Wien (OTS) – 90 Prozent der ursprünglichen Moorfläche Österreichs sind bereits zerstört. Von den wenigen verbliebenen Moorgebieten weisen rund zwei Drittel gestörte Wasserhaushalte auf. Eine von ÖKOBÜRO in Kooperation mit dem WWF Österreich durchgeführte Studie zeigt anhand zahlreicher Fallbeispiele, wie die behördliche Genehmigungspraxis den strengen Moorschutz aushebelt: „Intakte Moore sind hervorragende Klimaschützer und Schatzkammern der Artenvielfalt. Dennoch erlauben Politik und Behörden regelmäßig weitere Eingriffe auf Basis fragwürdiger Ausnahmegenehmigungen. Einseitige wirtschaftliche Interessen hebeln immer wieder den strengen Schutz der Alpenkonvention aus“, sagt Ann-Kristin Winkler, Alpenschutz-Sprecherin beim WWF Österreich. Die Naturschutzorganisation fordert daher von den Bundesländern, die alpinen Moore unter absoluten Schutz zu stellen und keine neuen Ausnahmen mehr zu genehmigen. Darüber hinaus müsse die Bundesregierung einen verbindlichen Aktionsplan für den Schutz der Moore beschließen. „Lippenbekenntnisse gibt es mehr als genug, aber es fehlt ein verbindlicher Schutz, der auch in der Praxis wirkt“, kritisiert Winkler.
Mit den Ausnahmegenehmigungen verstößt Österreich laut den Studienergebnissen gegen das Bodenschutz-Protokoll der Alpenkonvention – einen völkerrechtlichen Vertrag zum Schutz und zur nachhaltigen Entwicklung der Alpen. Denn die Behörden im heimischen Alpenraum wenden die strengen Bestimmungen kaum an, wenn Eingriffe in Moore beantragt werden: „In den allermeisten Fällen geht das Verfahren zugunsten der Antragstellenden aus. Häufig erfassen die Behörden nur jene Argumente umfassend und präzise, die für ein Vorhaben sprechen. Die Gewichtung des öffentlichen Interesses am Naturschutz wird stark vernachlässigt, der geforderte Bestandsschutz meist nur oberflächlich geprüft“, sagt Birgit Schmidhuber, Umweltjuristin beim ÖKOBÜRO und Mitautorin der Studie. Die Verfahrenspraxis entspreche somit auch nicht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, wonach Eingriffe in Moore nur in besonderen, sehr gut begründeten Ausnahmefällen zulässig sind.
Vielfach wird auch das Naturschutzrecht nicht in Übereinstimmung mit dem Bodenschutz-Protokoll ausgelegt. „Als Sofortmaßnahme muss der Überprüfungsausschuss der Alpenkonvention den Bedeutungsgehalt des Bodenschutz-Protokolls klarstellen und seine Einhaltung fordern“, mahnt Ann-Kristin Winkler vom WWF. „Moore liefern extrem wichtige Ökosystemleistungen: Sie tragen als Kohlenstoffsenken zum Klimaschutz bei, speichern große Mengen Wasser und bieten Lebensräume für seltene Tier- und Pflanzenarten”, sagt Winkler. „Daher muss ihr Schutz gerade in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise garantiert sein.”
Fallbeispiele zeigen Aushebeln des Moorschutzes
Für die Studie untersuchten ÖKOBÜRO und WWF insgesamt 27 Beispiele aus den Jahren 2015 bis 2020, in denen die Bestimmungen der Alpenkonvention außer Acht gelassen, oder Ausnahmen davon genehmigt wurden. „Besonders gravierende Auswirkungen hatte diese Praxis im Tiroler Kühtai, wo für die Errichtung eines Speicherkraftwerks rund fünf Fußballfelder Moorfläche zerstört wurden”, sagt Ann-Kristin Winkler vom WWF. Laut den Studienergebnissen geht der Großteil der Ausnahmen auf viele vermeintlich kleine Eingriffe zurück, die Stück für Stück die letzten natürlichen Moorflächen dezimieren. Dazu zählt zum Beispiel die Genehmigung von neuen Beschneiungsanlagen und Speicherseen, wie etwa bei der Franzlalm in Salzburg oder am Berg Falkert in Kärnten.
Bedeutung von Mooren in Österreich:
Intakte Moore sind wichtige Kohlenstoffsenken, da sie bei der Bildung von Torf CO2 dauerhaft speichern und es so nicht in die Atmosphäre gelangt: Die verbliebenen 10 Prozent der ursprünglichen Moorfläche in Österreich binden rund 30 Millionen Tonnen Kohlenstoff – mehr, als Österreich in einem Jahr freisetzt. Besonders wichtig sind Moore auch für die Artenvielfalt. Als Ausnahmebiotope bieten sie einen Lebensraum für hochspezialisierte Flora und Fauna: So sind an die 1000 Arten auf den Torf von Hochmooren angewiesen. Darüber hinaus speichern Moore Niederschläge und Schmelzwasser und geben es langsam an die Umgebung ab. Diese Funktion als „natürlicher Schwamm“ ist besonders bei den durch die Klimakrise vermehrt auftretenden Wetterextremen von Bedeutung. Durch Schutz und Revitalisierung von Mooren profitiert auch die Land- und Forstwirtschaft, da sich der Wasserrückhalt in der Landschaft erhöht und Wasserknappheiten besser ausgeglichen werden können.
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