Wien (OTS) – Mary Shelleys Roman von Frankenstein und seinem Monster ist heute so aktuell wie nie. Handelt die Geschichte vordergründig von einer künstlich erschaffenen mordenden Kreatur, geht es in Wahrheit um die Grenzen wissenschaftlichen Strebens, um Fragen der Moral und Ethik. „Universum History“-dokumentiert in Oliver Halmburgers Film „Mythos Frankenstein – Vision und Warnung“ am Freitag, dem 13. November 2020, um 23.05 Uhr in ORF 2 die Entstehungsgeschichte des Romans, porträtiert die visionäre Jungautorin Mary Shelley und zeigt auf, was der 200 Jahre alte Stoff mit moderner Genforschung und Robotern zu tun hat. Auch heute wird weltweit an menschenähnlichen Maschinen und Robotern mit künstlicher Intelligenz geforscht. Hochwertige Reenactments, aktuelle Experimente und die Analysen renommierter Wissenschafter/innen zeigen Geschichte und Gegenwart eines Mythos auf, der die Menschheit seit der Antike beschäftigt. Und belegen: Mary Shelleys Roman ist nicht nur ein visionärer Blick in die Zukunft, sondern auch eine Warnung an die Menschheit.
An einem düsteren Abend des Jahres 1816 trifft sich am Genfer See eine Gruppe englischer Schriftsteller/innen. Unter ihnen: die 18-jährige Mary Godwin und spätere Mary Shelley. Draußen herrscht apokalyptisches Wetter – die Aschewolke eines Vulkanausbruchs in Indonesien verdunkelt ganz Europa. Es ist das sogenannte „Jahr ohne Sommer“, in dem Frankensteins Monster erschaffen wird. Mary Godwin hat in jener Genfer Gewitternacht einen verstörenden Traum, den sie am nächsten Tag ihren Kollegen als Horrorgeschichte präsentiert. Es ist die Geschichte des Schweizer Naturforschers Victor Frankenstein, der das „Elixier des Lebens“ finden möchte. Der Rest hat Literaturgeschichte geschrieben: Frankenstein bastelt aus den Körperteilen eines Toten einen neuen Menschen, der tatsächlich zu leben beginnt. Doch mit dem Aussehen eines Monsters verbreitet die Kreatur Angst und Schrecken – und will doch nur eins: geliebt und akzeptiert werden.
Anfang des 19. Jahrhunderts verschwimmt in Europa die scharfe Grenze zwischen Leben und Tod immer mehr. Anatomen beginnen das katholische Tabu zu brechen und sich mit dem Innenleben des menschlichen Körpers zu beschäftigen. Sie untersuchen nicht nur die Funktionsweisen des Körpers, sondern sie treibt vor allem die Frage nach der Quelle des Lebens, einer Seele, an. Diese Suche greift Mary Shelley in ihrem Roman auf: Ihr Protagonist will ein neues Wesen schaffen: groß, stark und schön. Einen Supermenschen. In der Kluft zwischen der Vision Frankensteins und dem Resultat, seinem Monster, besteht die Tragik von Mary Shelleys weltberühmtem Roman: Aus verschiedenen Körpern setzt Victor Frankenstein Stück für Stück sein menschliches Gebilde zusammen – und zu seiner Überraschung erwacht das Wesen tatsächlich. Nun hat Frankenstein keine Kontrolle mehr: Seine Kreatur ist eine Bedrohung, sie macht ihm Angst.
Was vor rund 200 Jahren eine verstörende Zukunftsvision war, ist heute Realität: Transplantationen, steuerbare Prothesen und Reanimation gehören zum medizinischen Alltag. Zahlreiche Forschungen beschäftigen sich bis heute mit der Frage, ob es möglich ist, einen Menschen künstlich zu erschaffen. Weltweit arbeiten Wissenschaft und Technologie mit Hochdruck daran, menschenähnliche Roboter und „denkende Maschinen“ mittels künstlicher Intelligenz zu entwickeln. Dabei beginnen die Grenzen des wissenschaftlichen Strebens und moralisch-ethischer Fragestellungen immer mehr zu verschwimmen.
Die Autorin Mary Shelley war ihrer Zeit weit voraus. Die „Universum History“- Dokumentation zeigt mit Hilfe von szenischen Rekonstruktionen, aktuellen Experimenten, Interviews mit Fachleuten und dokumentarischen Elementen die Geschichte des Mythos Frankenstein und seine Bezüge zur Gegenwart. Es ist ein Wunsch und eine Vision, die Menschen seit der Antike hegen: künstlich neues Leben zu schaffen. Möglicherweise ist Mary Shelleys Schauerliteratur ein visionärer Blick in unsere Zukunft und eine Warnung an die Menschheit zugleich.
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