Wien (OTS) – Die schon traditionell im Frühjahr erstellte Arzneimittel-Innovationsbilanz für Österreich ist dieses Jahr auch eine Bilanz über Pharmaforschung in der Corona-Krise. Trotz Pandemie konnten 2020 mehr neue Wirkstoffe in Europa zugelassen werden als 2019, darunter vor allem zahlreiche Medikamente gegen Krebs. Gleichzeitig wurde alles aufgeboten, um der COVID-19-Pandemie mit Impfungen und Arzneimitteln Herr zu werden. Ein Report von der Medizinmarktaufsicht der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES MEA) und dem Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie in Österreich (FOPI).
„Das letzte Jahr hat auf breiter Basis gezeigt, wie bedeutsam pharmazeutische Forschung und Entwicklung ist. Während sonst meist kleinere Patientengruppen auf neue Therapien hoffen, hat 2020 die ganze Welt ihre Hoffnung an lebensrettende Impfungen und Medikamente gegen COVID-19 geknüpft“, sagt Bernhard Ecker, Präsident des FOPI, anlässlich der Präsentation der Arzneimittel-Innovationsbilanz 2020. „Und sie wurde nicht enttäuscht: In Rekordzeit konnten dank bereits vorhandener Forschungsgrundlagen Impfstoffe und Therapeutika entwickelt sowie zugelassen werden.“
„Dies ist das perfekte Beispiel für die Innovationskraft der Pharmaunternehmen. Die Erfolge sind aber nicht selbstverständlich und kommen auch nicht von ungefähr“, betont Ecker. Die Pharmaindustrie investiert weltweit Milliarden in Forschung und Entwicklung. In Europa, den USA und Japan wurden laut einer im Februar 2021 veröffentlichten Erhebung zuletzt 98,2 Mrd. Euro aufgewendet. Damit führt die Branche auch das Ranking aller Hochtechnologiesektoren in puncto F&E-Quote an. Über 15 % des Umsatzes fließen in Forschung & Entwicklung – deutlich mehr als in der Software-, Hardware- oder Autoindustrie.
Im Durchschnitt betragen die Entwicklungskosten für ein neues Medikament 2,2 Mrd. Euro. Das ist das 14fache vom Wert der 70er bzw. frühen 80er Jahre. Gleichzeitig ist das Risiko eines Fehlschlags enorm. Von 10.000 neu entdeckten Substanzen schaffen es nur ein bis zwei bis zur Marktreife. Ein Großteil des Engagements und der Investments muss als ‚leere Kilometer‘ abgeschrieben werden.
Klinische Forschung europaweit im Steigen – in Österreich
stabil
Dennoch werden die Forschungsaktivitäten laufend intensiviert, was an den gestarteten klinischen Studien abzulesen ist. Von 2016 bis 2019 erhöhte sich die Zahl der Studienprojekte europaweit um fast 10 % von 4.903 auf 5.369. In Österreich ist der Wert seit fünf Jahren relativ stabil. Im Durchschnitt werden rund 260 Studien pro Jahr gestartet.
Der Fokus der klinischen Forschung liegt unverändert auf der Onkologie, was sich am hohen Anteil an klinischen Studien zeigt. Im Jahr 2020 hatte allerdings die Corona-Pandemie einen massiven Impact:
Fast 15 % der europaweiten klinischen Studien entfällt gemäß der vorläufigen Zahlen auf COVID-19.
Weit über 300 innovative Arzneimittel in den letzten neun
Jahren
Das Abbild und Ergebnis dieser intensiven Forschungsarbeit sind innovative Medikamente mit neuen Wirkstoffen. Insgesamt 39 Innovationen konnten 2020 in der Europäischen Union und damit auch in Österreich zugelassen worden – darunter die ersten Erfolge im Kampf gegen die Pandemie. Neben den beiden COVID-19-Wirkstoffen erlangten 11 Onkologika, 4 Medikamente gegen seltene Erkrankungen bei Kindern, sowie zahlreiche Arzneimittel für Therapiegebiete wie Multiple Sklerose, Influenza, HIV oder Rheumatoide Arthritis die Zulassung.
Nach Kategorien unterteilt entfallen 59 % der neuen Wirkstoffe auf kleine chemische Moleküle, der Rest auf biologische Wirkstoffe – nämlich 18 % monoklonale Antikörper, 15 % sonstige biotechnologische Therapien und 8 % Gen-Therapien.
„In den letzten neun Jahren wurden in Summe 337 innovative Arzneimittel in Österreich zugelassen“, erläutert Christa Wirthumer-Hoche, Leiterin des Geschäftsfelds Medizinmarktaufsicht der AGES MEA. „Nach 2019 ist die Zahl 2020 wieder auf das hohe Niveau der Zeit davor zurückgekehrt – was zweifelsohne als Signal für die Innovationskraft der Branche gewertet werden kann.“
„2020 war ein Jahr der Innovationen“, so Wirthumer-Hoche. „Noch nie wurden so rasch Impfungen oder Medikamente entwickelt. Noch nie gab es so viele Kooperationen zwischen Unternehmen und Forschungszentren. Und noch nie war die Zusammenarbeit zwischen Forschung, Industrie, Zulassungsbehörden und letztlich auch Regierungen so eng und konstruktiv.“
„Auch die EMA hat in diesem Jahr ihre Abläufe revolutioniert und – im Schulterschluss mit den nationalen Behörden – mit Hilfe des Rolling Review die Zulassungsprozesse markant verkürzt“, so Wirthumer-Hoche. „Das ist einzigartig und sollte bei künftigen Reformschritten berücksichtigt werden.“
Neue Arzneimittel mit hohem therapeutischem Nutzen
Beispiele für die innovative Forschungsarbeit der letzten Jahre sind aus Sicht der AGES unter anderem drei exemplarischen Arzneimittel-Innovationen aus 2020:
- Remdesivir (Veklury) – der erste antivirale COVID-19 Wirkstoff
zur Behandlung von Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren mit schwerem COVID-19 und Lungenentzündung, die eine Sauerstoffzufuhr benötigen - Tozinameran (Comirnaty) – der erste COVID-19 Impfstoff, basierend auf mRNA-Technologie, mit hoher Wirksamkeit und Sicherheit („BioNTech/Pfizer-Corona-Impfstoff“). Mengenmäßig das Rückgrat der europäischen und österreichischen COVID-Impfstrategie
- Onasemnogen-Abeparvovec (Zolgensma) – die erste Gentherapie gegen Spinale Muskelatrophie bei Kindern. Therapeutisch definitiv ein „Game-Changer“ der Therapie dieser, durch neurologischen Muskelschwund durch Mutation des SMN1-Gens, bislang unweigerlich zu Lähmungen und Tod von Kindern führenden Erkrankung
Potenzial von über 400 Medikamenten in Forschungsprojekten bis
2023
„Viele Krankheiten sind in den letzten Jahren besser behandelbar geworden. Doch es gibt weiterhin Erkrankungen, in denen es hohen medizinischen Bedarf gibt“, betont Bernhard Ecker. „Deshalb sind die Anstrengungen der forschenden Pharmaindustrie ungebrochen hoch.“ Laut einer Studie des deutschen Schwesterverband vfa könnten bis Ende 2023 insgesamt 434 Forschungsprojekte für 145 Krankheiten zu einer Zulassung oder Zulassungserweiterung für ein Medikament führen. „Das zeigt das enorme Potenzial“, meint Ecker, „und lässt sich im Trend auch auf Österreich umlegen, selbst wenn die exakten Zahlen für Deutschland gelten.“
Hohe Bedeutung Österreichs im europäischen Zulassungsprozess
Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit(AGES MEA) hat übrigens auch im zentralen europäischen Zulassungsprozess eine besonders große Bedeutung. Letztes Jahr erhielt die AGES MEA für 17 Zulassungsverfahren den Zuschlag, die Hauptbegutachtung vorzunehmen – für zehn als so genannter Rapporteur, für weitere sieben als Co-Rapporteur. Zudem war Österreich in neun multinationalen Teams vertreten. Damit liegt die heimische Institution sowohl im Bereich Begutachtung für zentrale Zulassungsverfahren als auch bei den Verfahren zur wissenschaftlichen Beratung im europäischen Spitzenfeld. „Wir spielen auf diesem Gebiet zweifellos eine wichtige Rolle“, so Christa Wirthumer-Hoche, „und das resultiert nicht zuletzt aus der hohen Kompetenz und dem großen Engagement der AGES-MEA-ExpertInnen.“
Weitere Bilder in der [APA-Fotoservice-Galerie]
(https://www.apa-fotoservice.at/galerie/25207)
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. FOPI - Forum der forschenden pharmazeutischen Industrie