Politik und Religionen bekennen sich zu Ethik und Religionsunterricht

Wien (KAP) – Der konfessionelle Religionsunterricht wie auch der nun für die Sekundarstufe II vorgesehene Ethikunterricht leisten „wesentliche, eigenständige Beiträge zur umfassenden Erreichung der Ziele der österreichischen Schule. Eine enge Kooperation der beiden Gegenstände sei daher ausdrücklich zu begrüßen und zu fördern. Das geht aus einer gemeinsamen Erklärung hervor, die Bildungsminister Heinz Faßmann und Spitzenvertreter jener Kirchen und Religionsgemeinschaften, die im Auftrag des Staates schulischen Religionsunterricht anbieten, am Montag in Wien unterzeichneten. Faßmann dankte den Religionsvertretern dafür, das Gemeinsame in den Mittelpunkt zu stellen und Trennendes beiseite zu lassen.

An der Pressekonferenz im Kuppelsaal der TU Wien nahmen neben dem Bildungsminister auch die jeweiligen Schulverantwortlichen der Kirchen und Religionen teil: Bischof Wilhelm Krautwaschl (Graz-Seckau) für die Katholische Kirche, Metropolit Arsenios (Kardamakis) für die Orthodoxen, weiters Ümit Vural, Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Rabbiner Schlomo Hofmeister, Gerhard Weißgrab, Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft sowie Vertreter der Evangelischen Kirche, der Aleviten und der Freikirchen. Moderatorin war die Andrea Pinz, Leiterin des Interdiözesanen Amts für Unterricht und Erziehung sowie des Schulamts der Erzdiözese Wien.

Hintergrund der Pressekonferenz und der nachfolgenden Erklärungsunterzeichnung: Ab Herbst 2021 gibt es für jene Schülerinnen und Schüler ab der 9. Schulstufe, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, einen verpflichtenden Ethikunterricht im Ausmaß von zwei Wochenstunden. Davon betroffen sind somit alle, die sich vom Religionsunterricht abmelden oder diesen wegen Konfessionslosigkeit nicht besuchen. Das neue alternative Pflichtfach wird in den Oberstufen von Allgemeinbildenden Höheren Schulen (AHS) und Berufsbildenden Mittleren und Höheren Schulen (BMHS) aufsteigend implementiert.

Damit werde ein ihm sehr wichtiges Anliegen verwirklicht, nämlich alle Oberstufenschülerinnen und -schüler mit ethischen Grundfragen zu konfrontieren, betonte Minister Faßmann. Er skizzierte kurz die verschiedenen inhaltlichen Ebenen der neuen Lehrpläne, die mit „Ich mit mir“, „Ich und du“ sowie „Ich und die Welt“ umschrieben werden können und grundlegende Fragen wie Identitätsbildung, Zusammenleben und Wertesysteme umfassen. Als bemerkenswert und vorbildlich hob Faßmann hervor, dass auch die mit schulischem Religionsunterricht betrauten Glaubensgemeinschaften die genannten Ebenen in ihren Lehrplänen verankern – neben einem autonomen Bereich, in dem sie ethische Grundfragen aus ihrer jeweiligen religionsspezifischen Sicht aufgreifen. Damit werde der Religionsunterricht „nicht eingeebnet“, so der Minister.

Faßmann erinnerte daran, dass sich alle Religionsgemeinschaften und auch Parteien bereits 2010 bei einer parlamentarischen Enquete zu einem zusätzlichen Pflichtgegenstand Ethik bekannten, der in Ergänzung und nicht als Konkurrenz zum Religionsunterricht zu verstehen sei. Manchen Parteien hätten dies wohl wieder vergessen, merkte der Minister kritisch an. Mit dem ab Herbst eingeführten Ethikunterricht werde nun ein vorläufiger Endpunkt erreicht – wobei schon daran gedacht sei, längerfristig auch Unterstufen-, Poly- und Berufsschüler Ethikunterricht zu bieten. Die nunmehrige Regelung kommentierte Faßmann abschließend mit: „Wir bewegen uns doch – und manchmal aufeinander zu.“

Krautwaschl: Ethisches Fundament für alle

Bischof Krautwaschl, in der Österreichischen Bischofskonferenz für Bildungs- bzw. Schulfragen zuständig, betonte, dass die Katholische Kirche den Ethikunterricht begrüße, „weil nunmehr allen Schülerinnen und Schülern ethische Bildung ermöglicht wird“. Damit sei gewährleistet, „dass niemand die Schule ohne ethisches Fundament verlässt und zugleich, dass alle in ihren Lebensidealen ernst genommen werden“. Der Ethikunterricht sei keine Konkurrenz zum Religionsunterricht, „sondern zielt auf kontinuierliche Kooperationen ab“, zeigte sich Krautwaschl überzeugt. Nachsatz: „Dass es nun Ethik-und Religionsunterricht gibt, entspricht am besten dem demokratischen Verständnis unserer aufgeklärten Gesellschaft.“

Im Blick auf den Religionsunterricht betonte der Bischof, dass dieser die Menschen auf der Suche nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens begleite: „Woher komme ich? Wohin gehe ich?“ Bei dieser Suche stoße man früher oder später auf eine „letzte Instanz, die nicht mehr einfach begreiflich ist“. Von diesem Standpunkt aus werde im Religionsunterricht geantwortet.

Ethische Aspekte seien schon deswegen immer ein Teil von Religion, „weil die grundlegenden Themen des Lebens angegangen werden, die Schülerinnen und Schüler zu gesellschaftlicher Mitgestaltung, zu Dialog, zu Solidarität und vielem mehr befähigen“, so Krautwaschl:
„Soziales Zusammenleben, Friede, Gerechtigkeit, Schöpfungsverantwortung, Menschenrechte – all das sind Themen im Religionsunterricht.“

In Österreich würden pro Jahr rund 45.000 Kinder getauft und gehörten damit einer Gemeinschaft von knapp fünf Millionen Katholikinnen und Katholiken an. Rund sieben Millionen Menschen würden sich in Österreich zu einer Religionsgemeinschaft bekennen. Der Religionsunterricht bilde Identität und helfe den Schülerinnen und Schüler, „offen und vorurteilsfrei auf Angehörige anderer Religionen zugehen zu können, die uns tagaus, -ein im Alltag begegnen“, so Krautwaschl weiter. Darüber hinaus dürfe auch nicht vergessen werden, „dass unsere Gesellschaft auf einem Wertegerüst ruht, das in vielem aus der jüdisch-christlichen Tradition erwachsen ist“.

Auch Metropolit Arsenios unterstrich die Brücken schlagende Bedeutung des Religionsunterrichts, der für orthodoxe Jugendliche unterschiedlicher Kirchen geboten werde. Gemeinsame Grundlage sei die Bibel, die nicht nur die Beziehung Mensch-Gott darstelle, sondern auch jene zwischen den Menschen untereinander und zwischen Mensch und Schöpfung – ethisch grundlegende Bereiche.

IGGÖ-Präsident Vural wies auf die Kluft zwischen der Außenwahrnehmung und der Innensicht des Islam hin und betonte, islamischer Religionsunterricht leiste einen Beitrag zur Achtung von Demokratie und Menschenrechten: „Muslimisch-österreichisch ist kein Widerspruch“, so Vural.

Dass aus seiner Sicht nichts gegen die Qualifizierung von Religionslehrkräften zu Ethiklehrern spricht, legte Rabbiner Hofmeister dar. Denn es könne grundsätzlich keine Werteneutralität im Unterricht geben. Präsident Weißgrab verglich im Anschluss an ein Zitat des Dalai Lama Ethik mit Wasser und Religion mit Tee als ein „Darüber-Hinaus“; beides sei somit kein Gegensatz. Und: Tee enthalte immer Wasser und somit enthalte Religion immer schon Ethik, so Weißgrab unter Bezugnahme auf den Vergleich.

Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und die Vertreter der Religionsgemeinschaften unterzeichneten zum Thema Religionsunterricht und Ethikunterricht eine gemeinsame Erklärung. Darin wird betont, dass der Religionsunterricht sowie der Ethikunterricht wesentliche, eigenständige Beiträge zur umfassenden Erreichung der Ziele der österreichischen Schule leisten würden. Eine enge Kooperation der beiden Gegenstände werde daher ausdrücklich begrüßt und gefördert.

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