Ökosoziale Foren fordern Zukunftsmilliarde als Corona-Ausgleich für die Jugend

Wien (OTS) – Die Covid-Pandemie belastet Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in besonderem Ausmaß. Studien zeigen, dass insbesondere OberstufenschülerInnen viel Zeit in das Arbeiten für die Schule investiert haben: Im zweiten Lockdown waren es bei mehr als 60 Prozent mehr als acht Stunden pro Tag; die meiste Zeit davon vor dem Computer. Motivation ist dabei ein großes Problem, auch wenn Lehrerinnen und Lehrer die SchülerInnen mittlerweile besser unterstützen können. Den Schülerinnen und Schülern fehlt vor allem der Kontakt zu Gleichaltrigen. Vergleichbare Beobachtungen konnten bei Studierenden gemacht werden.

In der aktuellen Debatte wird oft vergessen, wie es den jungen Menschen geht. Seit mehr als einem Jahr stehen sie mehr oder weniger unter Hausarrest; in einer Phase, in der Weichen für das künftige Leben gestellt werden und die Loslösung vom Elternhaus stattfindet. Diese Lebensphase ist ohnehin mit großen Unsicherheiten behaftet – die Pandemie hat den jungen Menschen noch zusätzlich sehr schwierige Umstände aufgebürdet: Viele haben in der Krise ihre Studentenjobs verloren, Probleme beim Jobeinstieg oder finden keine Praktikumsplätze oder Lehrstellen.

Das Ökosoziale Forum Österreich & Europa, das Ökosoziale Studierendenforum und das Ökosoziale SchülerInnenforum fordern daher von der Bundesregierung die Umsetzung von 12 Maßnahmen, um die Pandemiefolgen für junge Menschen abzufedern. Finanziert werden sollen diese durch eine „Zukunftsmilliarde“ als Teil der Comeback-Pläne der Regierung.

Bildungspsychologin Christiane Spiel, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats im Ökosozialen Forum, appellierte, die besondere Situation von jungen Menschen in der Pandemie anzuerkennen und SchülerInnen, Studierenden und Lehrlinge zu unterstützen sowie ihre Erfahrungen gemeinsam aufzuarbeiten. Viele hätten wichtige Kompetenzen in der Krise erworben, diese gelte es künftig zu nutzen. Gleichzeitig müssen negative Erfahrungen systematisch aufgearbeitet werden, sichere soziale Kontakte ermöglicht und Nicht-Erlerntes nachgeholt werden. „Unser Bildungssystem ist in hohem Maße gefordert, die versprochene Chancengerechtigkeit endlich zu ermöglichen, Selbstorganisation sowie digitale Kompetenzen vermehrt zu fördern und für andere Krisen zu lernen“, fasst Spiel die Forderungen des wissenschaftlichen Beirats im Ökosozialen Forum an die Bundesregierung zusammen.

Die Vorsitzende des Ökosozialen Studierendenforums, Veronika Hebenstreit, skizzierte die Lage der Studierenden in der Pandemie. Viele StudienanfängerInnen haben ihre Universität noch nie von innen gesehen, aber auch der Wegfall von Verdienstmöglichkeiten durch Lockdowns und Gastroschließungen hat viele in eine prekäre Lage gebracht. Denn zwei Drittel der Studierenden waren vor der Krise zusätzlich zum Studium erwerbstätig, die Hälfte von ihnen geringfügig. Das sind tendenziell jene Jobs, die in schwierigen Zeiten zuerst wegfallen. „Deshalb ist die Aufstockung des Härtefallfonds für Studierende dringend notwendig“, so Hebenstreit. „Darüber hinaus soll in den Sommermonaten eine weitere Prüfungsmöglichkeit geschaffen werden. Die ermöglicht vor allem jenen, die aufgrund von technischen Problemen aus Prüfungen rausgefallen sind, ihr Studium möglichst in der geplanten Zeit zu absolvieren.“

Jasmin Weingartner vom Ökosozialen SchülerInnenforum schilderte eindringlich die aktuelle Situation von SchülerInnen und MaturantInnen. In ihren letzten eineinhalb Schuljahren konnten sie bisher nur neun Wochen die Schule regulär im Normalbetrieb besuchen, 19 Wochen waren Schichtbetrieb und 16 reines Distance Learning. Viele Aspekte funktionieren auch nach eineinhalb Jahren noch unzureichend. Weingartner äußerte daher Zweifel, ob die diesjährige Matura als gleichwertig betrachtet werden wird. „Uns fehlen wichtige Praktikumszeiten. Und das ist auf jeden Fall kein Vorteil beim Jobeinstieg. Deshalb brauchen wir einen massiven Ausbau der Praktikumsplätze. Es soll nicht wie letztes Jahr zu kurzfristigen Absagen kommen, wenn es keine Alternativen gibt“, so Weingartner.

„Es heißt immer, den Jungen gehöre die Zukunft. Jedenfalls gehören Ihnen die 50 Mrd. Euro Schulden, mit denen wir die Krise jetzt bekämpfen“, stellte Hans Mayrhofer, Generalsekretär des Ökosozialen Forums Österreich und Europa, fest. „Es ist richtig, jetzt proaktiv die Pandemiefolgen zu bekämpfen. Aber stellen wir sicher, dass die Jugend ebenso entschädigt wird wie andere auch. Daher müssen alle Maßnahmen einem Generationencheck unterzogen werden, um zu überprüfen, ob auch junge Menschen einen fairen Anteil erhalten. Die Rechnung dafür bekommen sie letztlich sowieso. Geben wir ihnen die Chance, sie auch bezahlen zu können, in dem wir ihnen das Rüstzeug mitgeben, Leistungsträger zu werden.“

Die Forderungen an die Bundesregierung im Detail

1. Massiver Ausbau von Maßnahmen (z.B. Buddy-Systeme, Mentoring,
Förderunterricht, Summerschools) zur Förderung von
Chancengerechtigkeit im Bildungssystem durch individuelle Förder-,
Unterstützungs- und Lernpläne
2. Ausbau der Infrastruktur für die Digitalisierung an Schulen und
Universitäten und Hochschulen
3. Anpassung der Lehrinhalte an Schulen durch eine Differenzierung
in „Pflicht“ und „Kür“
4. Systematische Aufarbeitung der Erfahrungen hinsichtlich des
Umgangs mit Krise, Selbstorganisation, Digital Learning etc. an
Schulen, Hochschulen und Universitäten5. Massiver Ausbau
psychosozialer Beratungs- und Betreuungsdienste für Kinder,
Jugendliche und junge Erwachsene
6. Offensive bei Praktikumsplätzen und Lehrstellen
7. Qualifizierungsoffensive gegen Jugendarbeitslosigkeit
8. Öffnung universitärer Lernräume und Bibliotheken und eine
zusätzliche Prüfungsmöglichkeit pro Lehrveranstaltung in den
Sommermonaten 2021 sowie Unterstützung der Teilnahme an Summerschools
9. Verdreifachung des aktuellen Härtefallfonds für Studierende und
steuerliche Absetzbarkeit von Internet- und Computer-Kosten für
Studierende in Form einer Negativsteuer
10. Kostenlose Lern-/Sport-/Freizeitcamps in Österreich für alle 10-
bis 18-Jährigen
11. Gratis-Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für unter 26-Jährige
im Juli und August 2021
12. Interrail-Ticket zum halben Preis im Sommer 2021 für Jugendliche

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