Schönborn und Lackner gegen „Instrumentalisierung von Religion“

Wien (KAP) – Gegen jede „Instrumentalisierung von Religion“ haben sich der bisherige und der neue Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn und Erzbischof Franz Lackner, ausgesprochen. In ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag in Wien, in der sie über Ergebnisse der dieswöchigen Sommervollversammlung des Episkopats in Mariazell informierten, forderten sie zum Respekt im Umgang mit Religionen und zur Erhaltung des religiösen Friedens in Österreich auf. Kardinal Schönborn wandte sich gegen „Entgleisungen“ und „nicht akzeptable Ausrutscher“, ohne Namen zu nennen, wie er hinzufügte. Keine Religion dürfe öffentlich schlecht gemacht werden.

Auch der Salzburger Erzbischof wies auf den entsprechenden Passus in der aktuellen Erklärung der Bischöfe zum Abschluss der Sommervollversammlung hin, wonach sich der Episkopat vom Missbrauch und der Instrumentalisierung von Religion für politische Zwecke distanziert. Dies sei zuletzt geschehen, beklagte Lackner und hielt fest: Auch in der politischen Auseinandersetzung sei ein Mindestmaß an Respekt und Wertschätzung gegenüber Religionen und gläubigen Menschen immer einzuhalten.

Der Hintergrund: FPÖ-Chef Norbert Hofer hatte am 16. Juni bei einer Wahlkampfveranstaltung am Wiener Viktor-Adler-Markt gesagt, der Koran sei „gefährlicher als Corona“. Dies hatte Proteste von muslimischer Seite und auch klare Kritik vonseiten evangelischer Kirchenvertreter zur Folge. Kardinal Schönborn sprach bei der Pressekonferenz am Freitag von einer notwendigen „Abrüstung der Worte“. Dass in der politischen Debatte manchmal „übers Ziel hinausgeschossen“ werde, könne passieren und sei menschlich, dürfe aber nicht unwidersprochen bleiben. Die in Österreich gute Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften – „um die uns manche beneiden“ – müsse erhalten bleiben, so wie auch das gute Verhältnis der Religionen untereinander.

Lackner: Von Vorbild Schönborn viel gelernt

Erzbischof Lackner sagte eingangs bezogen auf seine neue Leitungsfunktion in der Bischofskonferenz, Gott habe ihn auf seinem Lebensweg immer wieder überrascht. Aus ärmlichen Familienverhältnissen stammenden, der er einst „mit Ach und Krach“ seine Elektrikerlehre beendet habe, hätte er nie damit gerechnet, dass er einmal Erzbischof und nun auch Vorsitzender der Bischofskonferenz sein würde. Seinem Vorgänger Schönborn dankte Lackner für dessen 22-jährige Amtsausübung; der Kardinal sei auch in schwierigen Zeiten, als es Schuld zu benennen und Verzeihung zu erbitten galt, ein Vorbild gewesen, von dem er – Lackner – viel gelernt habe.

Doppelte Anwaltschaft

In den Journalistenanfragen nach seiner Darlegung der Erklärungen der Bischofskonferenz sagte Lackner, er verstehe seine neue Vorsitzfunktion wie auch sein Bischofsamt generell als doppelte Anwaltschaft: Er wolle in der Weltkirche Anliegen der Kirche in Österreich zur Sprache bringen, zugleich hierzulande vertreten, was aus Rom kommt. Im kommenden Jahr steht ein Ad-limina-Besuch der österreichischen Bischöfe im Vatikan an, dabei möchte der Erzbischof, wie er ankündigte, seine Beobachtung der wachsenden Gottferne vieler Zeitgenossen ansprechen. Nicht umsonst heiße es zeitdiagnostisch:
„Wir haben vergessen, dass wir Gott vergessen haben.“ Dagegen Lackner: Wenn wir von Gott als dem Ursprung und der Quelle des Lebens getrennt sind, „fehlt etwas“. Zugleich sei anzuerkennen, dass viele Menschen heute auch ohne Gott gut zu leben meinen und auch viel Gutes außerhalb der Kirche geschehe.

In Rom wolle er aber auch Fragen der Verfasstheit der Kirche thematisieren, „wo sich Menschen nicht verstanden fühlen“, so Lackner. Das Thema Frau in der Kirche möchte der Erzbischof „nicht nur rhetorisch ernst nehmen“. Maria habe mit ihrem Leben verdeutlicht, dass der Name Immanuel für den Gottessohn und dessen Bedeutung „Gott ist mit uns“ in der Alltäglichkeit erlebbar wird. Dies gehöre in der Kirche gestärkt, und dafür „brauchen wir die feministische Theologie“, so Lackner.

Corona-Maßnahmen waren adäquat

In einer Zwischenbilanz zur Coronakrise sagte der neue Vorsitzende der Bischofskonferenz, diese habe auch im Episkopat große Verunsicherung ausgelöst. Im Austausch mit Fachleuten aus Medizin und Politik habe man bestmöglich versucht, im eigenen Bereich Ansteckungen mit dem Virus zu vermeiden und dazu auch einen Krisenstab eingerichtet, der entsprechende Maßnahmen setzte. Rückblickend würde er nicht meinen, dass die Bischöfe da viel anders hätten machen können, sagte Lackner. Dass die Pandemie auch für die Kirche finanzielle Folgen haben wird, sei absehbar: „Da kommt etwas auf uns zu.“ Dennoch wolle man bei Beitragszahlungen Bedürftigen entgegenkommen.

Für ihn persönlich sei es „erschütternd“ gewesen, Gottesdienste im leeren Dom zu feiern, wo sonst Tausende Platz fänden, erzählte der Salzburger Erzbischof. Er dankte den Medien, die durch Liveübertragungen ein Mitfeiern Abwesender ermöglichten und damit viel Zuspruch erzielten. Ein Gottesdienst im Vollsinn erfordere freilich physische Präsenz, verwies Lackner auf die Leibfreundlichkeit des Christentums. Altersheime hätten das Problem gehabt, eine gute Balance zwischen Sicherheit und menschlichem Kontakt zu finden; er wisse von einem Fall, wo jemand tragischerweise einsam gestorben sei, berichtete der Erzbischof. Er sprach sich in diesem Zusammenhang für die Entwicklung einer „Theologie des Digitalen“ aus.

Schönborn: Tragfähige Haltungen pflegen

Kardinal Schönborn wies in seinem Statement auf Haltungen hin, die schon zum Gedeihen der Zweiten Republik beigetragen und sich auch nun in der Corona-Krise als tragfähig erwiesen hätten: Er nannte bewährte Institutionen wie die österreichische Sozialpartnerschaft und deren Verdienste beim Finden notwendiger Kompromisse, die Bereitschaft zum Dialog, ohne andere zu „beschimpfen“, und den Blick auf die Schwächsten der Gesellschaft. Die Folgen der Pandemie erforderten das Bemühen um sozialen Ausgleich und eine weiterhin gute Zusammenarbeit zwischen karitativen Teilen der Zivilgesellschaft und den staatlichen Behörden, betonte Schönborn.

Als eine Lehre aus der Krise bezeichnete er zum einen, dass „maßlose Globalisierung“ auch große Gefahren berge; regionale Versorgung und Standortpflege habe sich gerade jetzt als notwendig erwiesen. Dies dürfe aber nicht in eine „Politik der Abschottung“ und einen neuen Nationalismus münden, so Schönborn. Beides – Regionalisierung und internationale Offenheit – gelte es gut auszutarieren. Als traditionelles „Brückenland“ darf Österreich nach den Worten des Kardinals auch auf Schutzsuchende und Flüchtlinge nicht vergessen. Das Land solle seine humanitäre Tradition etwa mit einer Maßnahme pflegen, die sich schon in der Syrienkrise bewährt habe: Unter Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sei ein humanitärer Korridor für insgesamt 2.500 syrische Flüchtlinge eingerichtet worden – ein Modell, das Schönborn vor dem Hintergrund überfüllter Lager an Europas Grenzen auch heute vorschlug.

Dass in Mariazell – wo die Bischofskonferenz von Montag bis Donnerstag tagte – Maria nicht nur als „Magna Mater Austriae“ verehrt werde, sondern auch von Ungarn und Slawen als Heiligtum betrachtet wird, sehe er als schönes Symbol für die völkerverbindende Kraft von Religion, so der Kardinal abschließend.

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