Schnabl/Resch/Handlfinger: „Nicht Niederösterreich testet – die Gemeinden testen!“

St. Pölten (OTS) – „Stellvertretend für die niederösterreichischen BürgermeisterInnen sage ich heute in Richtung Bundesregierung: ‚Danke für nichts!‘ Denn wie ÖVP-LH Stelzer schon festgestellt hat: ‚Wie so oft wird vom Bund viel angekündigt. Nichts funktioniert.‘ Und auch bei den Massentestungen dürfen die Gemeinden das organisatorisch ausbaden. Die finanziellen Auswirkungen konnten, dank kritischem Hinterfragen der SPÖ-Regierungsmitglieder in einer Sitzung abgewendet werden. Jetzt ist wenigstens klar, dass der Bund die kompletten Kosten übernehmen wird“, erklärt SPÖ NÖ Landesparteivorsitzender, LHStv. Franz Schnabl verantwortungslosen und unvorbereiteten Ankündigungspolitik der Bundesregierung.

„Niederösterreich testet“ wäre ein schöner, aber nicht zutreffender Titel für diese Aktion gewesen, sagt Schnabl: „‘Wir testen‘ trifft den Kern schon eher. Vom Arbeitsaufwand her müsste es heißen:
Ober-Grafendorf testet, Krems testet, St. Pölten testet usw. – denn:
die Gemeinden tragen die Hauptlast für Organisation und Durchführung. Noch dazu, wo sich die Gemeinden durch den Entfall von Kommunalabgaben und Ertragsanteilen in einer schwierigen Situation befinden und Bund und Land sich immer noch nicht für ein Hilfspaket entscheiden können, damit die Grundbedürfnisse der BürgerInnen abgedeckt und die Lebensqualität vor Ort gesichert werden können.“

Jede Maßnahme könne sinnvoll eingesetzt werden – oder eben auch nicht. Die Regierung habe, sagt Schnabl, ein Abonnement auf das Prädikat „nicht sinnvoll“ gepachtet: „Es braucht zielgerichtetes, aussagekräftiges Testen mit Strategie und begleitenden Maßnahmen, anstatt des Placebos ‚Massentest‘ – diese bringen überhaupt nur dann etwas, wenn sie regelmäßig wiederholt werden.“ Und Schnabl in Richtung der stolpernden Bundesregierung: „Hören Sie auf Experten -auch solche die eine Gegenmeinung vertreten -, wägen Sie danach ab und entscheiden Sie dann! Legen Sie sich endlich (nach einem Jahr Pandemie) eine langfristige Strategie zurecht und kommunizieren Sie diese für jedermann nachvollziehbar.“ Der verzweifelte zweite Lockdown zeige, erklärt Schnabl, nur das Chaos innerhalb der Regierung, das zum Großteil vom Kanzler verursacht werde, „weil er seine Entscheidungen von PR-Managern abhängig macht, anstatt auf die Empfehlungen der Gesundheits-, Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- oder BildungsexpertInnen zu reagieren!“ Er stellt die Forderung, dass in sinnvollen, regelmäßigen Abständen flächendeckend getestet werden muss und/oder in Folge Regionen mit einer besonders hohen Inzidienz herausgegriffen werden müssten. „Alles andere vermittelt ein falsches Sicherheitsgefühl und ist dazu geeignet, die Situation noch weiter zu verschärfen.

Gemeinden werden vor immer neue Herausforderungen gestellt
Als Gemeindereferent der NÖ-Landesregierung sind LHStv. Schnabl die Herausforderungen, vor die die Kommunen mit den Massentests gestellt werden, nur zu gut bekannt: „Die Durchführung der Maßnahmen wird nicht erklärt, rechtliche Grundlagen und Ausführungsgesetze werden nicht rechtzeitig übermittelt. Die BürgermeisterInnen arbeiten nicht mehr auf Grundlage von Gesetzen, sondern auf Zurufe der Regierenden über Pressekonferenzen. Das kann nicht länger gut gehen – vor allem nicht im Hinblick auf die lodernde Krise der Gemeindefinanzen! Die Gemeinden die Krise alleine stemmen lassen und sie nebenbei noch finanziell auszuhungern – was ist das denn für eine Strategie?“

Die Gemeinden müssten die Suppe, die uns Kurz und seine PR-Ministerriege eingebrockt haben, auslöffeln und bekämen noch nicht einmal ihre Einnahmenausfälle in der Krise ersetzt. Der Gemeindebund-Präsident sei mit seinen Forderungen sehr zögerlich und scheine eher seinem Parteiobmann Kurz, als den BürgerInnen in unseren Gemeinden Priorität einzuräumen. Schnabl weist darauf hin, dass die Gemeinden von Land und Bund ein Hilfspaket bekommen haben, aber viel zu wenig – der Investitionsspielraum der Gemeinden bricht ein: „Es besteht ein Investitionsbedarf von rund 3,2 Milliarden Euro im Jahr, die Eigenfinanzierungskraft der Gemeinden liegt bei 0,6 bis zu einer Milliarde Euro. Das bedeutet, dass 2,4 Milliarden Euro offenbleiben. Gibt es hier keine Unterstützung von Bund und Ländern, bedeutet das Investitionskürzungen, was sich wiederum auf die ArbeitnehmerInnen und Unternehmen in den Regionen und Gemeinden auswirkt. Dazu kommen schwerer zu bedienende Darlehenstilgungen und ein Anstieg der Verschuldungen sowie Leistungskürzungen, weil laufende Verpflichtungen nur mehr erschwert finanzierbar sind.“

Massentests sind nur bei Wiederholung sinnvoll
Der Kremser Bürgermeister Dr. Reinhard Resch muss die Massentest für eine 30.000-EinwohnerInnen-Stadt organisieren. Er findet es als Mediziner irritierend, dass dazu bei den Pressekonferenzen der Regierung ausschließlich durch die Politik kommuniziert werde, noch dazu in chaotischer Vorgehensweise: „Am Vortag werden Massentests noch verneint, dann sollen sie doch kommen. Es wird ein Termin in den Raum gestellt, der durch das Land vorverlegt wird. Für die Verantwortlichkeit der Durchführung sollte erst das Bundesheer verantwortlich sein, dann wurde das Rote Kreuz genannt, am Ende sind es die Gemeinden und Städte geworden – unter Mithilfe der oben genannten und der Feuerwehr. Informationen zum Ablauf hat man aus den Medien erfahren, es gab lange Zeit keine gesetzliche Vorlage, auf deren Basis die Massentest vorbereitet waren. Es gab unklare Zusagen zur Finanzierung“, kritisiert Resch. Zudem sei die Vorlaufzeit viel zu kurz gewesen, um alle BürgerInnen zu erreichen: „Wir haben in Krems rund 28.000 Schreiben – mit einem Zeitfenster für die Testung – konzipiert, gedruckt und verschickt. Sie sind am 4. Dezember zur Post gegangen – in der Hoffnung, dass sie rechtzeitig bei den Adressaten einlangen. Gestern sind die ersten angekommen.“ Der Mediziner Resch sieht die Massentestungen auch aus fachlicher Sicht skeptisch:
„Massentests sind nur bei richtiger Handhabe sinnvoll, wenn sie wiederholt werden. Ein bundesweiter Einmaltest ist nur eine Momentaufnahme. Eigentlich müsste man die Bevölkerung in kurzen Abständen mehrmals testen.“ Auch hier fehle bislang eine konkrete Planung. Resch sieht auch ein Problem in der relativ hohen Unsicherheit bei Antigen-Tests.

Auch Krems ist von den finanziellen Folgen der Corona-Krise betroffen. Insgesamt fehlen sechs Millionen Euro, durch den Entfall von Kommunalsteuern und Ertragsanteilen, Mindereinnahmen durch Unterstützungsleistungen für die Wirtschaft – beispielsweise durch Stundungen von Abgaben, Aussetzung von Parkgebühren, Schließung des Bads. „Das ist eine enorme Mehrbelastung, die sich in die nächsten Budgets fortsetzt“, sagt Resch.

Insgesamt müssen 15 Teststraßen in zwei unterschiedlichen Objekten organisiert werden 15.000 Testungen sind möglich. 250 HelferInnen – sowohl medizinisch, als auch organisatorisch – sind notwendig. Auch der Bürgermeister hilft mit. Der organisatorische Aufwand im Vorfeld ist groß: „Es ist eine Herausforderung, Menschen zu finden, die bei den Massentests helfen – hier sind größere Städte im Nachteil, weil viel mehr HelferInnen benötigt werden. Schon im Vorfeld fallen rund 300 Stunden bei den MitarbeiterInnen des Magistrats und rund 440 Stunden durch freiwillige HelferInnen an“, weiß Resch. Er rechnet vor, dass zusätzlich zu diesem enormen, personellen Aufwand die Testungen rund 70.000 Euro kosten:

Personalkosten 52.000 Euro (Samstag: 112 Mitarbeiter zu je sechs Stunden rd. a` 33 Euro = 22.000 Euro; Sonntag: 112 Mitarbeiter zu je 6 Stunden a´ rd. 45 Euro = rd. 30.000 Euro)
Druck und Porto 14.000 Euro für rund 28.000 persönliche Verständigungen mit exakter Terminvorgabe
Infrastruktur (IT-Anbindung, diverse Materialen) 2.000 Euro Verpflegung 1.200 Euro
Insgesamt: rd. 69.200 Euro aufgerundet somit rd. 70.000 Euro

Wer Fragen stellt, bekommt keine Antworten
„Die Massentestungen sind eine Herkulesaufgabe für die Gemeinden. Kurz und seine zuständigen Minister haben es sich leicht gemacht: Man hatte eine Idee. Aber anstatt diese durchzuplanen und gesetzlich, organisatorisch und finanziell auf solide Beine zu stellen, hat man diese erst einmal gut vermarktet und dann auf die Gemeinden abgeschoben. Nur durch beharrliches Nachfragen und Insistieren ist es gelungen, noch einiges zu klären, wie etwa die Finanzierung. Aber vieles ist nach wie vor offen. Und die Zeit drängt“, erklärt DI (FH) Rainer Handlfinger, Bürgermeister in Ober-Grafendorf. Nur durch die Kooperationsbereitschaft der Gemeinden, mit Unterstützung der Rettungsorganisationen, des Bundesheeres und mit vielen freiwilligen HelferInnen sei es möglich, diese Massentests durchzuführen: „Die Bundesregierung bleibt bis heute maßgebliche Unterstützungsleistung und viele Informationen schuldig.“ Es ist den Gemeinden überlassen worden, nicht nur geeignete Räumlichkeiten für die Teststraßen zur Verfügung zu stellen, sondern auch für die Ausstattung mit IT-Geräten, Möbeln, Lagerung und Entsorgung von Schutz- und Testausrüstung zu sorgen. „Natürlich sind wir bereit und auch imstande, diese Massentestungen durchzuführen. Aber Informationen treffen oft nur vereinzelt und widersprüchlich bei uns in den Kommunen ein. Bei uns liegt jetzt nicht nur der organisatorische Aufwand, sondern auch das Durchdenken sämtlicher Eventualitäten, um diese im Notfall abfangen zu können. Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man an die Behörden Fragen stellt, dass vielfach keine Antworten kommen – weil die Bundesregierung diese nicht liefert“, erklärt Handlfinger: „Rasche Maßnahmen sind in einer Pandemie wichtig. Unvorbereitete Maßnahmen sind in einer Pandemie falsch.“

Das Problem bei den Massentestungen sei die Qualitätssicherung, erklärt Handlfinger: „Warum gibt es kein Handbuch für MitarbeiterInnen? Warum gibt es keine Schulungen, wo Problemfälle während der Testungen berücksichtigt werden? Es gibt keine brauchbare Checkliste!“ Handlfinger ist Bürgermeister in einer Gemeinde mit über 4.600 EinwohnerInnen. Er hat zwei Teststraßen zu organisieren. Dafür sind 34 freiwillige HelferInnen und medizinisches Personal notwendig.

Massentest ja – aber mit Strategie
„Ich lade die Bevölkerung ein, testen zu gehen und sage schon jetzt Danke den BürgermeisterInnen für diese hervorragende Leistung“, erklärt Schnabl. Die Sozialdemokratie unterstütze jede Möglichkeit, die Infektionsketten zu unterbrechen und die Pandemie einzudämmen. „Dahinter muss aber eine Strategie stecken – nicht nur eine PR-Strategie, wir erwarten uns auch die Einbeziehung von ExpertInnen aus Medizin und Psychologie, es muss Simulationen und Modellberechnungen geben. Es müssen im Vorfeld alle Fragen geklärt sein. Alles andere ist eine Vergeudung von Ressourcen, dazu wird den Getesteten ein falsches Sicherheitsgefühl vermittelt. Die Bundesregierung hat schon zuviel Zeit versäumt. Jetzt ist es notwendig, die Pressekonferenzen und die Planung der Maßnahmen endlich ExpertInnen zu überlassen“, erklären Schnabl, Resch und Handlfinger.

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