EU-Ausschuss des Bundesrats: Aktuelle Aussprache über Prioritäten des portugiesischen EU-Ratsvorsitzes

Wien (PK) – Der portugiesische Botschafter in Österreich Antonio Almeida Ribeiro präsentierte in der heutigen Sitzung des EU-Ausschusses des Bundesrats die Prioritäten des portugiesischen EU-Ratsvorsitzes. Unter dem Motto „Zeit zu handeln: ein fairer, grüner und digitaler Aufschwung“ („Time to deliver: for a fair, green and digital recovery“)hat Portugal am 1. Jänner seinen bislang vierten Vorsitz im Rat der EU übernommen.

Die europäischen Werte und die EU als Wohlstandsgemeinschaft können auch für den Rest der Welt einen positiven Wandel herbeiführen, zeigte sich Botschafter Almeida Ribeiro überzeugt. Die Bewältigung der COVID-19-Pandemie, insbesondere im Hinblick auf deren wirtschaftliche und soziale Auswirkungen, soll aus seiner Sicht durch den grünen und digitalen Wandel unterstützt werden. Dabei setze der portugiesische Ratsvorsitz auf die Umsetzung des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) und des Aufbauinstruments (RRF inkl. nationale Resilienz- und Aufbaupläne) für eine wirtschaftliche Erholung, aber auch auf die erfolgreiche gemeinsame Beschaffung und Verteilung des Impfstoffes in der EU, sodass aber auch in anderen Ländern niemand zurückbleibe. Neben der Implementierung des Green Deals und der Verpflichtungen zur Emissionsreduktion im Kampf gegen den Klimawandel – etwa mit Annahme des Klimaschutzgesetzes – stehe eine europäische „Leadership“ in den Bereichen digitale Wirtschaft, Daten und Konnektivität basierend auf ethischen Werten im Fokus, so Almeida Ribeiro.

Für die soziale Säule der EU als zentrales Element zur Sicherstellung eines fairen und inklusiven grünen und digitalen Wandels gelte es, sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird. Als Schlüsselevent für das Thema Europäisches Sozialmodell, wofür es als Grundlage Vertrauen brauche, bezeichnete er den für Mai geplanten Sozialgipfel in Porto, um gemeinsam zum Aktionsplan der EU beizutragen, der davor im Februar veröffentlicht werden soll. Auch mit der Konferenz zur Zukunft Europas gehe es um die Einbindung und Erwartungen der Bevölkerung, „welche EU wir aufbauen möchten“, so der Botschafter Portugals.

Almeida Ribeiro hob etwa in der Migrationspolitik den Aspekt des Gleichgewichts zwischen irregulärer und regulärer Migration hervor. Im Bereich der Agrarpolitik gebe es das Bemühen um eine politische Einigung und einen Fokus auf Stärkung der landwirtschaftlichen Lebensmitteproduktion. Besonderes Augenmerk habe hier etwa das Mercosur-Abkommen.

Insgesamt habe auch die Stärkung der strategischen Autonomie und zugleich der Weltoffenheit Europas Priorität, so der Botschafter. Das betreffe unter anderem die Entwicklung einer dynamischen Industriestrategie mit Fokus auf Wertschöpfungsketten und der Stärkung von KMU, aber auch die internationale Zusammenarbeit.

Debatte über Mercosur-Abkommen, Sozialsystem, Zentralisierung und Brexit

In der Debatte räumte Botschafter Almeida Ribeiro etwa auf Fragen von Martin Preineder (ÖVP/N) und Stefan Schennach (SPÖ/W) ein, Portugal sei zwar für den Freihandel, aber die Landwirtschaft und heimische Produktion habe einen wichtigen Stellenwert. Im Zusammenhang mit dem Mercosur-Abkommen betonten Preineder und Schennach, Österreich lehne dieses ab. In der Wahrnehmung des portugiesischen Botschafters gebe es dazu aber auch kontroverse Positionen, so habe er in der österreichischen Wirtschaftskammer die Befürwortung des Abkommens vernommen. Portugal sei überzeugt, dass Mercosur einen riesigen Markt schaffen wird, der weltweit jedem Land nutzen werde. Auch wenn unter Umständen einige Sektoren wie etwa die Landwirtschaft darunter leiden könnten, ergebe sich aus seiner Sicht global gesehen und insgesamt ein positives Gesamtbild. Für einige Probleme brauche es noch Lösungen, dazu sollen die Vorschläge der Kommission im Februar vorgelegt werden.

Zum geplanten Sozialgipfel in Porto, den neben Stefan Schennach auch Marco Schreuder (Grüne/W) und Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) thematisierten, sagte Almeida Ribeiro, dass dieser wohl einen Höhepunkt des Vorsitzes darstellen werde. Das Sozialsystem ziehe Menschen in die EU, weil die Bedingungen hier positiv seien. Es werde wohl auch darum gehen, den Schutz des Sozialsystems zu stärken, aber es auch auszubauen und zu vertiefen – so stelle sich etwa die Frage eines europäischen Mindestlohns, den manche Länder aber nicht wollen würden.

Im Zusammenhang mit Subsidiarität und Zentralisierung, die etwa Johannes Hübner (FPÖ/W) aufwarf, gelte es, gemeinsam mit allen 27 Mitgliedsländern ein Gleichgewicht zu finden. Betreffend den Euroraum dürfte aus Sicht des Botschafters klar sein, dass dessen Vorteile überwiegen – diese Fragen stehen ihm zufolge nicht auf der aktuellen Tagesordnung. Hinsichtlich einer EU-Erweiterung, die Andrea Eder-Gitschthaler unter anderem angesprochen hatte, unterstütze Portugal grundsätzlich diesen Prozess. Was die Türkei betreffe, sei das ein schwieriges und heikles, wenngleich aber wichtiges Thema.

Das Vereinigte Königreich werde auch nach dem nunmehrigen Brexit ein wesentlicher Partner bleiben, sagte Almeida Ribeiro. Es gehe jetzt darum, das Handelsabkommen bzw. das Austrittsabkommen umzusetzen und zusammenzuarbeiten, um Probleme überwinden zu können. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) mbu

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