Wien (PK) – In einer aktuellen Aussprache stand der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich Martin Selmayr heute den BundesrätInnen über aktuelle europapolitische Themen, etwa Brexit und EU-Budget, Rede und Antwort. Der EU-Ausschuss des Bundesrats beschäftigte sich ferner mit zwei Verordnungsvorschlägen zur Einrichtung des Fonds für einen gerechten Übergang im Rahmen des europäischen Green Deals, die derzeit im Rat und im Europäischen Parlament diskutiert werden.
Vor Eingang in die Tagesordnung berichtete Ausschussvorsitzender Christian Buchmann (ÖVP/St) vom Treffen der COSAC-Vorsitzenden in Zagreb. Zur Sprache stand dort unter anderem die Einbindung der nationalen Parlamente in die von der Europäischen Kommission angekündigten Konferenz zur Zukunft Europas sowie die EU-Erweiterung. Österreich werde die Integration des Westbalkans in die europäischen Strukturen weiterhin nach Kräften unterstützen, so Buchmann.
Selmayr über Herausforderungen der „geopolitischen Kommission“
Der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich Martin Selmayr berichtete von den aktuellen Herausforderungen der Union und erinnerte an deren Ursprünge als Friedensprojekt. Diese Gewissheiten der Nachkriegszeit seien nicht mehr allgegenwärtig, wie etwa die Annexion der Krim, das Brexit-Referendum oder die Wahl des US-Präsidenten zeigen würden. Daher müsse die EU aus seiner Komfortzone heraus aktiv werden und selbst die weitere Entwicklung gestalten, konstatierte Selmayr. Vor diesem Hintergrund würde sich die Kommission von Ursula von der Leyen als eine „geopolitische Kommission“ verstehen, die sich neben den großen EU-Themen Klimawandel, Digitalisierung und Wettbewerbsfähigkeit und der EU-Erweiterung am Westbalkan auch mit der Frage beschäftigen wird, ob man die Gestaltung der Zukunft der Welt zwei Mächten, nämlich USA und China, überlasse oder als EU mitzumischen vermag.
In jeder Hinsicht seien die nationalen Parlamente ein starker Partner auf EU-Ebene, meinte der Vertreter der Kommission in Österreich. Generell müsse man sich mit der Abwägung zwischen Eigenverantwortung und Solidarität jeden Tag von Neuem beschäftigen. Als „Kontinent von Demokratien“ sei Dissens bzw. Streit über Gesetze daher durchaus gut für die EU – gewiss mit Argumenten auf Basis der Rechtsstaatlichkeit, so Selmayr.
Vor diesem Hintergrund wurde von den BundesrätInnen das Thema Bürgerbeteiligung in den Vordergrund gerückt. Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) informierte sich über die Ziele der von der Kommission angekündigten Konferenz zur Zukunft Europas. Um mehr Einigkeit bei den großen Zukunftsthemen der EU zu erlangen, würden laut Vertreter Selmayr die nationalen Parlamente eine wichtige Mittlerrolle dabei einnehmen, die EU-Politik den BürgerInnen näherzubringen. Auch die EU-Gemeinderäte könnten noch stärker eingebunden werden – ein in Österreich einzigartiges Best-Practice-Beispiel für „gelebte Subsidiarität“, wie er meinte.
Auseinandersetzung mit Brexit und EU-Budget
Aus gegebenem Anlass kam unter anderem der Austritt Großbritanniens aus der EU zur Sprache. Grundsätzlich habe man alles getan, um die Briten in der Union zu halten, sagte der Vertreter der Kommission in Österreich. Eine andere Auffassung vertrat Christoph Steiner (FPÖ/T). Die EU sei ihm zufolge nicht Opfer des Brexit, sondern Mittäter und trage ebenso Schuld an der Stimmung, die die britische Bevölkerung zum Austritt bewogen habe. Stefan Schennach (SPÖ/W) erkundigte sich nach dem Verhandlungsstand des Freihandelsabkommens mit Großbritannien. Es werde sich wohl um ein „Mindestabkommen“ handeln, um „nach der Scheidung Freunde zu bleiben“, sagte Selmayr und gab an, dass auch die Verlängerung der Übergangsfrist eine Option wäre.
Betreffend Mehrjähriger Finanzrahmen äußerte Stefan Schennach (SPÖ/W) sein Behagen darüber, dass sich die Österreichische Position zum Beitrag des EU-Budgets von 1% des BNE losbewegt habe. Für Selmayr ist das EU-Budget ein Solidaritäts- und Werteinstrument, den Vorschlag der Kommission von 1,11% empfinde er nicht als übertrieben sondern zukunftsfit. Gegenüber den Bundesräten Martin Preineder (ÖVP/N) und Günther Novak (SPÖ/K) äußerte er ferner Zuversicht über die laufenden Verhandlungen zum Agrarbudget. Um die Wettbewerbsfähigkeit in Hinblick auf die Klimaziele zu erhalten, sollte man laut Sonja Zwazl(ÖVP/N) Klimaschutz und Energieeffizienz mit Überlegungen des Wirtschaftswachstums verknüpfen. Marco Schreuder (Grüne/W) sprach sich nebst ökonomischer und ökologischer Schlüsselfaktoren für die Entbürokratisierung sowie generell einfachere Strukturen zwischen EU und Unternehmen aus.
Für Andrea Kahofer (SPÖ/N) drängte sich angesichts einer zur Sprache gebrachten „militärischen Komponente“ der EU die Frage nach entsprechenden Plänen auf. Ein europäisches Heer werde man nicht morgen gründen, entgegnete Selmayr, jedoch werde die Sicherheitsfrage sehr ernst genommen. Mit den EU-Missionen zur Friedensstabilisierung werde man weitermachen und schrittweise eine stärkere Rolle in der Nachbarschaftspolitik einnehmen.
Betroffene Regionen sollen durch Übergangsmechanismus bei EU-Klimazielen gefördert werden
Eine Vertreterin des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus informierte die BundesrätInnen über die Vorhaben der Europäischen Kommission zur Förderung jener Regionen, die aufgrund der Klimaziele der EU vor besonders großen Herausforderungen stehen. Der europäische Green Deal der Kommission, der einen Fahrplan für eine auf Klimazielen basierende Wachstumspolitik skizziert, umfasst einen Übergangsmechanismus inklusive eines „Fonds für einen gerechten Übergang“ („Just Transition Fund“, JTF), der mit insgesamt 7,5 Mrd. € dotiert ist. Mittel daraus sollen jene Regionen erhalten, die aufgrund des Übergangs der Union zu einer klimaneutralen Wirtschaft bis 2050 schwerwiegende sozioökonomische Herausforderungen bewältigen müssen. So sollen etwa Investitionen in den Einsatz von Technologien und Infrastrukturen für saubere Energie, in die Verringerung der Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz und erneuerbare Energien, in die Förderung der Kreislaufwirtschaft oder entsprechende Forschungs-und Innovationstätigkeiten unterstützt, aber auch die aktive Eingliederung von Arbeitssuchenden vorangetrieben werden. Kernkraftwerke sind laut Kommissionsvorschlag von der Förderung ausgeschlossen, was von Österreich ausdrücklich befürwortet wird. Das Bekenntnis zur Klimaneutralität bis 2050 ist eine Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme aus dem Fonds für einen gerechten Übergang.
Der JTF soll durch zusätzliche im Unionshaushalt zugewiesene Mittel aufgestockt und als neuer kohäsionspolitischer Fonds (zusätzlich zu EFRE, ESF+ und Kohäsionsfonds) aufgenommen werden. Dazu ist eine Implementierungsverordnung für mehrere Fonds (konkret für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds als auch für Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl- und Migrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit sowie das Instrument für Grenzmanagement und Visa) nötig, welche heute ebenso auf der Tagesordnung stand. Angestrebt wird ein Inkrafttreten beider Verordnungen bis 1. Jänner 2021.
Für die Auswahl der Regionen wird von der Europäischen Kommission bis Ende des Jahres ein Vorschlag als Ausgangsbasis für weitere Diskussionen erstellt, erläuterte die Ministeriumsvertreterin auf Grundlage einer Frage von Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S). Vermutlich werden in Österreich zwei Regionen betroffen sein.
Stefan Schennach (SPÖ/W) sprach sich dafür aus, auch Arbeitsstiftungen mit dem Fonds zu fördern. Laut der Expertin würde laut Verordnungsvorschlag nichts dagegen sprechen. Über die dotierten Mittel wollten die Bundesräte Christoph Steiner (FPÖ/T) und Bernd Saurer (FPÖ/W) genauer Bescheid wissen. Die angegebenen 7,5 Mrd. € seien als ein Anschub zu verstehen, nur als Teil dessen, was zur Erreichung der EU-Klimaziele notwendig ist, meinte die Vertreterin des Landwirtschaftsministeriums. Es bedürfe zusätzlichen nationalen Anstrengungen. (Schluss EU-Ausschuss des Bundesrats) fan
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