Wien (OTS) – Beschäftigte in der Reinigungsbranche arbeiten häufig an den Tagesrändern und haben zerrissene Arbeitszeiten. Eine Veranstaltung anlässlich des „Tages der Gebäudereinigung“ am 15.6. hat auf die negativen Folgen solcher Arbeitszeiten aufmerksam gemacht: Diese reichen von der Unsichtbarkeit der Arbeit über Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf bis zu gesundheitlichen Folgen.
Fachleute aus Wirtschaft, Interessenvertretung, Wissenschaft und Praxis diskutierten daher am Tag der Gebäudereinigung über Möglichkeiten, die Arbeitsbedingungen in der Branche zu verbessern und Gesundheitsrisiken zu senken. Die Enquete, organisiert vom Zentral-Arbeitsinspektorat (Bundesministerium für Arbeit) und der WU Wien, zeigte als Teil der EU-OSHA Kampagne „Gesunde Arbeit – entlasten Dich“, Ansätze für Verbesserungen auf. Dass andere Organisationsmodelle möglich sind, belegen unter anderem Berichte über die Einführung von Tagreinigung in Berliner Schulen und über die Verbreitung von Tagesarbeitszeit in der norwegischen Reinigungsbranche sowie erste praktische Erfahrungen aus Österreich.
Arbeitszeiten von Reinigungskräften: Zerrissen und an den Tagesrändern
Kundinnen und Kunden von Reinigungsunternehmen wünschen sich häufig, dass die Reinigungsarbeit möglichst „unsichtbar“ vor und nach den Arbeitszeiten ihrer eigenen Belegschaft erledigt wird. Störungen durch das Reinigungspersonal will man vermeiden. Damit sind mögliche negative Folgen für Gesundheit, Arbeits- und Lebensqualität der Reinigungskräfte verbunden: Sie arbeiten häufig an den Tagesrändern, also am frühen Morgen sowie am späten Nachmittag und Abend. Und sie haben häufig geteilte Dienste, d.h. zwei kurze Schichten an einem Tag und dazwischen eine mehrstündige unbezahlte Unterbrechung.
„Reinigungskräfte mit geteilten Diensten haben zerrissene Arbeitstage und doppelte Wegzeiten. Ihr gesamter Tag wird durch die Erwerbsarbeit strukturiert. Gleichzeitig kommen sie insgesamt dabei oft nur auf eine Teilzeitbeschäftigung“, erklärt Karin Sardadvar, Soziologin an der Wirtschaftsuniversität Wien, die zu den Arbeitsbedingungen in der Reinigungsbranche forscht.
Folgen von Arbeitszeit an Tagrändern: Unsichtbarkeit und Personalmangel
Unsichtbarkeit von Reinigungsarbeit, mangelnde Anerkennung und die Arbeitszeiten an den Tagesändern sind aktuelle Herausforderungen der Branche betonen die beiden Organisatorinnen der Veranstaltung, Julia Steurer (Zentral-Arbeitsinspektorat) und Karin Sardadvar (WU Wien). „Wir könnten nicht arbeiten, wären Büros, Geschäfte, Fabriken, öffentliche Einrichtungen nicht professionell gereinigt – insbesondere vor diesem Hintergrund erhält Reinigungsarbeit leider gesellschaftlich wenig Anerkennung“, hebt Arbeitspsychologin Steurer hervor. Sie führt einige weitere Belastungen und auch Folgen der mangelnden Anerkennung für den Muskel-Skelett-Apparat an.
Die gegenwärtigen Rand-Arbeitszeiten machen es auch schwierig, dringend gesuchte Arbeitskräfte für freie Stellen zu vermitteln, weiß Martin Sobotka, Abteilungsleiter beim AMS Wagramer Straße in Wien im Bereich Service für Unternehmen. „Je mehr Stunden die Reinigungskräfte beschäftigt werden können und je besser die Lage der Arbeitszeit ist, desto schneller und einfacher können Stellen besetzt werden“, so Sobotka. Das bestätigt auch ein aktuelles Forschungsprojekt, das bei der Veranstaltung präsentiert wurde: „Die Fluktuation in der Branche ist hoch und vergleichsweise viele Beschäftigte wünschen sich mehr Arbeitsstunden“, berichtet Arbeitsforscherin Bettina Stadler von FORBA aus einer aktuellen Studie zur Branche im Auftrag der AK Wien.
Wien, Oslo, Berlin: Alternativen sind möglich
Eine Alternative zu diesen belastenden Arbeitszeiten ist die Tagreinigung. Die Reinigung zu den Büro- und Geschäftszeiten ist in den letzten Jahrzehnten unüblich geworden und Tagreinigung erscheint auf den ersten Blick oft schwer umsetzbar. Inzwischen gibt es aber eine ganze Reihe an Beispielen, die zeigen, wie die Umstellung auf Tagreinigung gelingen kann, auch wenn Herausforderungen damit verbunden sind. Einige Beispiele wurden am Dienstag bei der Veranstaltung zum Tag der Reinigung diskutiert. So hat etwa das AMS selbst die Reinigungszeiten in den eigenen Geschäftsstellen in den letzten Jahren verändert: „In Wien haben inzwischen fast alle AMS-Geschäftsstellen schon auf Tagreinigung umgestellt“, erläutert Martin Sobotka.
Viveka Ansorge, Beraterin bei ArbeitGestalten in Berlin, stellte ein Projekt vor, bei dem Tagesreinigung in Berliner Schulen eingeführt wird. Zwei Dinge stellten sich bei der Einführung der Tagesreinigung als besonders wichtig heraus: gute Kommunikation und die Einbeziehung aller Betroffenen. „Für den Erfolg bei der Umstellung auf Tagreinigung ist zentral, dass alle, die es betrifft, im Vorfeld über die Veränderung informiert werden: Schülerinnen und Schüler ebenso wie Lehrende und anderes Personal in den Schulen“, betont Ansorge.
Arbeitsforscherin Karin Sardadvar berichtete bei der Veranstaltung von ihrer Forschung aus Norwegen: Dort wurden die Arbeitszeiten in der Reinigungsbranche erfolgreich auf Tagesarbeitszeit umgestellt. Wie das gelang? „Entscheidend war in Norwegen, dass nicht nur die Arbeitgebenden- und Arbeitnehmendenorganisationen sich gemeinsam für das Thema engagierten, sondern dass sie – mit Kampagnen und Arbeitskreisen – aktiv auch die Kundenunternehmen einbezogen“, so Sardadvar. „In dem Tagreinigung nach und nach in immer mehr Bereichen üblicher wurde, kam es in Norwegen zu einem gesellschaftlichen Wandel: Es wurde zum Normalfall, dass Reinigungskräfte gleichzeitig mit Beschäftigten in Büros oder Geschäften tätig sind“, erklärt die Soziologin.
Wie die Umstellung gelingen kann
Eine Umstellung auf Tagreinigung sollte, so ein wichtiges Ergebnis der Tagung, gut vorbereitet und eingeführt sein. Günstig sei etwa, wenn im Kundenunternehmen Transparenz darüber herrsche, welche Tätigkeiten überhaupt zu den Aufgaben der Reinigungskraft zählen, so Ursula Woditschka, Fachbereichssekretärin des Fachbereichs Gebäudemanagement in der Gewerkschaft vida. „Sind die Reinigungskräfte durch Tagreinigung sichtbar im Unternehmen, ist es wichtig, dass die Menschen vor Ort wissen, welchen Auftrag die Reinigungskraft hat, um Erwartungen vorzubeugen, für die die Reinigungskraft keinen Auftrag hat“, hebt Woditschka hervor. Gerhard Komarek, Bundesinnungsmeister der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger, Wirtschaftskammer Österreich, sieht Bereiche, wo eine Umstellung leichter möglich ist als in anderen. „Die Umstellung auf Tagreinigung ist mitunter sehr komplex. Dort zu beginnen, wo es vergleichsweise einfacher ist, wie beispielsweise in Büros von Verwaltung, Banken, öffentlicher Hand, bringt schon viele Vorteile – sowohl für Kundinnen und Kunden als auch für Dienstleistungsunternehmen und die Reinigungskraft.“
Ein Video zum Vormittag der Veranstaltung sowie weiter Informationen finden sich auf der Website des Arbeitsinspektorats zum Tag der Reinigung:
[https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Uebergreifendes/Europaeische_Kam
pagnen/Tag_der_Reinigung.html]
(https://www.arbeitsinspektion.gv.at/Uebergreifendes/Europaeische_Kam
pagnen/Tag_der_Reinigung.html)
Das Bundesministerium für Arbeit (Zentral-Arbeitsinspektorat) und die Wirtschaftsuniversität Wien (Institut für Soziologie und empirische Sozialforschung, in Zusammenarbeit mit der Abteilung Sozioökonomie der Arbeit und dem Kompetenzzentrum STaR, unterstützt durch Austrian Science Fund FWF: V-598) veranstalteten diese Enquete unter dem Schirm der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) im Rahmen der Kampagne „Gesunde Arbeitsplätze – entlasten Dich“ und in Kooperation mit der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien, der WKÖ (Bundesinnung der chemischen Gewerbe und der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger; Landesinnung der Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereiniger Wien) sowie der Gewerkschaft vida (Fachbereich Gebäudemanagement).
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