EU-Hauptausschuss: Kurz steht Brexit-Verschiebung positiv gegenüber

Wien (PK) – „Wir können Theresa May positiv signalisieren, dass wir für eine Verschiebung sind“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz heute im parlamentarischen EU-Hauptausschuss als Reaktion auf die heute von der britischen Premierministerin beantragte Verschiebung für den Austritt Großbritanniens aus der EU bis 30. Juni. Die Mehrheitsmeinung in der EU sei, den Brexit nach hinten zu verschieben, um einen ungeordneten Austritt zu vermeiden. Gelöst seien die offenen Streitfragen allerdings nicht. Ziel bleibe ein Deal noch vor den Europawahlen im Mai, so Kurz, er rechnet wie Kommissionspräsident Jean Claude Juncker beim morgen startenden EU-Gipfel in Brüssel nicht mit einer endgültigen Klärung. Auch die Chance für ein zweites Brexit-Referendum sieht der Kanzler im Moment nicht gegeben. Zur Zeit gebe es in Großbritannien für diese Idee einfach keine nennenswerte Unterstützung.

Geht es nach der SPÖ, sollte die EU eine Brexit-Verschiebung nicht unkritisch befürworten. „Nur zu sagen, nicht gegen die Wand fahren zu wollen, ist zu wenig“, sagte Andreas Schieder (SPÖ). Die Oppositionspartei vermisst in der britischen Verhandlungsposition eine Perspektive für einen konstruktiven Ausweg. Theresa May sei nicht mehr der politische Garant dafür, so Schieder, die Entscheidung falle schlussendlich im britischen Unterhaus. Die Frage sei, was eine Verschiebung bringen soll, ergänzte der Abgeordnete, die Aufgabe der britischen KollegInnen sei es nun, eine Alternative zu formulieren. Ein entsprechender Antrag auf Stellungnahme, in dem die SPÖ den Bundeskanzler auffordert, einer Verlängerung der Frist für den Brexit im Europäischen Rat nur dann zuzustimmen, wenn diese eine tatsächliche Veränderung der Verhandlungsposition erwarten lässt, wurde nur von den NEOS sowie der Liste JETZT unterstützt und fand damit keine Mehrheit im Ausschuss.

Martin Engelberg (ÖVP) merkte an, dass die von der SPÖ beantragte Mitteilung bereits offizielle EU-Position sei, es handle sich dabei um ein „explain the obvious“. Wer die britische Verhandlungsführung kenne, wüsste, wie wichtig es sei, in den letzten Tagen die Nerven zu behalten. Nicht weniger essentiell sei es nun auch innenpolitisch, hinter der Position der Regierung zu stehen und EU-Chefverhandler Michel Barnier zu unterstützen.

Europaminister Gernot Blümel bekräftigte, dass es auch mit einer Brexit-Verschiebung zu keinem Aufschnüren des ausverhandelten Vertrags kommen werde. May brauche eine technische Verlängerung des Austrittsdatums, um den Vertrag durch das britische Unterhaus bringen zu können. In der EU würden jedenfalls weiterhin Vorkehrungen für den Fall eines harten Brexit getroffen. Im Rat für Allgemeine Angelegenheiten seien gestern etwa 11 von 19 Rechtsakte beschlossen worden.

Auf die Frage von Jessi Lintl (FPÖ), warum es in Sachen Backstop kein Entgegenkommen der EU für die Briten gibt, sagte Blümel, dass es sich im Abkommen dabei um eine Rückversicherung handle, um eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland zu vermeiden. So eine Rückversicherung müsse auch rechtlich bindend und zeitlich unbefristet sein. „Es gibt die Befürchtung, dass wieder Blut fließt, wenn es zu einer harten Grenze kommt“, so der Minister. Die Wahrscheinlichkeit, dass es schlussendlich zu keinem Brexit kommt, bewertet Blümel unter den aktuellen Gegebenheiten als „nicht sehr groß“. Die Hand bleibe Richtung Großbritannien jedenfalls immer ausgestreckt.

US-Strafzölle, Macrons Europa-Pläne, künstliche Intelligenz, Westbalkan

Angesprochen von Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) auf US-Strafzölle etwa in der Automobilindustrie, erklärte der Bundeskanzler, dass er bei seinem Besuch Interesse für ein EU-Abkommen ähnlich wie mit Mexiko oder Kanada vernommen habe. Ob so ein Abkommen schnell gelinge, sei nicht voraussehbar. Mittelfristig sei er jedenfalls optimistisch, er habe nicht den Eindruck gewonnen, dass vonseiten der USA Interesse an einem langjährigen Handelskrieg bestehe. Er spreche sich jedenfalls für einen fairer Freihandel mit den USA aus, wie er Douglas Hoyos-Trauttmansdorff erklärte.

FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus erkundigte sich beim Bundeskanzler, wie er zu den EU-Zukunftsplänen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron steht. Kurz bekräftigte darauf einmal mehr seine Vorstellung einer subsidiären Union, Macrons Vorschläge sind seiner Meinung nach unterschiedlich zu bewerten. Unterstützenswert seien etwa die französischen Vorstellungen in Hinblick auf einen stärkeren Außengrenzschutz, kritisch stehe er allerdings einer Sozialunion gegenüber.

Das Thema künstliche Intelligenz, Datenzugang sowie Datennutzung in Verbindung mit ethischen Codes brachte Stefanie Cox (JETZT) aufs Tapet. Kurz meinte dazu, dass es für künstliche Intelligenz genauso ethische Standards geben müsse wie für alle anderen Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Diese zu formulieren, sei allerdings komplex und sensibel, im Bundeskanzleramt wird sich laut Informationen des Kanzlers ein Ethik-Rat mit diesen Fragen befassen. „Wir dürfen uns vor dem Fortschritt nicht fürchten“, so Kurz. Einem europaweiten Sicherheitszertifikat für Cyber-Produkte und -Dienstleistungen stehe er positiv gegenüber.

Was die Heranführung Südosteuropas an die EU betrifft, betonte Blümel, dass der Westbalkan auch nach der Ratspräsidentschaft ein laufender Schwerpunkt der österreichischen EU- und Außenpolitik bleibe. Wichtig sei, dass die Union auch weiterhin die Hand ausstreckt und weitere Handlungen setzt, wenn es zu Fortschritten in den Westbalkan-Staaten kommt. Zumal die Beitrittsperspektive positive Transformationswelle in der Region auslösen könne. (Schluss EU-Hauptausschuss) keg

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