Sberbank-Tochter in Europa sei es nunmehr gelungen, dass es zu einer Abwicklung kommen werde, berichtete Haber außerdem.
Vor dem Hintergrund von Kreditwachstum, steigenden Immobilienpreisen und nicht erfüllten Vergabestandards habe das Finanzmarktstabilitätsgremium der Finanzmarktaufsicht bereits früher den Einsatz von kreditnehmerbezogenen Maßnahmen empfohlen. Diese sollen ab Mitte des Jahres verbindlich werden, nannte Haber diesbezüglich eine maximale Beleihungsquote von 90%, eine maximale Schuldendienstquote von 40% und eine maximale Laufzeit von 35 Jahren. Ziel dabei sei, dass nur finanziert werden soll, was tatsächlich leistbar ist. (Fortsetzung Finanzausschuss) mbu
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