Neusiedler See-Schilfgürtel: Projekt zeigt Handlungsbedarf für Naturschutz und Schilfernte

Purbach / Eisenstadt, am 14. Dezember 2020. (OTS) – Klimatische Veränderungen und drohender Biodiversitätsverlust stellen den Schilfgürtel des Neusiedler Sees vor große Herausforderungen. Sowohl der Natur- und Artenschutz als auch die regionale Wirtschaft wie etwa Schilferntebetriebe müssen sich an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Mit dem Ziel, für ein optimales Management des Schilfgürtels eine seriöse Datenbasis zu schaffen, wurde 2018 ein breit angelegtes EU-Naturschutzprojekt gestartet. „Der Schilfgürtel des Neusiedler Sees gehört zu den größten Schilfbeständen Europas und beherbergt eine einmalige Vogel- und Amphibienwelt. Gleichzeitig ist die Schilfnutzung ein Wirtschaftsfaktor in der Region. Nur wenn wir die vielfältigen Ansprüche an den Schilfgürtel unter einen Hut bekommen, erreichen wir unser gemeinsames Ziel – nämlich den dauerhaften Erhalt des Schilfgürtels zu garantieren“, erklärt Burgendlands Umweltlandesrätin LH-Stv. Astrid Eisenkopf beim gemeinsamen Lokalaugenschein mit WWF Österreich, BirdLife Österreich und den Esterhazy Betrieben bei Schilfschneider Markus Brunner von reedmaX.

Zu den wesentlichen Ergebnissen des EU-Projekts zählt die Erkenntnis, dass die für die Vogelwelt wertvollen Altschilfbestände beginnen, großflächig zusammenzubrechen. Damit besteht in breiten Teilen des Schilfgürtels erheblicher Verjüngungsbedarf. Aus Luftreinhaltegründen ist das früher praktizierte Abbrennen von Schilfflächen aktuell verboten. Auf Ernteflächen werden Alt-Schilfflächen daher häufig niedergewalzt, um die Ernte im Folgejahr vorzubereiten. „Diese Notlösung ist aus Naturschutzsicht sehr problematisch“, erklärt Bernhard Kohler, Naturschutzexperte beim WWF Österreich und fordert daher die Entwicklung gut kontrollierter Alternativen: „Wir sollten prüfen, ob das früher praktizierte winterliche Abbrennen – bei dem keine Tiere zu Schaden kommen, und das zu einem üppigen Nachwachsen des Schilfs im Frühjahr führt – nicht doch als Pflegeinstrument geeignet ist. Allerdings wäre wildes Drauflosbrennen sicher keine Lösung. Bedenken hinsichtlich Klimaschutz, Sicherheit und möglicher ökologischer Folgen müssten zuvor gründlich geklärt und ein gut überlegten Rotationssystem erarbeitet werden.“ Auch müsse die Nationalpark-Naturzone als striktes Prozessschutzgebiet von einem solchen Eingriff ausgenommen sein.

„Als Teil des Europaschutzgebiets Neusiedler See-Seewinkel/Nordöstliches Leithagebirge tragen wir eine hohe internationale Verantwortung für die vielen geschützten Arten, die hier im Schilfgürtel leben. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Schilfernte, die durch Ausbleiben der winterlichen Eisdecke zuletzt schwieriger geworden ist, auch weiterhin schonend durchgeführt werden kann. Mithilfe der neu erstellten Daten gibt es jetzt eine aktuelle und seriöse Grundlage für ein schonendes Management des Schilfgürtels“, sagt LH-Stv. Astrid Eisenkopf. Erstmals gibt eine Flächenbilanz des Schilfgürtels einen Überblick über Alter und Struktur des Schilfs sowie über die Ausdehnung der Ernteflächen und die Lage von geschädigten und absterbenden Flächen.

Eine Bestandserhebung der Schilfvögel hat gezeigt, dass ganz junge häufig, geschnittene Schilfbestände untergeordnete Bedeutung für die Vogelwelt haben. Mit einer alljährlich auf denselben Flächen erfolgenden Schilfernte können daher die Vogelbestände nicht gesamtheitlich erhalten werden. „Die meisten Vogelarten im Schilfgürtel nutzen in erster Linie älteres, längere Zeit nicht genutztes, strukturreiches Schilf. Gleichzeitig verringert sich aber auch die ornithologische Bedeutung von Altschilfflächen nach etwa 15 bis 20 Jahren. Das gilt sogar für spezialisierte Altschilf-Arten, wie den Rohrschwirl, den Mariskensänger und das Kleine Sumpfhuhn“, erklärt Michael Dvorak, Naturschutz-Experte von BirdLife Österreich. „Derzeit ist mehr als die Hälfte des Schilfgürtels älter als 15 Jahre. Eine periodische Verjüngung des Schilfgürtels hätte für den Vogelschutz daher sehr positive Folgen. Dazu wären gut überlegte Eingriffe in entsprechenden Zeitabständen und in der richtigen Dosierung nötig.“

Matthias Grün, Geschäftsführer der Esterhazy Betriebe GmbH:
„Die Schilfernte am Neusiedler See konzentriert sich derzeit auf die landseitigen Teile des Schilfgürtels. Umsichtiges naturschonendes Agieren ist dennoch wichtig, da – anders als zuletzt angenommen – die Gefahr einer Schädigung von Schilfbeständen nicht so sehr von der Verwendung bestimmter Maschinen abhängt, sondern mehr davon bestimmt wird, wann und wie diese Maschinen eingesetzt werden. Im Projekt wurden die Best Practice-Erfahrungen erfahrener Schilfschneider gut dokumentiert. Gelöst werden muss nun die Frage der oftmals notwendigen Vorbereitung der Ernteflächen. Als verantwortungsvolle Grundbesitzer sind wir daran interessiert, durch nachhaltige Schilfernte sowohl die wirtschaftliche Ressource als auch den Lebensraum Schilf dauerhaft und attraktiv zu erhalten.“

„Für eine schonende Bewirtschaftung ist es entscheidend, die Ernteflächen nicht wiederholt zu befahren, Fahrgeschwindigkeit und Rhythmus gleichmäßig zu halten und Wendemanöver bodenschonend durchzuführen. Bei umsichtiger Handhabung scheinen auch die derzeit vorwiegend verwendeten Raupenfahrzeuge keine, oder nur geringe Schäden zu verursachen“, erklärt Markus Brunner, Schilfschneider, Firma reedmaX. „Gerade die Schilferntebetriebe müssen die naturschonende Gestaltung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten im Auge behalten. Schilf kann sehr produktiv sein, es ist aber auch sehr empfindlich. Der Schilfgürtel am Neusiedler See ist von internationaler Bedeutung. Unsere Zukunft hängt davon ab, wie wir ihn behandeln!“

Weitere Details und Bildmaterial unter: [www.wwf.at/presse] (www.wwf.at/presse)

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