Wien (OTS) – SOS-Kinderdorf und Rat auf Draht schlagen Alarm: „Jungen Menschen geht die Luft aus. Die psychische Verfassung von Jugendlichen ist dramatisch, die seit einem Jahr anhaltenden Corona-Maßnahmen machen den Druck unbewältigbar. Schon jetzt sind Folgeschäden sicher. Es braucht dringend einen Plan“, so Katrin Grabner, Kinderrechtsexpertin bei SOS-Kinderdorf und Birgit Satke, Leiterin von Rat auf Draht.
Vor einem Jahr wurde Österreich zugesperrt. Für Jugendliche waren die Corona-Einschränkungen besonders belastend. Ein Jahr, in dem Schulen mehr geschlossen als offen hatten und der Druck am Arbeitsmarkt brisant zunahm. Ein Jahr, in dem sich Jugendliche von heute auf morgen selbst organisieren mussten, ihre Freundinnen und Freunde nicht mehr sehen durften und Angst hatten, den Anschluss zu verlieren. Die Jugend eine unbeschwerte Zeit? Schon längst nicht mehr.
Wie groß die psychische Belastung von Jugendlichen ist, zeigen aktuelle Zahlen von Rat auf Draht. Die Notrufnummer zieht ein Jahr nach dem ersten Lockdown Bilanz: „Die Dramatik und Dringlichkeit der Themen hat stark zugenommen. Statt über Liebeskummer oder die erste Reise ohne Eltern führen wir verstärkt Gespräche zu Angstzuständen, Essstörungen und Suizid“, so Birgit Satke, Leiterin von Rat auf Draht.
Themen-Entwicklung in der Beratung von Rat auf Draht:
- Angst: + 61 %
- Überforderung mit Schule und Home Schooling: + 159 %
- Arbeitslosigkeit: + 60 %
- Essstörungen: + 35 %
- Schlafstörungen: + 64 %
- Psychische Erkrankungen wie Panikattacken, Depressionen,
Borderline: + 45 % - Suizidgedanken: + 15 %
(1. März 2020 bis 28. Februar 2021 verglichen mit dem Vorjahreszeitraum)
Düstere Zukunftsperspektiven
Die Jugendarbeitslosigkeit ist so hoch wie seit der Wirtschafts- und Finanzkrise vor zwölf Jahren nicht mehr. Jugendliche haben Existenzängste und können sich kein eigenständiges Leben aufbauen. „Dazu kommen gesellschaftliche Normen, der Filter des perfekten Lebens auf den soziale Medien und Leistungsdruck in der Schule – Jugendliche stehen von allen Seiten unter Druck“, sagt Katrin Grabner, Kinderrechtsexpertin bei SOS-Kinderdorf. „Studien belegen, dass Jugendliche seit Jahren pessimistischer werden und ihnen Orientierung und Halt fehlt. In Zeiten der Pandemie wird das noch verstärkt. Nichts ist planbar und statt einer positiven Perspektive sehen junge Menschen in eine ungewisse Zukunft. Wenn wir jetzt nicht handeln, wird das dramatische Auswirkungen auf ihren weiteren Lebensweg haben.“
Damit Jugendliche die stabile Basis bekommen, die sie brauchen, um sich gut und gesund entfalten zu können, fordert SOS-Kinderdorf ein umfassendes Gesamtpaket zur Entlastung der Jugend.
Fokus auf die Jugend
Neben ausreichender psychosozialer Versorgung brauchen junge Menschen finanzielle Sicherheit und gute Bildungs- sowie Job-Perspektiven. „Es reicht nicht, erste Hilfe zu leisten, wenn Jugendliche bereits an ernsten psychischen Erkrankungen leiden. Wir müssen die Ursachen des Problems angehen,“ so Grabner. Als ersten Schritt zur Stärkung der Jugend fordert SOS-Kinderdorf ein bezahltes Perspektivenjahr für 18- bis 21-Jährige. Die Corona-Pandemie hat der Jugend bereits ein ganzes Jahr gestohlen und noch ist kein Ende in Sicht. Viele Jugendliche können ihre Ausbildung nicht wie geplant abschließen oder der Berufseinstieg verzögert sich. „Für einen gewissen Zeitraum finanzielle Unterstützung zu bekommen, die an keine Bedingungen geknüpft ist, würde ein Stück Sicherheit zurückgeben. Und das weit über die Corona-Zeit hinaus. Junge Menschen könnten frei von finanziellem und gesellschaftlichem Druck Erfahrungen sammeln, eigene Perspektiven entwickeln und auch einmal die Richtung ändern“, so Grabner.
Beispiele etwa aus Dänemark oder Irland zeigen die positiven Effekte. Ein Jahr der Orientierung ermöglicht es Jugendlichen, ihren Weg zu finden und langfristig gute Berufs- oder Studienentscheidungen zu treffen. Österreich könnte hier mit innovativen Lösungen ein deutliches Zeichen setzen. „Wenn junge Menschen selbstbewusst ihre Zukunft gestalten, profitiert davon die gesamte Gesellschaft“, so Grabner.
Zudem braucht es weitreichende Maßnahmen zur Bewältigung der Arbeitsmarktkrise, von der junge Menschen besonders betroffen sind. SOS-Kinderdorf fordert ein Krisenbudget um die Arbeitslosigkeit von 15- bis 25-Jährigen zu bekämpfen und Langzeitfolgen der Corona-Pandemie zu verhindern.
„Corona hat vielfach nur verstärkt, was bereits lange brodelte“, so Grabner. „Jugendliche brauchen eine stabile Basis, um motiviert ihren Weg gehen zu können. Diese Basis bröckelt massiv. Wir müssen darum schnell handeln!“
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