TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“, Ausgabe vom 16. März 2022, von Anita Heubacher:“Den Worten müssen Taten folgen“

Innsbruck (OTS) – Was es in der Pflegethematik nicht mehr braucht, sind zusätzliche Studien. Die Fakten liegen seit Jahren auf dem Tisch. Die Pflegereform noch immer nicht. Die Politik drückt sich vor der Finanzierungsfrage und löst sie nicht.

Eine halbe Million Menschen in Österreich bezieht Pflegegeld, ist also pflege­befürftig. 1,2 Millionen Menschen sind mit der Pflege beschäftigt, als PflegerInnen, als 24-Stunden-BetreuerInnen, und 80 Prozent der zu Pflegenden werden von ihren Angehörigen zu Hause gepflegt.
2030, also in acht Jahren, werden anderthalbmal so viele Menschen wie heute über 80 Jahre sein und 76.000 Pflegekräfte fehlen. Bis zum Jahre 2050, wenn die Babyboomer-Generation alt ist, wird die Lücke auf 100.000 bis 150.000 steigen. Im Schnitt hängen Pflegekräfte ihren Job nach zehn Jahren an den Nagel. Pflegekräfte sind zu 80 Prozent Frauen und als Vollzeit-Pflegekraft bekommt man laut Gewerkschaft zwischen 2000 und 2800 Euro brutto.
Was es in der Pflegethematik nicht mehr braucht, sind zusätzliche Studien, denn der Pflegenotstand ist bereits da und was da auf uns zukommt, anhand der nüchternen Zahlen ablesbar. Den Ernst der Lage haben in allen Parteien die verschiedenen Interessenvertreter erkannt. Durchsetzen konnten sie sich in den eigenen Reihen nicht. Denn wie sonst ist es zu erklären, dass Pflegekräfte nicht erst jetzt, sondern seit Jahren auf die Straße gehen, um zu demonstrieren? Um zu zeigen, dass der Personalmangel sie unter Druck setzt und die Verantwortung in vielen Bereichen dadurch ins Unzumutbare steigt? Altbundeskanzler Sebastian Kurz hatte eine Pflegereform angekündigt. Gekommen ist sie bis heute nicht. Das liegt unter anderem daran, dass mit dem unliebsamen Thema Pflege, mit dem Altwerden, mit dem Hilfsbedürftig-Werden politisch kaum Kleingeld zu verdienen ist. Richtiges Geld braucht es zur Finanzierung. Sie ist des Pudels Kern, und weil in Österreich Bund, Länder, Gemeinden für die Finanzierung zuständig sind, es also verschiedene Töpfe gibt, wird es so richtig kompliziert. Das kennt man im Gesundheitssystem nur zu gut. Dazu kommt, dass man über neue Steuern, wie eine solidarische Pflegeversicherung oder über Vermögenssteuern, nicht sprechen will. Die Bundesregierung könnte allerdings den Hebel bei ihrem Budgethaushalt ansetzen. In einem Land, wo von heute auf morgen eine Milliarde Euro für eine Impflotterie lockergemacht wird, ist man seit Jahren nicht in der Lage, den Anteil der Pflege am Bruttoinlandsprodukt zu erhöhen. Österreich gibt 1,9 Prozent des BIP für die Pflege aus, in Dänemark, das im EU-Vergleich bei der Pflege vorne liegt, sind es 2,5 Prozent. Zweimal Impflotterie, dann hätte Österreich das Niveau von Dänemark erreicht.
Den Worten müssen endlich Taten folgen.

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