Wien (PK) – Das in den vergangenen Tagen diskutierte Thema der Umstrukturierungen im Heeresressort fand Eingang in die Debatte der heutigen Plenarsitzung des Nationalrats. Während die Opposition die Pläne als politische „Umfärbung“ ablehnte, betonte Verteidigungsministerin Tanner, dass die Reform notwendig für die Bewältigung künftiger Herausforderungen sei.
Eine Novelle der Heeresbesoldung passierte den Nationalrat einstimmig. Damit soll der Milizdienst attraktiver werden. Gleichzeitig wurde die Reform der Zivildienstvergütung einstimmig beschlossen. Außerdem forderten die Abgeordneten Verteidigungsministerin Tanner auf, ein Konzept für österreichweite autarke Kasernen zu erstellen sowie eine Studie über die Verfassungsmäßigkeit eines Luftraumüberwachungskonzepts in Kooperation mit EU-Partnerstaaten vorzulegen. Tanner erklärte, dass die autarken Kasernen bis 2024 fertiggestellt werden sollen.
Harmonisierung Heeresbesoldung und Anpassung der Grundvergütung beim Zivildienst
Rund um die coronabedingten Assistenzeinsätze des Bundesheers sind mehrere Problemstellungen zutage getreten. So zeigte sich, dass die Bezüge im Einsatz bei identen Funktionen zum Teil sehr unterschiedlich waren. Mit einer
Novelle des Heeresgebührengesetzes und des Heeresdisziplinargesetzes soll nun eine weitgehende Harmonisierung der „Einsatzbesoldung“ für Wehrpflichtige des Milizstandes und Frauen in Milizverwendung erfolgen. Um mehr Grundwehrdiener für den Milizeinsatz zu motivieren, soll zudem eine Freiwilligenprämie und eine Kaderausbildungsprämie ins Leben gerufen werden. Die Freiwilligenprämie sollen Grundwehrdiener erhalten, die sich zu Milizübungen melden. Die Novelle passierte den Nationalrat heute einstimmig.
Einstimmig angenommen wurde auch ein in Zusammenhang mit der Novelle eingebrachter Initiativantrag aller Fraktionen, mit dem analog zu der Änderung der Heeresbesoldung eine Anpassung der Grundvergütung für den ordentlichen oder außerordentlichen Zivildienst und des Zuschlags zur Grundvergütung bei Einsätzen erfolgt.
Friedrich Ofenauer (ÖVP) zeigte sich überzeugt, dass die Reform die Bedeutung der Miliz und die Attraktivität des Grundwehrdienstes verbessern werde. Im Grundwehrdienst werde es künftig mehr Zeit für Ausbildung geben.
Auf die Angleichung der Besoldung des Zivildienstes ging Michael Seemayer (SPÖ) ein. Diese sei begrüßenswert, komme aber nicht aus einem Selbstverständnis für faire Vergütung. Vielmehr komme die Regierung einer Empfehlung des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes nach, wonach dies sonst eine Ungleichbehandlung und damit verfassungswidrig wäre. Es gebe viele weitere Ungleichbehandlungen von Zivildienern. Seemayer führte als Beispiel an, dass Zivildienern kein Corona-Bonus zustehe. Es brauche insgesamt eine faire Behandlung der Zivildienstleistenden.
Die während der Pandemie zutage getretenen Gehaltsunterschiede haben zu Unmut in der Truppe geführt, sagte FPÖ-Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch. Dies werde jetzt durch die Harmonisierung der Heeresbesoldung ausgeglichen. Dies sei ein wichtiger Schritt in der Gerechtigkeit der Bezahlung von mobil gemachten SoldatInnen.
David Stögmüller (Grüne) begrüßte ebenfalls, dass die Ungleichheit von MilizsoldatInnen und Grundwehrdienern sowie Zivildienstleistenden harmonisiert würde. Dies sei „großartig und wichtig“. Mit der Kaderausbildungsprämie erfolge eine Attraktivierung. Grundwehrdienern würden damit Weiterbildungsangebote der Miliz offenstehen. Damit sollen junge Menschen die Zeit im Bundesheer als sinnvoll erleben. Bezüglich der Harmonisierung der Grundvergütung des Zivildienstes führte er an, dass sowohl der verlängerte als auch der außerordentliche freiwillige Zivildienst künftig „ordentlich“ bezahlt und damit eine Ungleichheit beendet würde.
NEOS-Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff begründete die Zustimmung seiner Fraktion damit, dass hier etwas „Gutes“ entstanden sei. Man sei gewillt gewesen, aus der Krise zu lernen, das sei ein begrüßenswerter Zugang. Die Novelle bringe ein Gleichgewicht in die Besoldung. Bezüglich der Erhöhung des Zivildienstentgeltes ergänzte sein Fraktionskollege Yannick Shetty, dass diese längst überfällig gewesen sei und für Betroffene Verbesserungen bringen würden. Die grundsätzliche Differenzierung der Vergütung zwischen außerordentlichem freiwilligen Zivildienst und außerordentlichem „zwangsverlängerten“ Zivildienst sei aber noch immer nicht behoben worden. Dies sei verfassungswidrig, kritisierte Shetty, und werde vom Verfassungsgerichtshof gerade geprüft.
Heeresressort: Umstrukturierungen in Diskussion
Im Zuge der Debatte rund um die Harmonisierung der Heeresbesoldung wurden auch geplante Umstrukturierungen im Heeresressort im Nationalrat zwischen Opposition und Regierung kontroversiell diskutiert. Während die Opposition vor einer „politischen Umfärbung des Ressorts“ warnte, betonte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner die Notwendigkeit schlankerer und schnellerer Strukturen. Sie begründete die Änderung der Geschäftseinteilung in ihrem Ressort damit, dass man das Bundesheer fit machen müsse für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Es dürfe keine Doppelgleisigkeiten und kein „Akten-Ping-Pong“ mehr geben. Vielmehr brauche es die besten und kürzesten Wege für die SoldatInnen. Es sei etwa nicht einzusehen, warum derzeit Entscheidungen für einfache Beschaffungen oft mehrere Jahre dauern. Das müsse geändert werden, um die Truppe zu stärken.
Friedrich Ofenauer (ÖVP) bekräftigte, dass es sich bei der geplanten Änderung der Geschäftseinteilung im Verteidigungsministerium um keine Heeresreform handle. Die Struktur der Truppe und die Standorte würden unverändert bleiben. Es komme zu einer Trennung der Verwaltung und einer Herauslösung der militärischen Führung. Künftig werde hierfür die Generaldirektion für Landesverteidigung zuständig sein. Dies werde die Truppe stärken, Verwaltungswege verkürzen und schnellere Entscheidungen ermöglichen.
Den Umbau des Verteidigungsressorts sah Cornelia Ecker (SPÖ) kritisch. Bundesministerin Tanner solle ihre Pläne im Sinne der Transparenz offenlegen und mit dem Parlament diskutieren. Eine Absage erteilte sie weiters einer Reduzierung des Kaders, dem Verkauf von Liegenschaften und der Auflösung von Brigaden.
Grundsätzlich würde man Umstrukturierungen unterstützen, die zur Straffung der Abläufe, Verkürzung der Dienstwege und zur Effizienzsteigerung führen, erklärte FPÖ-Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch. Bei den angekündigten Umstrukturierungen habe man aber den Verdacht, dass das Bundesheer eine „türkise Vorfeldorganisation“ der ÖVP werden soll. Außerdem hege man den Verdacht, dass das Bundesheer klein gehalten und seine Größe an die derzeitige mangelhafte Budgetierung angepasst werden soll.
Die Zusammenarbeit des Verteidigungsressorts mit dem Parlament funktioniere nicht, kritisierte NEOS-Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff. Das Parlament solle aber bei grundlegenden Fragen wie diesen einbezogen werden. Ein Konsens wäre hier wichtig. Für ihn sei das Ziel klar ein türkises Einfärben des Ressorts. So würden zwei Direktionsposten mit engsten MitarbeiterInnen der Verteidigungsministerin besetzt werden.
Nationalrat fordert Konzept für autarke Kasernen
In einem Entschließungsantrag treten die Freiheitlichen für die Strukturierung des Truppenübungsplatzes Allentsteig als Sicherheitsinsel ein. Im Krisen- und Katastrophenfall sollen sogenannte Sicherheitsinseln ein autarker Schutz- und Rückzugsort sein. Der Truppenübungsplatz in Allentsteig verfüge bereits über notwendige Merkmale einer Sicherheitsinsel, um die Region Waldviertel im Katastrophenfall zu versorgen, heißt es in der FPÖ-Initiative. Der Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Ein in diesem Zusammenhang von allen Fraktionen eingebrachter Antrag, wonach die Verteidigungsministerin bis Jahresende dem Nationalrat ein Gesamtkonzept für autarke Kasernen vorlegen soll, fand einhellige Zustimmung.
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner betonte, dass Autarkie wichtig sei. Sie sei notwendig, um bei Bedrohungsszenarien wie Blackouts rasch reagieren zu können. Derzeit werde ein Paket für autarke Kasernen entwickelt. Ziel sei, dass die autarken Kasernen bis 2024 fertiggestellt werden. Ein nächster Schritt müsse sein, dass Blaulichtorganisationen auch von diesen Maßnahmen profitieren können. Außerdem legte die Ministerin ein Bekenntnis ab, dass wieder in Kasernen gekocht werden soll, soweit dies möglich sei.
Das Bundesheer biete den BürgerInnen Schutz bei Krisen, strich Manfred Hofinger (ÖVP) hervor. Es brauche daher ein leistungsfähiges und starkes Bundesheer, das in den Regionen verankert ist. Die Autarkie der Kasernen sei wichtig, um eine gewisse Zeit im Krisenfall überbrücken zu können. Es sei daher gut, dass man an den Kasernenstandorten festhalte und in diese investiere. Dies sei auch gut für die Motivation der Truppe.
Petra Wimmer (SPÖ) erklärte, dass Sicherheitsinseln Kasernen seien, die in jedem Bereich eigenständig agieren könnten – von der Wasser-und Energieversorgung bis hin zur Verpflegung. Derzeit würden etwa die Speisen zentral gekocht, in die Kasernen geliefert und dort nur mehr aufgewärmt. Dies führe zu mehr Müll und unnötigen Lieferwegen. Dies sei auch im Sinne des Umweltschutzes abzulehnen. Für die Bevölkerung seien Sicherheitsinseln wichtige Anhaltepunkte im Falle von Blackouts. Es sei nicht die Frage, ob ein Blackout kommt, sondern wann dieser erfolge, zeigte sich die Abgeordnete überzeugt.
Sicherheitsinseln hätten im Falle von Blackouts eine große und wichtige Bedeutung, führte auch Abgeordneter Alois Kainz (FPÖ) aus. Die Versorgung der Bevölkerung könne so gewährleistet werden. Grundsätzlich stimme seine Fraktion dem Allparteienantrag zu. Kainz bemängelte aber, dass autarke Kasernen im Krisenfall zwar handlungsfähig bleiben würden, aber eine Unterstützung externer Personen nicht vorgesehen sei.
David Stögmüller (Grüne) unterstrich, dass es wichtig sei, Kasernen insgesamt und in Richtung Autarkie zu stärken. Dies unterstütze auch die Resilienz Österreichs im Allgemeinen. Ziel müsse sein, dass Kasernen 14 Tage autark arbeiten können. Dies sei derzeit nicht gegeben.
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) kritisierte den „lokalpatriotischen“ Zugang in der Diskussion. Man müsse aus dieser Sichtweise herauskommen und – so wie im Allparteienantrag vorgesehen – eine gesamtheitliche österreichweite Sicht anstreben.
NEOS fordern Expertise zur Verfassungsmäßigkeit für Kooperationen in der Luftraumüberwachung
Die Zukunft der österreichischen Luftraumüberwachung steht im Fokus eines Entschließungsantrags der NEOS, der in abgeänderter Form mehrheitlich angenommen wurde. Mit der nun beschlossenen Fassung des Antrags wird Verteidigungsministerin Klaudia Tanner aufgefordert, dem Nationalrat bis 31. Oktober 2021 eine Studie über die Verfassungsmäßigkeit eines Luftraumüberwachungskonzepts in Kooperation mit EU-Partnerstaaten vorzulegen. Diese soll eine Entscheidungsgrundlage für die Zukunft der Luftraumüberwachung vor dem Hintergrund der Ausmusterung der Saab 105 sein, erklären die NEOS.
Es sei sinnvoll auszuloten, welche Möglichkeiten Österreich für Synergien und Kooperationen mit den Nachbarländern in der Luftraumüberwachung habe, erklärte Michael Hammer (ÖVP). Eine effektive Luftraumüberwachung sei ein wichtiger und zentraler Bestandteil einer militärischen Landesverteidigung. Als neutraler Staat sei Österreich verpflichtet, den Luftraum zu überwachen und zu sichern.
Der Idee, die Luftraumüberwachung an das „Ausland zu delegieren“, erteilte Robert Laimer (SPÖ) eine Abfuhr. Diese sei nicht sinnvoll im Sinne der Souveränität Österreichs. Es sei vielmehr dem verfassungsmäßigen Auftrag einer eigenständigen Luftraumkontrolle nachzukommen. Man solle nun den Umgang mit dem in die Jahre gekommenen „Teurofighter“ diskutieren. Die derzeitigen Lücken in der Überwachung würden sich bald zu Löchern auswachsen. Der SPÖ-Abgeordnete appellierte auch, die Sicherheitsstrategie zu überarbeiten und Szenarien wie Cyberattacken darin aufzunehmen. Diese seien die „Bomben moderner Kriegsführung“.
Ein „Outsourcing“ der Luftraumüberwachung ins Ausland lehnte FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger dezidiert ab. Österreich sei weit weg davon, was ein souveräner neutraler Staat in der Luftraumüberwachung machen müsse. Das Bundesheer führe momentan mehr Hilfsdienste aus, es könne keine Rede mehr von Streitkräften sein. Die Bundesregierung stelle dem Bundesheer nicht ausreichend Mittel zur Verfügung.
Es sei sinnvoll, die Möglichkeiten einer Luftraumüberwachung im Vorfeld abzuklären, stimmte Abgeordneter David Stögmüller (Grüne) dem Anliegen des Antrags bei. Dies sei wichtig als Diskussionsgrundlage zur Absicherung der Luftraumüberwachung der nächsten Jahre.
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) bemängelte, dass die Luftraumüberwachung seit Jahren eine Baustelle sei. Es sei höchste Zeit, etwas zu unternehmen und es brauche einen Plan. Mit der Entschließung erhalte man eine Diskussionsgrundlage und könne erheben, was möglich sein könne. (Fortsetzung Nationalrat) pst
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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