Wien (OTS) – Das Wiener Stadt- und Landesarchiv erarbeitet regelmäßig Themenschwerpunkte zu Aspekten der Wiener Stadtgeschichte. Diese werden im „Wien Geschichte Wiki“, der historischen Wissensplattform der Stadt Wien, aufbereitet und durch digitalisierte Originalquellen ergänzt.
Kommunalpolitisches Experiment 1919-1934
Nach den ersten allgemeinen freien und gleichen Wahlen zum Wiener Gemeinderat vom 4. Mai 1919 erhielt die Sozialdemokratische Arbeiterpartei die absolute Mehrheit und behielt diese bis zur Beseitigung der Demokratie durch das Dollfuss-Schuschnigg-Regime im Februar 1934. Diese eineinhalb Jahrzehnte waren durch eine umfassende Reformpolitik geprägt, die – wie in der Sprache der Zeit gefordert – eine Zivilisierung, Kulturalisierung und Hygienisierung der urbanen Bevölkerung im Fokus hatte.
Besteuerung des Luxus
Die finanzielle Basis für die Reformpolitik schuf Finanzstadtrat Hugo Breitner, der die Finanzen der Stadt total umkrempelte. Die Einnahmen kamen nun primär aus „Luxussteuern“, Betriebssteuern und Anteilen an den Bundesabgaben aus dem Finanzausgleich. Kleinere Einkommen wurden entlastet, die städtischen Unternehmen kostendeckend geführt. Im Jahr 1928 war die aus den Kriegsjahren übernommene Schuldenlast abgebaut, Wien schuldenfrei.
Gesundheits- und Sozialpolitik
Angesichts der verheerenden Wirkungen des Ersten Weltkrieges auf die schwer unterversorgte städtische Bevölkerung bildete die präventive Bekämpfung der Säuglings-, Kinder- und Tuberkulosesterblichkeit einen wichtigen Schwerpunkt. Grundsatz der präventiv ausgerichteten Sozialpolitik war ein Recht auf Sozialfürsorge, dem die Verpflichtung des Einzelnen gegenüberstand, sich den von den Gesundheits- und Sozialbehörden vorgegebenen Regeln zu halten. In dem von Stadtrat Julius Tandler ab 1921 gegründeten und geleiteten Wohlfahrtsamt wurden alle sozialpolitischen Belange konzentriert.
Der kommunale Wohnbau
Im öffentlichen Raum entwickelte sich der kommunale Wohnbau zum Markenzeichen des „Roten Wien“. Am 1. September 1923 startete das erste 5-Jahresprogramm des kommunalen Wohnbaus, dem ein weiteres folgen sollte. Es entstanden etwa 400 Gemeindebauten mit rund 64.000 Wohnungen. 11% der Wiener Bevölkerung fanden eine neue Bleibe. Um den enormen Wohnbedarf zu decken, wurden primär Kleinst- und Kleinwohnungen mit Innentoilette gebaut. Dazu kamen Gemeinschaftsanlagen wie Waschküchen, Kindergärten und Gemeinschaftsbäder.
Schulreform
Der Bildungsreformer Otto Glöckel setzte auf eine „Pädagogik vom Kinde aus“, die sich auf Arbeitsunterricht, Gesamtunterricht und Bodenständigkeit stützte. Dadurch bekam der Pflichtschulunterricht eine größere Nähe zur Alltagswelt. In einigen Schulen wurde auch die Gesamtschule probeweise eingeführt. In Institutionen der Erwachsenenbildung wie den Volkshochschulen suchten die Sozialdemokraten über die Bildung der Arbeiterschaft ein gegenkulturelles Modell zur bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft zu vermitteln. Das Vordringen der Konsumgesellschaft stand zum klassischen Bildungsideal der Reformpolitiker allerdings im kaum auflösbaren Widerspruch. Arbeiterinnen und Arbeiter besuchten eher Kinos als Theater und Oper, bevorzugten Belletristik und Fußball im Gegensatz zur bürgerlichen Hochkultur.
Themenschwerpunkt des Wiener Stadt- und Landesarchivs
Zusätzlich zum Themenschwerpunkt im Wien Geschichte Wiki präsentiert das Wiener Stadt- und Landesarchiv vom 4. März bis 3. September 2019 Originalquellen zum „Roten Wien“ im Foyer des Archivs. Zu den besonders bedeutenden Archivalien gehören die Fotos von Martin Gerlach, dem Fotografen des Roten Wien.
Das Rote Wien im Wien Geschichte Wiki:
[https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Rotes_Wien]
(https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Rotes_Wien)
Vortragsreihe
Der Themenschwerpunkt wird durch zwei wissenschaftliche Fachvorträge ergänzt, die im Wiener Stadt- und Landesarchiv stattfinden.
Am 25. April 2019 um 18 Uhr spricht Dr. Werner Bauer vom Museum „Das Rotes Wien im Waschsalon Karl-Marx-Hof“ zu „Das Rote Wien – ein Panorama“.
Am 16. Mai 2019 um 18 Uhr referiert Dr. Peter Schwarz zu „Julius Tandler und die Gesundheits- und Sozialpolitik im Roten Wien“.
Informationen zu den Veranstaltungen:
[https://www.wien.gv.at/kultur/archiv/veranstaltungen/roteswien.html]
(https://www.wien.gv.at/kultur/archiv/veranstaltungen/roteswien.html)
Bildzitat: Hauptfassade des Reumannhofs (1926)
Quelle: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Fotoarchiv Gerlach, FC1:
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