COVID-19-Pandemie: EU-Hauptausschuss drängt auf EU-weit einheitliche Kriterien für Reisebeschränkungen

Wien (PK) – Die COVID-19-Pandemie und die Klimaziele der EU standen im Mittelpunkt der Sitzung des für EU-Angelegenheiten zuständigen Hauptausschusses des Nationalrats, der heute im Vorfeld des EU-Gipfels am 15. und 16. Oktober tagte. Die Abgeordneten gaben Bundeskanzler Sebastian Kurz dabei in Form von Stellungnahmen zwei Verhandlungsaufträge mit auf den Weg: Zum einen soll sich Kurz für ein gemeinsames Vorgehen der EU-Länder in Bezug auf Corona-bedingte Reisebeschränkungen und die Bewertung von Risikogebieten einsetzen, zum anderen soll Österreich auf die Einhaltung vereinbarter Klimaziele pochen.

Die Stellungnahme zur COVID-19-Pandemie ging auf eine Initiative der NEOS zurück. Es brauche gemeinsame Kriterien für die Verhängung von Reisebeschränkungen und für die Einstufung von Regionen als Risikogebiete, war sich die überwiegende Mehrheit der Ausschussmitglieder mit NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Scherak einig. Zudem gelte es, dafür zu sorgen, dass für Reisende aus Risikogebieten gleiche Auflagen gelten und BürgerInnen über aktuelle und geplante Beschränkungen rechtzeitig und verständlich informiert werden. Nur mit einer gemeinsamen Vorgangsweise sei es möglich, das Prinzip der Personenfreizügigkeit aufrecht zu erhalten, gab Scherak zu bedenken.

Mehr Gemeinsamkeit der EU in dieser Frage wünscht sich auch Bundeskanzler Sebastian Kurz. Er ist in Bezug auf größere Verhandlungsfortschritte in diesem Bereich aber nicht allzu optimistisch.

SPÖ sieht Regierung mitverantwortlich für aktuelle Entwicklung

Seitens der SPÖ erinnerte Jörg Leichtfried in der Debatte daran, dass Österreich selbst relativ früh mit Reisewarnungen begonnen habe. Diese hätten noch dazu nicht auf gesundheitspolitischen Erwägungen basiert, ist er überzeugt. Als Beispiel nannte er die Reisewarnung für Kroatien, wo nicht nach Regionen differenziert wurde. Vor diesem Hintergrund hat Österreich die aktuelle Entwicklung seiner Meinung nach zum Teil selbst zu verantworten. Reisewarnungen sollten nicht willkürliche politische, sondern rein evidenzbasierte Entscheidungen sein, ohne auf bestimmte Wirtschaftszweige zu schielen, bekräftigte Leichtfried.

In einer Sondersituation sieht Grün-Abgeordneter Michel Reimon Österreich. Es gebe kein zweites EU-Land, das in den nächsten Monaten so stark von Reisewarnungen betroffen sein werde, meinte er. Österreich wolle eine gemeinsame europäische Regelung, gleichzeitig dürfe man nicht den Eindruck erwecken, Österreich würde die Pandemie nicht ernst genug nehmen.

Kurz: Mit negativem COVID-19-Test möglichst uneingeschränktes Reisen zulassen

Bundeskanzler Sebastian Kurz gab zu bedenken, dass es im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie nationale und europäische Kompetenzen gibt und damit auch weiterhin nationale Maßnahmen zu erwarten sind. „Das ist nichts Schlechtes“, meinte er, er wisse nicht, ob die Akzeptanz in der Bevölkerung bei europaweit einheitlichen Maßnahmen steigen würde.

Bei Reisen und Reisebeschränkungen sowie bei Vorgaben für Reisende aus Risikogebieten wünscht sich allerdings auch Kurz eine einheitlichere Vorgangsweise. Er hofft auf den einen oder anderen Verhandlungsfortschritt in Brüssel, etwa was eine einheitliche Quarantäne-Dauer und einheitliche Regeln für Reisende aus Drittstaaten betrifft. Die EU-Länder sollten für Personen mit negativem COVID-19-Test schon möglichst bald uneingeschränktes Reisen zulassen, nannte Kurz als Ziel, man könne die aktuellen Reisebeschränkungen nicht bis zum Sommer nächsten Jahres beibehalten. Das wäre seiner Ansicht nach „höchst problematisch“.

Eine Annäherung bei den Reisewarnungen innerhalb der EU werde allerdings schwer zu erreichen sein, glaubt Kurz. Deutschland sehe diesen Punkt sehr kritisch. Dass sich Österreich bei der auf EU-Ebene erzielten Teileinigung zur Frage der Ampelschaltung der Stimme enthalten hat, begründete der Kanzler damit, dass man sich in anderen Punkten mehr erwartet hätte, zudem wäre es wenig aussagekräftig, wenn halb Europa rot eingefärbt würde. Europaministerin Karoline Edtstadler hielt zu dieser Frage fest, man dürfe nicht Länder bestrafen, die viel und treffsicher testen.

Den Vorwurf, Österreich hätte bei den Reiswarnungen selbst über das Ziel hinausgeschossen, wies Kurz zurück. Viele Staaten hätten schon viel früher mit Reisewarnungen gearbeitet als Österreich, betonte er. Zudem seien Zahlen nicht immer vergleichbar, schließlich hänge es auch von der Zahl der Tests ab, wieviele Infizierte ausgewiesen würden. Es sei manchen Ländern darum gegangen, die Sommersaison zu retten, unabhängig vom Preis. Zudem sei es Faktum gewesen, dass der Anstieg bei den Infektionszahlen in Österreich zum Ende des Sommers durch ReiserückkehrerInnen aus Balkanländern ausgelöst wurde.

Grundsätzlich begrüßt wurde von Kurz, dass ein Austausch über aktuelle Fragen betreffend die COVID-19-Pandemie künftig Fixpunkt bei allen Tagungen des Europäischen Rats sein soll. Darauf habe auch Österreich gedrängt. Ausdrückliches Lob äußerte der Kanzler darüber hinaus in Bezug auf die Kooperation der EU-Länder bei der Impfstoffbeschaffung. Das sei von der zuständigen Kommissarin professionell aufgesetzt worden und nütze kleineren EU-Ländern sehr.

EU soll bis 2050 klimaneutral sein

Die zweite vom Ausschuss mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und NEOS angenommene Stellungnahme bezieht sich auf die Klimaziele der EU und wurde von den Koalitionsparteien vorgeschlagen. Die Bundesregierung soll sich demnach dafür einsetzen, dass Klimaneutralität spätestens 2050 sowohl auf europäischer Ebene als auch auf Ebene aller Mitgliedstaaten erreicht wird.

Zudem rufen die Abgeordneten Bundeskanzler Sebastian Kurz und die anderen Regierungsmitglieder dazu auf, auf die Einrichtung eines Klimarats, bestehend aus VertreterInnen der Wissenschaft und der Wirtschaft, sowie auf eine Modernisierung der Energiecharta hinzuwirken. Investitionen in fossile Brennstoffe und Nuklearenergie dürften nicht weiter geschützt werden, vielmehr müssten diesbezügliche Förderungen auslaufen, ist sich die Ausschussmehrheit einig. Auch die ehestmögliche Einführung eines sogenannten „Carbon Border Adjustment Mechanism“ zur Sicherstellung eines effektiven Klimaschutzes und der globalen Wettbewerbsfähigkeit ist den MandatarInnen ein Anliegen. Österreich unterstütze die Ambition, Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen, heißt es unter anderem in der Begründung.

Jakob Schwarz (Grüne) ist überzeugt, dass es Europa insgesamt und damit auch der Wirtschaft nützen wird, sich im Bereich des Klimaschutzes weltweit als Vorreiter zu positionieren. In diesem Sinn begrüßte er auch den jüngsten Beschluss des Europäischen Parlaments. Auch Österreich sei grundsätzlich auf gutem Kurs, meinte Schwarz und zeigte sich zuversichtlich, die angestrebte Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Maria Therese Niss (ÖVP) hob hervor, dass beim Corona-Wiederaufbaufonds ein besonderer Fokus auf Investitionen im Umweltbereich liege.

Keine Mehrheit für SPÖ-Antrag

Nicht durchsetzen konnte sich die SPÖ mit einem weiteren Antrag zum Thema Klimaschutz. Jörg Leichtfried und Julia Herr wollten Bundeskanzler Sebastian Kurz damit verpflichten, das vom Europäischen Parlament angestrebte Reduktionsziel von 60% der EU-weiten CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 zu unterstützen. Dieses Ziel müsste eigentlich auch im Sinne der Bundesregierung sein, sagte Herr, schließlich hätten sich ÖVP und Grüne im Regierungsprogramm ambitionierte Klimaziele gesetzt. Zudem werde sich das Ziel, bis zum Jahr 2050 Klimaneutralität zu erreichen, nicht ausgehen, wenn man sich keine Zwischenziele setze, glaubt sie.

Skeptisch, was zu ambitionierte Klimaziele betrifft, zeigte sich hingegen die FPÖ. Schließlich sei es notwendig, die unter der COVID-19-Pandemie leidende Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, machte Reinhard Eugen Bösch geltend. Es gelte, „die dramatischen Reduktionsziele“ bei den CO2-Emissionen mit diesem Umstand zusammenzuführen.

Auch Bundeskanzler Kurz hob die Notwendigkeit hervor, Klimaschutz und den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Industrie in Einklang zu bringen. Man müsse aktive Standortpolitik mit den Klimazielen vereinbaren, darüber ist man sich ihm zufolge in der EU einig. Zudem wandte sich Kurz dagegen, unrealistische Ziele zu setzen und europäische Unternehmen gegenüber ausländischen zu benachteiligen.

Auch Brexit ist Thema beim EU-Gipfel

Weitere Themen beim bevorstehenden Gipfel werden laut Kurz der Brexit und verschiedene außenpolitische Fragen sein. Ein No-Deal-Brexit wäre aus Sicht Österreichs alles andere als wünschenswert, sagte er. Wie sich ein solcher auf das österreichische BIP auswirken würde, sei allerdings schwierig vorauszusagen, dafür gebe es sehr divergierende Prognosen. Zumindest ein BIP-Minus von 0,1% sei jedenfalls zu erwarten.

Europaministerin Karoline Edtstadler pochte in diesem Zusammenhang darauf, dass Verträge, die geschlossen wurden, auch eingehalten werden. Grün-Abgeordneter Reimon machte darauf aufmerksam, dass eine Vereinbarung mit Großbritannien grundsätzlich bis Ende Oktober stehen müsse, wolle man diese noch rechtzeitig durch die Parlamente bringen.

Zur Heranführung der Westbalkanstaaten an die EU meinte Edtstadler, Albanien und Nordmazedonien hätten gute Fortschritte gemacht. Bei den Verhandlungen zum Finanzrahmen hat sich ihrer Meinung nach gezeigt, dass sich kleine Mitgliedstaaten, wenn sie gemeinsam vorgehen, auch etwas erreichen können.

NEOS mahnen einheitliche Strategie Europas gegenüber China ein

Was die Afrika-Politik der EU betrifft, hob NEOS-Abgeordneter Helmut Brandstätter hervor, dass die Afrika- und die China-Politik Europas eng zusammenhängen würden. Anders als die EU habe China ein Konzept für Afrika, erklärte er. So würde China beispielsweise Eigentum übernehmen, wenn afrikanische Länder Kredite nicht bedienen könnten. Europa müsse sich überlegen, wie man damit umgehe, bekräftigte er. Auch ÖVP-Abgeordneter Martin Engelberg brachte die Wirtschaftshilfe der EU für Afrika zur Sprache.

Eine gemeinsame Strategie Europas gegenüber China zu entwickeln, erachtet Kurz allerdings als herausfordernde Aufgabe. Er verstehe die Haltung einiger Beitrittskandidaten auf dem Balkan, die dankbar für jede Investition seien, hielt er fest. Andererseits sei es auch wichtig, sich als Europäische Union nicht spalten zu lassen.

Wenig davon, sich stärker auf die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften aus Afrika zu fokussieren, hält FPÖ-Abgeordneter Bösch. Er befürchtet, dass die afrikanischen Länder dadurch in ihrer Entwicklung gehemmt würden. Auch könne man damit „dem dramatischen Bevölkerungszuwachs“ auf dem afrikanischen Kontinent so nicht begegnen.

Zur von Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) angesprochenen Lage in Weißrussland merkte Kurz an, direkte Sanktionen gegen Lukaschenko und andere Personen seien angedacht, allerdings nur, wenn sich die Situation nicht ändere. Seiner Ansicht nach ist es schwer zu beurteilen, ob diese Androhung etwas bewirken wird. Bezüglich der Aufrechterhaltung des Dialogs mit Russland sieht er sich einer Meinung mit Außenminister Schallenberg. (Schluss) gs

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