Dringliche im Nationalrat: SPÖ will Lehrplatzgarantie für jeden jungen Menschen in Österreich

Wien (PK) – Die am Vormittag im Nationalrat geführte Debatte zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen fand am Nachmittag ihre Fortsetzung. Die SPÖ forderte in einem Dringlichen Antrag an Sozialministerin Christine Aschbacher eine „Lehrlingsgarantie in Zeiten von Corona“ bzw. ein umfassendes Paket zur Bekämpfung und Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit. Es brauche echte Hilfe statt plakativer Überschriften, der Lehrstellenmangel würde von der Regierung nicht behoben sondern nur geleugnet, kritisieren die SozialdemokratInnen. Ihrer Partei liege das Thema sehr am Herzen, weil die jungen Menschen Hoffnung und Zuversicht für die Zukunft brauchen, unterstrich die Antragstellerin Eva Maria Holzleitner (SPÖ).

Ministerin Aschbacher verwies neben den Mitteln für die aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik auf den spezifischen „Instrumentenkoffer“, der für die Zielgruppe der Jugendlichen nicht nur Coaching- und Weiterbildungsmaßnahmen, sondern auch die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des Kurzarbeitsmodells sowie einen Lehrlingsbonus in der Höhe von 2.000 € beinhalte. Durch die Einrichtung einer interministeriellen Taskforce wolle man sicherstellen, dass eventuell bestehende Lücken auf schulischer, betrieblicher oder arbeitsmarktpolitischer Ebene geschlossen werden.

Der Antrag der SPÖ erhielt keine ausreichende Zustimmung. Zwei weitere Entschließungsanträge von FPÖ und NEOS, betreffend Wiedereinführung des sogenannten „Blum-Bonus“ sowie neue Regelungen für flexibleres Arbeiten, fanden ebenso keine Mehrheit im Nationalrat.

SPÖ-Jugendbeschäftigungspaket: Lehrplatzgarantie, ordentliche Entlohnung und Ausbildungsgarantie bis 25 Jahre

Geht es nach der SPÖ, soll garantiert werden, dass allen Jugendlichen, die im Herbst eine Lehre starten möchten, aber keinen Platz finden, ein entsprechender Lehrplatz zur Verfügung gestellt wird. Dies soll laut Antragstellerin Eva Maria Holzleitner (SPÖ) in überbetrieblichen Lehrwerkstätten oder direkt bei der öffentlichen Hand, in Kooperation mit den Ländern geschehen. Begleitend dazu werden eine Aufstockung des AMS-Personals sowie mehr finanzielle Mittel für zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen gefordert.

Österreich befinde sich am Beginn der größten Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren. Die Auswirkungen am heimischen Arbeitsmarkt – laut SPÖ auch aufgrund der „katastrophalen Regierungsperformance in Österreich – seien jetzt schon dramatisch. Die Arbeitslosenzahlen innerhalb der Gruppe der unter 25-Jährigen haben sich seit dem Vorjahr mehr als verdoppelt.

Gerade junge Menschen wären besonders von Arbeitslosigkeit betroffen, schlägt Eva Maria Holzleitner Alarm. Sie befürchtet, dass Tausende Jugendliche unter den jetzigen Voraussetzungen im September keine Lehrstelle finden werden. Da helfen auch keine unzähligen Pressekonferenzen oder die Einrichtung einer Taskforce, sondern es brauche echte und rasche Lösungen, appelliert die Rednerin an die Regierung. Holzleitner betont, dass ohne ein „Kraftpaket“ in diesem Bereich im Herbst bis zu 8.000 Lehrstellen fehlen würden. Konkret beinhaltet die SPÖ-Initiative eine Lehrplatzgarantie für Jugendliche, die Wiedereinführung der Ausbildungsgarantie bis 25 Jahre sowie eine Zurücknahme der „schikanösen“ Halbierung der Lehrlingsentschädigung für über 19-Jährige in den überbetrieblichen Lehrwerkstätten. Außerdem müsse das AMS mit den entsprechenden finanziellen Mitteln für zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen ausgestattet und das Personal aufgestockt werden. Dringenden Handlungsbedarf ortete Holzleitner auch auf EU-Ebene, wo man damit rechne, dass bis Ende des Jahres 5 Millionen junge Menschen arbeitslos sein werden.

Aschbacher setzt auf genaue Bedarfserhebung und „arbeitsmarkpolitischen Instrumentenkoffer“

Arbeitsministerin Christine Aschbacher verwies in ihrer Wortmeldung auf die bereits geplanten und gesetzten Schritte der Regierung in diesem Bereich. Sie versicherte zudem der Antragstellerin, dass die Frage der Jugendbeschäftigung für die Regierung ebenfalls ein Herzensanliegen darstelle. Per Ende Juni 2020 gab es insgesamt 7.673 junge Menschen, die einen Lehrstellenbedarf haben. Dem gegenüber stünden knapp 5.000 offene Lehrstellen, wobei nicht alle beim AMS gemeldet wurden. Es zeige sich zudem, dass die Bereitschaft der Jugendlichen, an Schulungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen, sehr groß sei. ExpertInnen gehen jedenfalls davon aus, dass im Herbst ca. 7.500 Lehrstellen offen sein werden.

Auch wenn es zum Glück schon schrittweise gelungen sei, die schwierige Lage zu entschärfen, „bleiben die Ärmel noch hochgekrempelt“, versprach Aschbacher. Die zahlreichen Gespräche mit VertreterInnen der Wirtschaft hätten gezeigt, dass die Unternehmen sehr wohl Arbeitskräfte suchen. Sie wolle daher an alle Jugendlichen appellieren, sich nicht entmutigen zu lassen und Bewerbungsschreiben zu verschicken. In vielen Fällen seien wiederum Umschulungen und Weiterbildungen sinnvoller, zumal etwa im Bereich Digitalisierung rund 20.000 neue Jobs entstehen werden. Die Regierung habe grundsätzlich über eine halbe Milliarde Euro für die aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik bereitgestellt. Im Rahmen der Ausbildungsgarantie werden zudem sehr wohl verschiedene Schulungen für Jugendliche mit Pflichtschulabschluss angeboten, hob die Ministerin hervor. Allein im ersten Halbjahr 2020 haben über 40.000 junge Menschen von Bildungsmaßnahmen über das AMS profitiert.

Weitere Unterstützung komme von Seiten der Info-Hotline, der Lehrstellenförderstelle, die über 10.000 Anträge abgewickelt habe, sowie durch das Corona-Kurzarbeitsmodell, das auch Lehrlinge bei vollem Entgelt in Anspruch nehmen können. Was die überbetrieblichen Lehrwerkstätten betrifft, so sei gerade eine bedarfsgerechte Planung im Laufen, informierte Aschbacher. Gemeinsam mit der Wirtschaftsministerin setze sie sich dafür ein, die Lehre aufzuwerten, neue Lehrberufe zu schaffen und die bestehenden noch attraktiver zu machen. Die Ressortchefin zeigte sich auch zuversichtlich, dass der Anfang Juli beschlossene Lehrlingsbonus von 2.000 € zu mehr Lehrstellen führen werde. Das zeigten erste positive Rückmeldungen. Im Rahmen einer interministeriellen Taskforce soll erhoben werden, wie der Bedarf in den einzelnen Bereichen ausschaut. Sollte es auf schulischer, betrieblicher oder arbeitsmarktpolitischer Ebene noch Lücken geben, können bedarfsorientierte Aufstockungen vorgenommen werden, kündigte Aschbacher an.

SPÖ: Bund soll mehr Lehrstellen zur Verfügung stellen

SPÖ-Lehrlingssprecher Klaus Köchl kritisierte, dass die Maßnahmen der Bundesregierung viel zu spät getroffen worden wären. Er forderte einen Ausbildungsplatz für jeden Jugendlichen sowie faire Löhne. Unter den viel zitierten Heldinnen und Helden der Krise gäbe es eine große Anzahl von ehemaligen Lehrlingen. Nun würden bis zu 8.000 Lehrstellen im Herbst fehlen, jede einzelne davon sei eine zu viel. Köchl begrüßte, dass es die Bundesländer Kärnten und Wien zustande bringen würden, zusätzliche Lehrstellen zur Verfügung zu stellen. Das sollte auch der Bund schaffen, gerade vor dem Hintergrund das viele Pensionierungen im öffentlichen Dienst anstehen würden.

ÖVP: Mut von Unternehmen und jungen Menschen gefordert

Martina Kaufmann von der ÖVP mahnte, dass die SPÖ mit ihrem Antrag genau den gegenteiligen Effekt als erwünscht erwirken würde. Aktuell brauche es einerseits Mut für die UnternehmerInnen, Lehrlinge anzustellen und andererseits auch Mut für die jungen Menschen sich zu bewerben. Dort, wo jemand aber keinen Lehrstellenplatz bei einem Unternehmen finden würde, brauche es andere Formen der Ausbildung, sah die ÖVP-Lehrlingssprecherin durchaus Einigkeit mit der SPÖ. Prinzipiell dürfe kein Jugendlicher zurückgelassen werden, unterstrich auch Kauffmann.

FPÖ: Wiedereinführung des „Blum-Bonus“ wichtige Maßnahme

Erwin Angerer (FPÖ) wies darauf hin, dass man die Ursachen des Lehrstellenmangels und nicht die Symptome bekämpfen müsse. Viele Unternehmen würden aufgrund der fehlenden grundlegenden Kompetenzen der jungen Menschen keine Lehrlinge aufnehmen. Hier hätte das Bildungssystem in den letzten Jahrzehnten versagt. Angerer forderte mehr Leistungsgedanken in der Schule, um die SchülerInnen gut auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Zudem brachte er einen Entschließungsantrag ein, der die Wiedereinführung des sogenannten „Blum-Bonus“, der den Unternehmen einen monatlichen Zuschuss über die gesamte Lehrzeit für Lehrlinge in ihrem Betrieb garantiert. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit.

Grüne: Maßnahmen der Bundesregierung gehen in die richtige Richtung

Er verstehe die Angst und Sorgen vieler Jugendlicher um ihre Arbeitsplätze, betonte Grünen-Lehrlingssprecher Süleyman Zorba. Die Regierung habe aber schon viele Maßnahmen in die richtige Richtung gesetzt, vieles sei schon im Umsetzung. Zorba wies auf den eingeführten Lehrlingsbonus sowie auf die Möglichkeit der Kurzarbeit, auch zum Erhalt von Lehrstellen, hin. Vor allem Klein- und Mittelbetriebe in den Regionen würden vom Lehrlingsbonus profitieren. Als Ergänzung dazu müsse man die überbetrieblichen Lehrwerkstätten weiter forcieren. Die Bunderegierung werde alles unternehmen, damit das Worst-Case-Szenario von 8.000 fehlenden Lehrstellen im Herbst nicht eintreten werde, so der Grünen-Abgeordnete

NEOS: Anpassung des Arbeitsrechts auf die Höhe der Zeit

Gerald Loacker von den NEOS gab der SPÖ prinzipiell Recht, dass vor allem die jungen Menschen für die aktuelle Krise, in mehrerlei Hinsicht bezahlen würden – einerseits im Bildungssystem durch ausgefallene Unterrichtsstunden und Prüfungen, anderseits am Arbeitsmarkt, da sie viel stärker von Arbeitslosigkeit betroffen wären. Auch JungunternehmerInnen würden es aktuell sehr schwer haben. Zudem würden die jungen Menschen die „gewaltigen Schulden“ der manchmal überschüssigen Maßnahmenpakete der Regierung bezahlen. Loacker kritisierte aber, dass der alleinige Glaube an den Staat nicht zum Überwinden der Krise reichen würde. Die Unternehmen würden jetzt Vertrauern und Zuversicht benötigen, wie es im Herbst und Winter weitergehen soll. Loacker brachte in diesem Zusammenhang einen Entschließungsantrag für die NEOS ein. In diesem wird gefordert, die arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Regelungen so anzupassen, dass den Anforderungen der neuen Arbeitswelt mit dem verstärkten Arbeiten im Home-Office Rechnung getragen wird. Der Antrag fand jedoch ebenso keine Mehrheit im Nationalrat. (Schluss Dringlicher Antrag/Fortsetzung Nationalrat) sue/med/see

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Live-Stream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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