Bildveröffentlichung von verunglückter Familie verletzt Ehrenkodex

Wien (OTS) – Nach Meinung des Senats 1 des Presserats verstoßen die Titelseite „***** kämpft sich mutig ins Lebens zurück“ sowie der dazugehörige Artikel „Die Todesgondel gibt Experten großes Rätsel auf“, erschienen auf den Seiten 10 und 11 der „Kronen Zeitung“ vom 26.05.2021, gegen Punkt 5 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Persönlichkeitsschutz).

Auf der oben genannten Titelseite wird berichtet, dass ein Bub (5) bei einem Seilbahn-Drama in Italien einziger Überlebender sei und seine Familie dabei gestorben sei. Im dazugehörigen Artikel wird festgehalten, dass kurz vor der Bergstation am Monte Mottarone eine Seilbahn abgestürzt sei.
14 Menschen seien ums Leben gekommen – nur ein kleiner Bub habe überlebt. Sowohl auf der Titelseite wie auch im Artikel wurde ein Foto der betroffenen Familie veröffentlicht. Auf dem Bild sind neben den Eltern auch deren zwei Söhne zu sehen; lediglich die Augenpartie des überlebenden Buben ist leicht verpixelt.

Eine Leserin wandte sich an den Presserat und kritisierte die unverpixelte Bildveröffentlichung der Unfallopfer. Zudem sei ihrer Meinung nach auch der überlebende Bub aufgrund der bloß leichten Verpixelung identifizierbar. Die Medieninhaberin nahm nicht am Verfahren vor dem Presserat teil. Insofern kann der Senat auch nicht davon ausgehen, dass von Seiten der Angehörigen eine Zustimmung zur Bildveröffentlichung vorgelegen wäre.

Zunächst hält der Senat fest, dass Berichte über tödliche Unfälle für die Allgemeinheit von Interesse sind. Dies gilt auch für den hier zu prüfenden Fall des Seilbahnunglücks mit mehreren Toten. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Persönlichkeitsschutz der Opfer missachtet werden darf. In diesem Zusammenhang verweist der Senat auf Punkt 5.4 des Ehrenkodex, wonach auf die Anonymitätsinteressen von Unfallopfern besonders zu achten ist. Darüber hinaus darf das Leid der Angehörigen der Opfer durch die Berichterstattung nicht vergrößert werden.

Die Senate des Presserats haben bereits mehrfach festgestellt, dass die Persönlichkeitssphäre eines Menschen auch über dessen Tod hinaus zu wahren ist und dass die Veröffentlichung unverpixelter Opferfotos geeignet ist, in die Persönlichkeitssphäre dieser Personen einzugreifen und die Trauerarbeit der Hinterbliebenen zu beeinträchtigen. Dabei ist es grundsätzlich auch unerheblich, ob die Bilder zuvor oder zeitgleich in anderen Medien verbreitet wurden.

Hinsichtlich der Veröffentlichung der Bildnisse des überlebenden Buben und seines verstorbenen jüngeren Bruders gilt es zudem zu berücksichtigen, dass der Persönlichkeitsschutz bei Kindern besonders stark ausgeprägt ist. Der Senat verweist hier auf die Punkte 6.2 und 6.3 des Ehrenkodex, wonach bei Bildern von Jugendlichen die Frage eines öffentlichen Interesses daran besonders kritisch zu prüfen und bei Kindern dem Schutz der Intimsphäre sogar Vorrang vor dem Nachrichtenwert einzuräumen ist.

In Bezug auf das überlebende Kind hält der Senat noch einmal fest, dass lediglich die Augenpartie des Kindes leicht verpixelt wurde. Nach Ansicht des Senats ist das Kind trotz dieser Verpixelung erkennbar. Vor diesem Hintergrund verletzt die Veröffentlichung des Fotos der Familie sowohl den Persönlichkeitsschutz der verstorbenen Abgebildeten als auch jenen des überlebenden Buben. Die Medieninhaberin wird aufgefordert, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINER
LESERIN

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 1 des Presserats aufgrund einer Mitteilung einer Leserin ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat von der Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

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