Wien (PK) – Der EU-Hauptausschuss des Nationalrats trat heute zusammen, um über die Themen zu sprechen, denen sich die EU-Staats-und Regierungschefs bei ihrem Treffen am 16. Dezember widmen wollen. Laut Bundeskanzler Karl Nehammer und Europaministerin Karoline Edtstadler werden die EU-Spitzen die Entwicklungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, die Themen Krisenmanagement und Resilienz, Energiepreise, Sicherheit und Verteidigung, externe Aspekte der Migration sowie die Lage in Belarus erörtern.
COVID-19 beschäftigt EU weiterhin
Wie Bundeskanzler Nehammer mitteilte, ist das Ratstreffen nur für den 16. Dezember 2021 angesetzt und soll dabei eine dichte Tagesordnung behandeln. In Hinblick auf das Auftreten einer neuen Variante des COVID-19-Virus werde man weitere koordinierte Anstrengungen beraten, wobei dem Funktionieren des Binnenmarkts und dem Reisen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und nach Europa Augenmerk geschenkt werde.
Ferner werde es um die Bedeutung von Impfungen für die Bekämpfung der Pandemie, einschließlich der Ausweitung der Impfung auf alle und der Bereitstellung von Auffrischungsdosen gehen. Die EU-Spitzen werden zu einer zügigen Umsetzung der überarbeiteten Empfehlungen des Rates zu Reisen innerhalb der EU und in die EU aufrufen, auch in Bezug auf die Gültigkeit der digitalen COVID-19-Zertifikate der EU, die einheitlich bei neun Monaten liegen soll.
Des Weiteren werden sie die internationale Zusammenarbeit im Bereich der weltweiten Gesundheitspolitik und Fragen der Solidarität, einschließlich der Ausfuhr und Verteilung von Impfstoffdosen, erörtern. Die EU habe sich für 2021 zum Ziel gesetzt, 200 Mio. Impfdosen für Länder zur Verfügung zu stellen, die zu wenig Impfstoffe haben, Österreich habe dazu bisher mit 3 Mio. Dosen beigetragen, berichtete Nehammer.
Petra Steger (FPÖ) fragte, inwieweit sich die EU-Kommission in der Frage der Impfungen und insbesondere der Impfpflicht überhaupt engagieren könne. Sie wollte wissen, ob etwa an eine Änderung der Zuständigkeiten in der EU gedacht sei, da die Gesundheitspolitik auf nationaler Ebene angesiedelt sei. Nehammer betonte, es gehe hier um einen Erfahrungsaustausch, eine Änderung der Zuständigkeiten sei nicht angedacht. Das Thema der Impfpflicht finde großes Interesse auch von anderen Staaten. Meri Disoski (Grüne) wies darauf hin, dass die EU-Kommission unverbindliche Leitlinien zum gemeinsamen Vorgehen gegen Fehlinformationen über Impfungen, zur Impfsolidarität und zur Impfpflicht erarbeiten werde.
Energieversorgung: Österreich ist gegen „Greenwashing“ der Atomkraft
In der Frage der Energiepreise sei ein Monitoring der EU-Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) durchgeführt worden. Die Berichte dazu lassen schließen, dass ein Rückgang der Preise zu erwarten sei und dass die verfügbaren Instrumentarien zur Preisregulierung ausreichen. Eingriffe in den sensiblen Energiemarkt sollten nicht vorschnell erfolgen. Letztlich müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden. Seitens einiger EU-Staaten gebe es allerdings Versuche eines „Greenwashings“ der Atomenergie. Diesen müsse man immer wieder entgegentreten, betonte Nehammer. Österreich habe dabei auch eine Reihe von Verbündeten.
Petra Steger (FPÖ) zeigte sich skeptisch, was die Festigkeit der Anti-Atom-Haltung betrifft, und brachte einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem gefordert wurde, dass Österreich dem nationalen Anti-Atom-Konsens treu bleibt und EU-Standards, die Atomenergie als nachhaltig einstufen, konsequent ablehnt. Der Antrag wurden von den Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und NEOS unterstützt und blieb damit in der Minderheit.
Lukas Hammer (Grüne) sprach sich ausdrücklich gegen eine Taxonomie aus, in der Atomkraft und fossiles Gas als „nachhaltige Energieträger“ eingestuft werden. Dasselbe gelte für Finanzprodukte, die als „nachhaltig“ beworben werden. Wichtig sei daher, wie Frankreich, das stark auf Atomkraft setze, sich während seines Ratsvorsitzes im kommenden Jahr verhalten werde.
EU will gemeinsame Vision für Sicherheitspolitik erarbeiten
In der Sicherheit und Verteidigung werde der Europäische Rat Leitlinien für den Entwurf des „Strategischen Kompasses“ zu einer gemeinsamen strategischen Vision für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU und für die Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO vorgeben. Die Frage der Sicherheit betreffe dabei nicht nur militärische Aspekte, betonte Nehammer. Zu ihr gehöre die grenzüberschreitende Katastrophenhilfe bei Naturkatastrophen und die Cybersicherheit, betonte der Bundeskanzler.
Was die Vorbereitungen für die gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO betrifft, seien dem Engagement Österreichs durch seine Selbstverpflichtung zur Neutralität gewisse Grenzen auferlegt. Das Thema Sicherheit berühre auch den Themenkomplex Krisenmanagement und Resilienz. Der Europäische Rat werde Bilanz ziehen über die Anstrengungen der Verbesserung der gemeinsamen Krisenvorsorge, Reaktionsfähigkeit und Resilienz gegenüber künftigen Krisen.
EU-Außenpolitik und Migrationsfragen
In der Frage der Außenbeziehungen werde der Rat die Lage an der Grenze der EU zu Belarus erörtern, sagte Nehammer. Außerdem werde man über die Frage beraten, welche Folgerungen aus der Verstärkung der militärischen Präsenz Russlands an der Grenze zur Ukraine zu ziehen sind. Wichtig sei es, zu verhindern, dass sich ein Szenario aufbaue, das in einen militärischen Konflikt mündet, sagte Nehammer. Aus österreichischer Sicht gelte es, den Konflikt durch eine Intensivierung des Dialogs aller Konfliktparteien zu entschärfen.
Bei ihren Beratungen zum Thema Migration wollen sich die EU-Spitzen laut Nehammer besonders auf deren externe Dimensionen konzentrieren. Wichtig sei es für die EU, Einigkeit gegenüber Drittstaaten zu zeigen, wenn diese die Migrationsfrage benützen wollen, um politischen Druck auf die EU in anderen Fragen ausüben, wie es bei der Türkei und zuletzt bei Belarus der Fall gewesen sei, betonte Nehammer. Obwohl Österreich ein EU-Binnenland sei, sei es derzeit mit einer sehr hohen Zahl an Asylanträgen konfrontiert. Angesichts der Tatsache, dass der Großteil dieser Personen einreisen konnte, ohne vorher von anderen EU-Staaten registriert worden zu sein, wirft laut Nehammer ernste Fragen in Hinblick auf den Schutz der EU-Außengrenzen sowie auf die innere Sicherheit auf. Diesen müsse sich auch die EU-Kommission stellen. Die österreichische Position, wonach Staaten, die EU-Außengrenzen haben, eine besondere finanzielle Unterstützung in der Migrationsfrage benötige, werde unterdessen in der EU breit diskutiert. Wichtig sei es, dass die Kommission auch EU-Mitgliedsstaaten unterstütze, wirksame Rücknahmeabkommen zu verhandeln, sagte der Bundeskanzler.
FPÖ-Abgeordneter Eugen Bösch brachte einen Antrag auf Stellungnahme ein, in der gefordert wird, Österreich solle sich auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die EU ihren Mitgliedstaaten Polen, Litauen und Lettland die nötigen Mittel für die Errichtung eines robusten Grenzzaunes gegenüber Belarus bereitstellt und die drei Länder bei der Sicherung der EU-Außengrenze unterstützt. ÖVP-Abgeordneter Martin Engelberg kritisierte den Ansatz der FPÖ in Fragen der illegalen Migration als zu eng gefasst. Der Antrag wurde nur von den FPÖ-Abgeordneten mitgetragen und blieb damit in der Minderheit.
Aus Sicht von Andreas Minnich (ÖVP) ist es wichtig, die Zivilgesellschaft in Belarus zu stärken. Helmut Brandstätter (NEOS) wies darauf hin, dass auch österreichische Unternehmen in Belarus unter Druck gesetzt werden, und forderte Schritte der Bundesregierung. Jörg Leichtfried (SPÖ) forderte vom Kanzler eine grundsätzliche Korrektur des EU-Kurses der Bundesregierung. Vor allem sei es wichtig, zu vermitteln, dass Österreich ein verlässlicher Partner sei und nicht aus nationalem Egoismus die Behandlung wichtiger EU-Themen behindere, wie etwa Fragen der Sozialunion. Robert Laimer (SPÖ) forderte ein stärkeres Engagement Österreichs im Rahmen von OSZE-Missionen. Das sei besonders wichtig im Rahmen der Ukraine-Mission, wo Österreich aus seiner Sicht zu wenig Engagement zeige.
Bundeskanzler Nehammer betonte, dass Österreich sich in der OSZE und im Rahmen der Östlichen Partnerschaft der EU stets um die Stärkung des Dialogs und der Konfliktlösung bemüht habe. Österreich habe eine gute Tradition als Brückenbauer zu den östlichen Nachbarn der EU und werde sich hier weiterhin einbringen. Was den EU-Kurs insgesamt betreffe, sehe er die Verlässlichkeit gegeben und werde den bisherigen klar pro-europäischen Kurs fortsetzen, ohne dabei nationale Interessen aus den Augen zu verlieren. Die Sichtweise, dass Österreich nur die Haltung der Visegrad-Staaten vertrete, stimme schlicht nicht, das werde auch immer stärker auf EU-Ebene wahrgenommen.
Eurozone: Österreich ist weiterhin gegen jede Form der Schuldenunion
Nach dem Ratstreffen werde der Eurogipfel über das weitere Vorgehen in der Krisenbewältigung beraten, berichtete Nehammer den Abgeordneten. Österreich stehe auf dem Standpunkt, dass es wichtig und richtig sei, bei Krisen rasch und umfangreich finanzielle Hilfe leisten zu können. Allerdings vertrete die österreichische Bundesregierung auch die Ansicht, dass es nach dem Ende der Krise gelte, dass die EU-Staaten rasch wieder auf einen nachhaltigen Budgetpfad zurückkehren. Eine Schuldenunion lehne Österreich klar ab, betonte er.
Nicht überzeugt davon zeigte sich die FPÖ. Die EU habe mit dem Wiederaufbaufonds bereits einen Schritt in Richtung Schuldenunion gemacht. Sie brachte daher einen Antrag auf Stellungnahmen ein, um dem Bundeskanzler den Auftrag mitzugeben, sich gegen eine Schuldenunion zu positionieren. Nikolaus Scherak (NEOS) sagte, er teile die Einschätzung des Wiederaufbaufonds nicht, die NEOS würden sich aber ebenfalls gegen jede Form der Schuldenunion aussprechen. Der Antrag wurde von FPÖ und NEOS unterstützt und blieb in der Minderheit.
Allgemeine EU-Angelegenheiten: Westbalkan bleibt weiterhin Fokus für Österreich
EU-Ministerin Karoline Edtstadler berichtete, dass vor dem Ratstreffen am 16. Dezember der Rat für Allgemeine Angelegenheiten (RAA) am 14. Dezember zusammentritt. Aus ihrer Sicht gelte es, die verbleibende Zeit der europäischen Zukunftskonferenz intensiv zu nützen. Der Prozess selbst habe sich aus ihrer Sicht zwar leider als sehr schwerfällig erwiesen, trotzdem habe er wichtige Ergebnisse gebracht. Die Jugendkonferenzen hätten eine Reihe von wichtigen Themen zur Sprache gebracht, zu denen auch die Auswirkungen der Pandemie auf die Jugend gehöre. Weiterhin bleibe die Frage des EU-Beitritts der Westbalkanstaaten eine offene Frage. Dieser sei vor allem auch wichtig, um der Jugend in diesen Ländern ein Perspektive zu geben und den Brain-Drain zu verhindern. Meri Disoski (Grüne) und Helmut Brandstätter (NEOS) bekräftigen in ihren Wortmeldungen die Wichtigkeit der Aufrechterhaltung der Beitrittsperspektive für die Westbalkanstaaten.
In der Frage der EU-Verfahren gegen Polen und Ungarn in Fragen der Rechtsstaatlichkeit gebe es keine neuen Entwicklungen, da die beiden Staaten der EU noch in keiner Weise entgegengekommen seien, berichtete Edtstadler. Letztlich müsse ein Weg gefunden werden, um die Staaten aus den Verfahren wieder herauszuführen, ohne dass es dabei Kompromisse beim Grundprinzip der Rechtsstaatlichkeit geben dürfe. Sie sehe hier ermutigende Ansätze im neuen Rechtsstaatlichkeitsmechanismus, den die EU aufgesetzt habe. (Schluss EU-Hauptausschuss) sox
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