Wien (OTS) – Die letzten 200 Tage waren für alle Betriebe eine Fahrt auf einer Achterbahn. Die aktuelle Mitgliederbefragung des Österreichischen Gewerbevereins (ÖGV) ergibt, dass bislang etwa ein Drittel gut oder sogar sehr gut durch die Krise gekommen ist. Ein zweites Drittel ist zuversichtlich, die Herausforderungen auch der nächsten Monate zu meistern. „Es ist das dritte Drittel, dass uns große Sorgen bereitet,“ beschreibt ÖGV Generalsekretär Stephan Blahut die Verfasstheit der österreichischen Unternehmen.
Bundesregierung und Bundesländer haben eine Vielzahl von Härtefall-, Fixkosten-, Investitionszuschuss-, Familien-, Start-Up-, usw. -Hilfsfonds samt neuen Hilfsgesellschaften ins Leben gerufen, um den Betrieben ein Überleben trotz Umsatzausfällen zu sichern. Es muss aber dennoch davon ausgegangen werden, dass ein erheblicher Teil der Betriebe den Corona-Berg nicht überwinden werde, da ihnen „der Mühlstein aus Stundungen und Überbrückungshilfen schwer um den Hals hängt. Viele Betriebe wüssten nicht, wie sie mit diesen Hilfen in den Büchern investieren, Mitarbeiter halten oder gar an Ausschreibungen teilnehmen sollen. Sie sitzen in der Falle.“
Realistische Wege aus der Krise
„Wir müssen den Betrieben, die sich unverschuldet durch Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Epidemie faktisch über Nacht in ihrer Existenz gefährdet sahen, einen realistischen Weg aufzeigen, sich vor allem auf das Stabilisieren und Ausbauen des operative Geschäfts zu konzentrieren und Ihnen ein Rückführen der Pandemie-Schulden so einfach und individuell wie möglich zu machen,“ fasst Blahut die Erwartungen zusammen. „Der Mittelstand, das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft und wichtigster Steuerzahler im Land ist sich seinr Verantwortung sehr bewusst. Er geht aber gerade gebeugt am Stock. Um wieder aufrecht vorangehen zu können braucht es zwei einfache Voraussetzungen: Klarheit und Zeit.“
Der ÖGV fordert von der Bundesregierung daher darzulegen, wie es nach dem Auslaufen dieser Zuschüsse und Überbrückungen weitergehen kann. Stephan Blahut: „Wir brauchen sehr schnell klare Sicht, wie sich die Republik die Rückführung vorstellt.“ Das Ende der Maßnahmen immer weiter nach hinten zu verschieben, löst das Problem ebenso wenig, wie auch eine Rückführung der angehäuften Außenstände innerhalb von angedachten zwölf Monaten scheitern muss. Zudem hängt die Vielzahl von Rückzahlungsverpflichtungen – an das Finanzamt, die Gemeinde, SVS, ÖGK, an diverse Corona-Fonds und an die Banken – wie ein Damoklesschwert über diesen Unternehmen. Das Ausfallen weniger Raten könnte unmittelbar zum Aus eines Betriebes führen.
Die Bad-Company schafft nötigen Bewegungsspielraum
Der ÖGV schlägt die Auslobung einer eigenen COVID-Sanierungsgesellschaft vor. Ob diese neu gegründet oder ein Teil der COFAG werden sollte, möge die Bundesregierung und der Gesetzgeber ebenso entscheiden, wie sie in gewohnter Weise für die europarechtliche Konformität kämpfen werden müssen.
Der Vorschlag sieht die Bündelung aller seit Mitte März gewährten Überbrückungen und Stundungen im Sinne einer ‚Bad-Company‘ in der Sanierungsgesellschaft vor. In Anlehnung an die bekannten ‚Bad-Banks‘ des letzten Jahrzehnts trennt dieses Modell die durch die Krise verursachten, teils erheblichen Zahlungsverpflichtungen vom operativen, im Grunde gesunden Unternehmen. Die Bad-Company müsse dabei so ausgestaltet sein, dass die ausgegliederten Verbindlichkeiten der Good-Company weder eine Teilnahme an öffentlichen oder privaten Ausschreibungen noch der Aufnahme von gesunden Investitionskrediten im Wege stünden.
Die wesentlichen Vorteile der ‚Bad-Company‘ sind die übersichtliche Zusammenfassung der Zahlungsverpflichtungen in einer Hand und die Möglichkeiten die Rückführung auf Basis der Unternehmenskennzahlen, der Branche und des erwarteten Geschäftsganges individuell vereinbaren zu können. Auch für die öffentliche Hand wäre eine Zusammenfassung der bereits gewährten und im Grunde ohnehin schon zu 100% garantierten Unterstützungen eine entscheidende Vereinfachung und Absicherung.
Die Österreich Treuhand bringt langfristige Absicherung
Dort wo die Bad-Company nicht ausreicht, aber auch dort wo progressiv investiert werden soll, braucht es das direkte Zuführen von Eigenkapital. Der ÖGV schlägt daher ergänzend eine „Österreich-Treuhand“ vor, die direkt Eigenkapital für Unternehmen bereitgestellt indem sie die Forderungen der Bad-Company in Beteiligungen umwandelt. Für den Einstieg der Treuhand sind klare Voraussetzungen zu definieren, die sich an der Überlebensfähigkeit des Geschäftsmodell bereits vor der Krise und der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens orientiert. Da KMU überwiegend als GesmbH organisiert sind, wäre das adäquate Beteiligungsinstrument wohl die atypisch stille Gesellschaft.
Das Ziel der Österreich-Treuhand ist klar definiert: nicht die langfristige Erzielung von Erträgen aus der Beteiligung, sondern ein möglichst rascher Ausstieg, sobald das wirtschaftliches Überleben des Unternehmens gewährleistet ist. Durch die Chance auf Dividenden und Wertsteigerung bei Rückzahlung wird für den Staat bzw. Steuerzahler ein möglicher Verlust minimiert oder sogar ein Ertrag realisiert.
Wird die Beteiligung beendet, muss der Eigentümer später die Möglichkeit haben, das Mezzanin-Kapital zu beenden bzw. auszuzahlen bzw. die Anteile „zurückzukaufen“ (Vorkaufsrechte). Wenn die Liquidität des Eigentümers dafür nicht ausreicht, muss ein schrittweiser Eigentumsübergang mit dafür geeigneten langfristigen Finanzierungen ermöglicht werden.
Langfriste Absicherung der Geschäftsbanken
Beide Modelle könnten flexibel im Sinne zur längerfristigen Unternehmensfinanzierungen leicht erweitert werden und auch längerfristige Kreditforderungen von den Kreditinstituten übernehmen, die ohnehin schon mit 100% Staatshaftung besichert sind. Nicht zuletzt, um die Geschäftsbanken dauerhaft und rechtzeitig zu entlasten und abzusichern.
„Wir müssen mit Mut und Agilität durch diese Krise manövrieren. Betriebe, die unverschuldet in ihrem Bestand gefährdet sind, müssen wir kreative Lösungswege anbieten. Wir glauben daher, dass die zuständigen Behörden nicht umhinkommen, realitätsnahe Modelle zu konzipieren und anzubieten,“ fordert KMU-Vertreter Blahut die Bundesregierung zur Diskussion der ÖGV-Vorschläge auf: „Nur mit Klarheit, Wendigkeit und Hausverstand im Zusammenspiel von erfahrenen Praktikern, Regierung und Behörden werden wir gemeinsam diese Herausforderung meistern und die Schäden klein halten.“
Der Österreichische Gewerbeverein (ÖGV)
Der Österreichische Gewerbeverein ist als freie Interessenvertretung die Plattform für inhabergeführte Unternehmen vom Gründer über Familienunternehmen bis zum Weltmarktführer. Unsere 2.500 Mitglieder stehen für ein langfristiges, verantwortungsvolles und nachhaltiges unternehmerisches Engagement. Sie stehen mit Namen und Person für die Konsequenzen des eigenen Handelns ein und übernehmen somit vorbildlich eine gesellschaftliche Verantwortung.
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