Irreführender Kommentar über WKStA auf „krone.at“

Wien (OTS) – Nach Auffassung des Senats 1 verstößt der Kommentar „Kräftemessen“, erschienen am 27.02.2021 auf „krone.at“, gegen Punkt 2 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Genauigkeit).

Im Beitrag berichtet die Autorin über einen weiteren „Knalleffekt“ in der Justiz: Da marschiere eine Staatsanwältin in ein Höchstgericht, um den ehemaligen von der ÖVP nominierten parteifreien Justizminister Wolfgang Brandstetter abzufangen. Dass er von der WKStA als Beschuldigter geführt werde, habe er, wie es auch Finanzminister Gernot Blümel von sich behauptet, aus den Medien erfahren. Es sehe ganz so aus, als seien die Antikorruptionsjäger jetzt auf den Geschmack gekommen. Als würde umso eifriger gegen ÖVP-nahe Personen ermittelt, je heftiger die Vorwürfe der ÖVP gegen die WKStA würden, so die Autorin.

Ein Leser kritisierte, dass Wolfgang Brandstetter in Wahrheit von der StA Wien als Beschuldigter geführt werde und daher die WKStA im Kommentar zu Unrecht angegriffen werde. Die Medieninhaberin nahm am Verfahren vor dem Presserat nicht teil.

Zunächst hält der Senat fest, dass wesentliche Informationen auch in einem Kommentar richtig wiedergegeben werden müssen. Die Autorin geht im vorliegenden Kommentar auf das derzeit angespannte Verhältnis zwischen der ÖVP und Teilen der Justiz ein. Als konkretes Beispiel dafür dienen ihr die Ermittlungen gegen den ehemaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter. Nach Auffassung des Senats ist die Darstellung der WKStA als ermittelnde Behörde gegen Brandstetter ein Anknüpfungspunkt für die Kritik der Autorin und somit als wesentliche Information im Kommentar einzustufen.

Der Senat weist darauf hin, dass am 25.02.2021 der Öffentlichkeit bekannt wurde, dass Wolfgang Brandstetter von der StA Wien als Beschuldigter geführt wird. Noch am selben Tag veröffentlichte der ÖVP-Parlamentsklub eine Pressemitteilung. Darin wurde die ÖVP-Justizsprecherin damit zitiert, dass es sich in dieser Causa um den nächsten „WKStA-Patzer“ handle. Am darauffolgenden Tag wurde die Verwechslung der beiden Staatsanwaltschaften durch die ÖVP-Justizsprecherin von mehreren Medien und auch in verschiedenen sozialen Netzwerken aufgegriffen.

Der Autorin ist offenbar ein Recherchefehler unterlaufen: Sie hat die unrichtige Behauptung, dass Brandstetter von der WKStA als Beschuldigter geführt werde, erneut aufgestellt, allerdings zu einem Zeitpunkt, als bereits mehrere Medien auf den Fehler in der ÖVP-Presseaussendung hingewiesen haben. Auch auf „krone.at“ wurde am 26.02.2021 in dem Artikel „Brandstetter und Pilnacek im Visier der Ermittler“ korrekt berichtet, dass die StA Wien gegen Brandstetter ermittelt. Nach Meinung des Senats wäre es erforderlich gewesen, hier genauer zu recherchieren, zumal die Verwechslung in der ÖVP-Presseaussendung zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits allgemein bekannt war. Da die Autorin die WKStA im Kommentar zentral als Kontrahent in der Auseinandersetzung mit der ÖVP anführt, ist die Verwechslung der WKStA mit der StA Wien im konkreten Kontext von erheblicher Bedeutung.

Im Ergebnis entspricht die Nennung der falschen Staatsanwaltschaft nicht den Vorgaben des Punkt 2.1 des Ehrenkodex. Die Medieninhaberin wird aufgefordert, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten. Zudem merkt der Senat kritisch an, dass der Beitrag nach wie vor unverändert abrufbar ist und empfiehlt eine Anpassung im Sinne der vorliegenden Entscheidung.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der drei Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 1 des Presserats aufgrund einer Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin von „krone.at“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

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